2. Bundesliga: 1860 München:Druck im Kessel

Der Hauptsponsor steigt aus, Stürmer Djordje Rakic klagt, die Machtkämpfe dauern an: 1860 steht vor quälend langen Wochen. Gegen Union Berlin steht dabei am Freitag der nächste sportliche Härtetest an - mit schlechten Vorzeichen.

Gerald Kleffmann

In anderen Zeiten wäre diese Aktion kaum aufgefallen, aber in diesen Tagen ist sie symptomatisch für den Verein. Der Fanshop der Löwen wirbt gerade für sich. Viele Artikel kosten weniger als die Hälfte. Ein Kapuzensweatshirt etwa ist für 25 statt 59 Euro zu haben, nicht schlecht. Echte Schnäppchen wie im Schlussverkauf lassen sich machen für die Anhänger des TSV 1860 München, was erstaunlich ist. Die Saison läuft ja noch eine Weile, mit der Partie an diesem Freitag bei Union Berlin (18 Uhr) stehen elf Spiele aus. Die in der Regel Klassenerhalt sichernden 40 Punkte hat der TSV (30) noch nicht erreicht - und doch hat man den Eindruck, als stünden sie bei 1860 schon kurz vor dem Saisonende.

MSV Duisburg - TSV 1860 München

Djordje Rakic (links) soll in Berlin den gesperrten Benny Lauth im 1860-Sturm ersetzen.

(Foto: dpa)

Es wird entrümpelt, Bilanz gezogen, abgerechnet, beschwichtigt und taktiert wie sonst im Frühling, im Schlussspurt. Wenn das so weitergeht wie in dieser Woche, dann wird die Zeit bis zum 15.März, wenn Sechzig bei der DFL um die Lizenz kämpft, und bis zum 15. Mai, wenn die Saison endet, eine unendlich lange Qual. Auch die jüngste Nachricht vom Donnerstag trug nicht zur Entspannung im Innenleben bei, im Gegenteil.

Comarch, ein polnisches IT-Unternehmen und Hauptsponsor der Löwen, hat bekannt gegeben, eine Klausel zu nutzen und im Juni auszusteigen. Zwei Jahre früher als geplant. Zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Euro soll Firmenchef Janusz Filipiak vergangenen Sommer investiert haben, er hatte sich offenbar viel Werbewert als Gegenleistung versprochen. Münchner Journalisten wurden sogar nach Krakau eingeflogen, um Sympathien herzustellen.

Doch nun reicht es Filipiak. Er gab zu verstehen, dass seine Kündigung mit der "Situation des Klubs" zu tun habe, womit er sich offenbar auf die schwierige Finanzlage des TSV, die sportliche Stagnation sowie den Zuschauerschwund bezog - die Löwen stehen somit mal wieder als unfähig da. TSV-Geschäftsführer Robert Schäfer äußerte sich dennoch gelassen. Er verwies darauf, dass der Löwen-Vermarkter IMG, von dem er selbst im Herbst gekommen war, eine jährliche Garantiesumme für die 1860-Vermarktungsrechte zahle. Finanziell trifft es 1860 folglich nicht so schlimm. Der Geschäftsführer hat derweil den Comarch-Chef nicht abgeschrieben, "wir wollen ihn mit Taten von der Marke 1860 überzeugen und ihm das Sanierungskonzept persönlich vorstellen", sagte er.

Verheerende Wirkung

Und doch strahlt die Nachricht vom verlorenen Sponsor Verheerendes aus, die Agenturen, die eher selten über 1860 berichten, verschickten prompt die Meldung quer durch die Republik, in der natürlich das Wort "Hiobsbotschaft" nicht fehlen durfte. Vertrauenserweckend ist der gesamte Vorfall demnach nicht und der Zeitpunkt alles andere als günstig. 1860 sucht gerade intensiv nach Investoren und einem Finanzmodell, um überhaupt den 15. März zu überleben - zudem sind die Führungspersonen der Löwen mit diversen Baustellen schon genug absorbiert.

Angst vor dem Druck: Münchner ´Löwen" droht freier Fall

Auch seine Zukunft ist offen: Trainer Reiner Maurer.

(Foto: dpa)

Was wird nach dieser Saison aus Sportchef Miroslav Stevic, was aus Trainer Reiner Maurer? Kriegt Präsident Dieter Schneider mit Schäfer die Lizenz hin, schreitet die Sanierung voran? Was wird aus der Mannschaft, bleibt Benjamin Lauth, wer muss gehen, wer darf bleiben? Wer wird zweiter Vizepräsident? Eine knackige Gemengelage ist das, und so überrascht es nicht, dass sich viel Druck im 1860-Kessel aufgestaut hat. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass bald schon neuer Dampf entweichen könnte, der dem TSV zusetzt. Es wäre jedenfalls ein Wunder, wenn es anders käme.

Neben dem täglichen Kampf, 1860 vor der Insolvenz zu bewahren und dem Traditionsklub wieder eine Perspektive zu eröffnen, geht es für diverse Beteiligte schließlich auch persönlich um viel. Und es ist mitnichten so, selbst wenn das gelegentlich behauptet wird, dass alle nur das Beste für den Klub im Sinn haben. Hinter den Kulissen toben, wie immer wieder zu vernehmen ist, weiterhin Egokämpfe um Allianzen und Zweckbündnisse, die die Sanierung des zwingend notwendigen Sanierungsprozesses deutlich erschweren.Präsident Schneider ist es wohl inzwischen gewohnt, mehrmals in der Woche zu moderieren, zu beschwichtigen, an die Vernunft in dieser heiklen Phase zu appellieren. Er muss dafür sorgen, dass der Dampf drinnen bleibt im Klub. Wenigstens halbwegs.

Die Partie am Freitagabend bei Union Berlin wird derweil der nächste Härtetest für die Mannschaft und den in die Kritik geratenen Trainer Reiner Maurer, der auf den gelbgesperrten Benjamin Lauth sowie den angeschlagenen Alexander Ludwig verzichten muss. Djordje Rakic wird Lauth im Sturm vertreten. Der Serbe äußerte vorab allerdings Seltsames, im Kicker sagte er: "Ich bin enttäuscht von der Saison. Viele Sachen sind passiert." Und: "Es ist nicht der Moment, um mit Äußerungen die Atmosphäre zu vergiften. Am Saisonende werde ich all das offen ansprechen." Stevic hatte kürzlich übrigens auch gemeint, er werde sich "zu gegebener Zeit äußern".

Positiv betrachtet: Es wird garantiert nicht langweilig bei 1860. Selbst wenn sportlich seit 2009 unterm Strich wenig vorangeht.

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