Abschaffung der Montagsspiele:Der Protest geht nun erst richtig los

Gegen Montagsspiele

Endlich wieder Fußball. Endlich wieder aufregen über alles, was eigentlich nichts ist. Und gerade deshalb: alles.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Die Montagsspiele werden abgeschafft - das werten die aktiven Fans mit Recht als Erfolg. Sie haben erkannt, welche Sprache bei den Verbänden ankommt.

Kommentar von Sebastian Fischer

Kurz abgerissen, eine phänotypische Kulturgeschichte der Fußballstadionbesucher im Wandel der Zeit: In den Siebzigerjahren trugen sie zu langen Haaren Schals, die bis zum Boden reichten, zweifarbig gestrickt; in den Achtzigern hatten sie schmutzige Jeanskutten an, mit Aufnähern voller schmutziger Witze, und so benahmen sie sich auch. In den Neunzigern kauften sie Polyestertrikots und beflockten diese mit Spitznamen, die zu Schnurrbärten passten: Borsti, Waldi, Kalle aus Malle. In den Nullerjahren begannen manche von ihnen, sich wie Demonstranten zu vermummen.

Was man über den Phänotyp des Stadiongängers (und, selbstverständlich, der Stadiongängerin) der Zehnerjahre einmal sagen wird? Nun, zunächst lässt sich festhalten, dass es ihn noch gibt. Er ist doch noch nicht überflüssig geworden.

In dieser Woche haben nach den Klubs der ersten auch jene der zweiten Liga beschlossen, Spiele am Montagabend von der Saison 2020/21 an abzuschaffen. Das ist zwar bedauerlich für viele Menschen, die sich zu Wochenbeginn an einen Fernsehabend unter Beteiligung des VfL Bochum, Fürth oder St. Pauli gewöhnt hatten. Der Montagabend war eine Marke. Aber es sei erinnert an den für alle Zeit schönsten Satz über das Dasein als Fan, aufgeschrieben von Nick Hornby: "Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden." Er meinte damit so wenig das Fußballgucken im TV wie das Verlieben über Tinder.

Niemand prägt das Bild des Stadiongängers so sehr wie die Ultras

Nun ist die Frage, ob die Klubs allein auf die Renaissance der Fußballromantik abzielten, wohl eher mit Nein zu beantworten. Zwar haben sie ihre Entscheidung mit Fannähe erklärt. Doch so richtig erfolgreich, also maßgeblich bei der Sponsorensuche, war die Plattform am Montag offenbar zuletzt ohnehin nicht mehr, seit die Rechte dem Pay-TV-Sender Sky gehören. Trotzdem war der Beschluss bemerkenswert, weil er den sogenannten aktiven Fans zugute kommt. Jenen weit reisenden Akteuren der Fußballszene also, die in Zeiten internationaler Fernsehverträge immer irrelevanter zu werden drohen - und die zudem unter Beobachtung stehen. Die Innenminister der Länder haben ja gerade tatsächlich darüber diskutiert, ob es künftig Gefängnisstrafen geben soll für Fans, die im Stadion Pyrotechnik zünden.

Niemand prägt das Bild des Stadiongängers so sehr wie die Ultras, die für Stimmung und Transparente zuständigen Anhänger in den vorderen Reihen der Fankurven. Für ihr schlechtes Image in der Öffentlichkeit sind sie oft selbst verantwortlich, wenn aus ihrer Mitte Randalierer kommen. Doch sie haben auch unnachgiebig und friedlich gegen die Zerstückelung der Spieltage protestiert, die den Fernsehzuschauer zum wichtigsten Fan macht. Sie hatten dabei die Unterstützung der ganzen Kurve. Die Abfuhr für den Montag werten sie also durchaus mit Recht als Erfolg ihres Engagements.

Wie geht es nun weiter? Zu Beginn der Saison haben die Ultras den Dialog mit den Verbänden abgebrochen, sie fühlten sich mit ihren Anliegen nicht ernstgenommen. Nun werden sie den Dialog wohl eher nicht wieder aufnehmen, im Gegenteil. Die Interpretation geht eher so, dass der Protest nun erst richtig losgeht, da dies die Sprache zu sein scheint, die bei den Entscheidern ankommt.

Wenn man irgendwann auf den phänotypischen Stadiongänger im Jahr 2018 zurückblickt, dann vielleicht auf jemanden, der für Stadionwurst und Bierbecher keine Hand mehr frei hat. Er muss ja das Transparent hochhalten, auf dem er gegen den eigenen Bedeutungsverlust demonstriert.

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