Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: Michael Ballack:Sechs Wochen Pause

Nächster Rückschlag für Michael Ballack: Bei Leverkusens 2:2 in Hannover verletzt sich der Mittelfeldspieler am Knie und muss sich womöglich bald mit einer neuen K-Frage auseinandersetzen: Karriereende?

Boris Herrmann

Ach Gott, Michael Ballack! Was soll man dazu noch sagen? Der nicht nur stimmlich leicht angerostete Finne Sami Hyypiä sagt dazu lieber gar nichts mehr. "Auf die Ballack-Frage habe ich gewartet. Nächste Frage", raunzte Leverkusens Verteidiger nach dem schmeichelhaften Punktgewinn bei Hannover 96. Sein Trainer Jupp Heynckes kam nicht ganz so leicht davon. Er versuchte, sich mit diplomatischem Geschick aus der Situation zu retten: "Der Michael hat in den ersten 20 Minuten sehr gut seine Position gehalten", das war aber auch schon das Beste, was sich über den Michael sagen ließ, bis er nach einer halben Stunde vom Platz humpelte. Mal wieder.

Ballack war bereits nach fünf Minuten mit seinem ungleich spielfreudigeren Kontrahenten Sergio Pinto zusammen geprallt. Dem Vernehmen nach hatte er danach "ein Taubheitsgefühl im linken Knie" verspürt. "Das Innenband ist überdehnt", hatte Heynckes noch gemutmaßt. Bei der Untersuchung am Sonntag wurde dann allerdings eine "feine Fraktur im Schienbeinkopf" diagnostiziert.

Nichts als Undank

Das bedeutet in erster Linie weitere sechs Wochen Pause für den Mann, der sich gerade gegen allerlei Widerstände auf den Platz zurückgekämpft hat. In zweiter Linie hat der Fall aber noch eine ganz andere Dimension. Die nächsten beiden EM-Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft gegen die Türkei und Kasachstan stehen bereits in vier Wochen an - ohne Ballack. Im November folgt dann noch ein Freundschaftsspiel in Schweden. Das war es dann für 2010. "Es tut mir leid für Michael, dass er einen neuen gesundheitlichen Rückschlag hinnehmen muss", ließ Bundestrainer Joachim Löw am Sonntag über den DFB-Verteiler verbreiten und wünschte "natürlich schnelle und gute Besserung".

Man darf aber jetzt schon ausschließen, dass der halbe DFB-Kapitän in diesem Jahr in Löws Personalstab zurückkehrt. Es wäre erstaunlich genug, wenn man ihn vor Weihnachten noch einmal in kurzen Hosen in einem Bundesliga-Stadion anträfe. Möglicherweise hat sich die allseits beliebte K-Frage damit von ganz alleine erledigt. Womöglich wird es nicht mehr allzulange dauern, bis sich ein weiteres K-Wort in die tragische Ballack-Saga einschleicht: Karriereende.

In einigen Tagen wird Ballack 34 Jahre alt. Wenn man die Boateng-Pause und die Pinto-Pause gesamtheitlich betrachtet, dann wird er im Spätherbst sechs Monate lang nicht mehr unter Wettkampfbedingungen funktioniert haben. Es wäre eine Illusion, zu glauben, ein Profikörper in diesem Alter stecke das einfach weg.

Zumal ein Profikopf diese unzähligen Rückschläge auch erst einmal verarbeiten muss. Im Sportstudio hat Ballack relativ offenherzig erzählt, dass die zurückliegenden Wochen keineswegs spurlos an ihm vorüber gegangen seien. Das wäre auch ein Wunder gewesen. Denn seit ihm Kevin-Prince Boateng im Frühjahr das Syndesmoseband zertrümmert hat, will einfach nichts mehr klappen im Leben des Michael Ballack. Die Nationalelf um ihren aufmüpfigen Häuptling Philipp Lahm hat in Südafrika ohne ihn geglänzt, der FCChelsea hat sich um seine Vertragsverlängerung gedrückt, und der ehemalige Kollege Christian Lell hievte auch noch Ballacks Privatleben in die Klatschspalten. Nichts als Undank für den einstigen Stolz der Fußballnation.

Da passte es gut ins Bild, dass auch der Knie-Unfallgegner Sergio Pinto am Samstag keinerlei Mitleid aufbrachte. "Ich kann nicht zurückziehen, nur weil es Ballack ist", sagte er. Dieser Ballack wirkte dagegen fast schon resigniert als er ins ZDF-Mikro hauchte: "Mich wundert nichts mehr, bei dem, was in den letzten Wochen passiert ist. Im Fußball geht es manchmal komisch und schnell."

Komisch war der Fußball allemal, den die Leverkusener in Hannover boten, besonders schnell war er aber nicht. Weder mit noch ohne Ballack. Es stimmt schon nachdenklich, wie panisch diese Mannschaft auf kleinere Rückschläge reagiert. In Hannover genügten eine Unachtsamkeit von Hyypiä (20.) und das daraus resultierende 1:0 durch Didier Ya Konan, schon fiel das Team wie beim 3:6 gegen Mönchengladbach in seine Einzelteile zusammen. Niemand vermag dieses Kartenhaus-Syndrom zu beschreiben, allein Patrick Helmes machte einen ernst gemeinten Versuch: "Da rennst du an und hoffst, dass irgendetwas passiert."

Außer einem fiesen Stellungsfehler, den Abdellaoue zum 2:0 nutzte (50.), passierte indes lange gar nichts. Dass überhaupt noch etwas passierte, war alleine Hannovers Gelb-Rot-Sünder Emanuel Pogatetz geschuldet. Wobei Ballacks Kollegen selbst in einstündiger Überzahl zumeist ohne Raumgewinn im Dreieck hin und her kickten. Leverkusens beste Aktion war die Einwechslung von Eren Derdiyok; der Schweizer schoss recht unvermittelt das Anschlusstor und erzwang jenen Freistoß, der in der Nachspielzeit zum Ausgleich durch Helmes führte. Michael Ballack hatte aus ähnlicher Position zu Beginn des Spiels den Torhüter angeschossen.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2010
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