Bundesliga: Michael Ballack:Erst Reservist, dann Patient

Michael Ballacks Degradierung zum Ersatzspieler führt zu einem heftigen Echo in der Öffentlichkeit. Doch es folgt noch eine bösere Nachricht: Das Knie des Nationalspielers streikt.

Philipp Selldorf

Michael Ballack verbrachte die Pause, die ihm Jupp Heynckes während des kompletten Bundesligaspiels in Frankfurt gönnte, in namhafter Gesellschaft. Auch der Nationalspieler Stefan Kießling erlebte das überlegene 3:0 seines Teams - abgesehen von einem Kurzeinsatz in den letzten sechs Minuten - als Zuschauer im Wartestand, seinen Platz im Sturm besetzte Eren Derdiyok.

Eintracht Frankfurt - Bayer 04 Leverkusen

Michael Ballack, Ersatzspieler in Frankfurt.

(Foto: dapd)

Aber es ist Ballacks Los als Premium-Celebrity des deutschen Fußballs, dass diese Tatsache so recht niemandem auffallen wollte, und dass von Kießlings Ersatzspielerdasein später nirgendwo die Rede war. Dafür war das Echo auf Ballacks Rolle des passiven Augenzeugen umso größer: "Von Heynckes brutal vorgeführt", stellte der Express fest; "ohne Ballack läuft es besser", urteilte Bild; der Sport-Informations-Dienst befand: "Heynckes demütigt Ballack vor Löws Augen"; und auch dpa wertete das Vorgehen des Trainers als Degradierung mit schmerzlichen Folgen: "Eine 90-Minuten-Tortur auf der harten Ersatzbank" - dabei hatte sich Ballack immerhin eine halbe Stunde warmgelaufen. Vergeblich: Eingewechselt wurde schließlich Hanno Balitsch, noch ein Konkurrent aus der großen Mittelfeld-Kollektion, die sich Bayer 04 leistet.

Am Sonntag streikt das Knie

Die böseste Nachricht verbreitete am nächsten Tag aber der Verein selbst: Gegen Mittag teilte Bayer mit, Ballack habe "wegen Knieproblemen" das Training stornieren müssen. Mannschaftsarzt Achim Muenster ordnete eine Untersuchung per Kernspintomograph im Klinikum Köln-Merheim an, was zumindest darauf schließen lässt, dass er die Symptome beim Patienten als ernst erachtet.

Ballack hat wegen zweier schwerer Verletzungen weite Teile der Saison versäumt, die Sorgen um seine Gesundheit werden zunächst die Schlagzeilen dieses Wochenendes verdrängen. Die Fragen, die sich aus seinem bisher so missglückten Engagement bei Bayer ergeben, werden jedoch bleiben.

Denn die reflexartigen Kommentierungen durch die ständigen Beobachter sind ja nur die eine Seite der Misere des 34-jährigen Deutschlandstars. Die sportliche Wahrheit bei Bayer ist das andere Thema. Jupp Heynckes betonte zwar, er habe Ballack den Einsatz nicht aus sadistischen Motiven vorenthalten: "Ich habe die Gewohnheit, Spieler nach längeren Verletzungspausen behutsam und sorgfältig an die Mannschaft heranzuführen. Das werde ich auch mit Ballack tun."

Heikles Gedränge im Mittelfeld

Aber das Dilemma, in dem der Trainer steckt, wird sich auch dann nicht auflösen, wenn der Anschluss demnächst hergestellt sein sollte. Das Angebot, das der Bayer-Kader speziell fürs defensive Mittelfeld eröffnet, übertrifft die Nachfrage. Das ist Ballacks eigentliches Problem - die Konkurrenz ist im Weg.

Hauptrolle für Arturo Vidal

Während der Partien gegen Hannover (2:0) und in Nürnberg (0:1) hatte Heynckes die zentrale Zone mit dem vermeintlichen Traumduo Simon Rolfes/Michael Ballack besetzt. Dazu gruppierte er Arturo Vidal, der in dieser Saison einer der wertvollsten und effektivsten Spieler der gesamten Liga ist.

Vidal ist auf dem Platz eine universelle Erscheinung, er ist dort, wo sich der Ball aufhält, es treibt ihn hinaus auf die Flügel und in den gegnerischen Strafraum, in der eigenen Deckung arbeitet er sowieso. Aber er ist sogar noch nützlicher, wenn er neben Kapitän Simon Rolfes aus der Zentrale heraus vorstößt, so wie in Frankfurt, als er zwei der drei Tore vorbereitete: das 1:0 von Rolfes (9.) und das 3:0 durch Balitsch (84.). Sein Auftritt war ein Plädoyer, ihm diese Position zu überlassen.

Was die Sache für Ballack noch etwas unerfreulicher macht: Es gibt auch noch Sven Bender, den Heynckes als Musterschüler hoch schätzt und der seinem beim BVB spielenden und just zur Nationalmannschaft beförderten Zwillingsbruder sowohl äußerlich wie spielerisch gleicht. Es herrscht heikles Gedränge in der neuralgischen Mitte.

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