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Bundesliga: Maik Franz:Zeitgenössischer Grobian

Nach seinem ungestümen Auftritt gegen Werder Bremen diskutiert die Bundesliga wieder einmal über "Iron Maik" Franz. Doch der Frankfurter wehrt sich gegen sein Treter-Image.

Christof Kneer

Die schönsten Zeiten des Fußballs hat Maik Franz ja gar nicht mehr erlebt. Er war zwar schon auf der Welt, aber er konnte sie nicht genießen. Er war noch zu klein. Franz wurde 1981 geboren, seine früheste Erinnerung dürfte die WM 1990 sein. Okay, 1990 gab's bei England immerhin noch den Verteidiger Terry Butcher zu sehen, einen seriösen Treter. Aber der war nur ein freundlicher ABC-Schütze, verglichen mit José Camacho, Claudio Gentile oder Andoni Goicoechea.

Letzterer führte den Kosenamen "der Schlächter von Bilbao" und war bekannt für seine schnelle Auffassungsgabe. Seine Trainer mussten ihm nur die Rückennummer des Gegenspielers nennen, schon knackte ein Knochen. Als er 1983 Diego Maradona traf, haute er ihm Wadenbein, Außenband und Fußgelenk weg, von hinten natürlich, wie es die Standesehre erforderte. Maradona hatte Glück, er fiel nur vier Monate aus. Bis Bernd Schuster nach seiner Begegnung mit Goicoechea wieder laufen konnte, dauerte es ein Jahr. Für sein berühmtestes Foul, das an Maradona, sah Goicoechea nur Gelb. Der Schiedsrichter meinte, er habe keine Absicht erkennen können.

Der Schiedsrichter Florian Meyer hat vorigen Samstag auf Vorsatz entschieden, er zeigte Maik Franz die gelbe Karte. Es war keine Aktion, die für die Ruhmeshalle der Raubeine taugt, aber die Debatte, die Deutschland gerade beschäftigt, würde den alten Knochenbrechern bestimmt gefallen. Es geht wieder mal um Maik Franz, den aktuellen Frankfurter und vormaligen Karlsruher Verteidiger. Er hat viele Feinde in der Liga, und längst sind es nicht mehr nur die Stürmer wie Mario Gomez, der Franz einst ohne größere diplomatischen Verrenkungen vor laufender Kamera "Arschloch" nannte.

"Wenn der Schiri es zulässt, haut der Franz auch mal einen ins Krankenhaus", zürnt aktuell der Bremer Torsten Frings. 26 Minuten hatte Franz im Spiel gegen Bremen gebraucht, um Werders Stürmer Denni Avdic eine solide Jochbeinprellung zuzufügen - durch eine Bewegung mit der Hand, die Franz (natürlich) unabsichtlich ausrutschte. "Ich lange auch mal hin, aber was Frings sagt, ist gelogen und dummes Geschwätz", konterte Franz im Hessischen Rundfunk. Zuvor hatten sich seinetwegen schon die Trainer in die Haare gekriegt - während der bekennende Ehrenmann Christoph Daum seinen Profi als "tadellosen Sportsmann" würdigte, fand Werders Thomas Schaaf fast poetisch, Maik Franz trete "das Fairplay mit großen Schuhen".

Es ist Maik Franz' fragwürdige historische Leistung, dass er die alten Meister in die Moderne übersetzt hat. In den Handwerkskoffer eines zeitgenössischen Grobians gehören statt der plumpen Blutgrätsche der gut getarnte Ellbogencheck und kleine, unsichtbare Provokationen, die einen Mittelstürmer wahnsinnig machen können.

Abseits des Rasens, sagen alle, sei dieser Franz ein schrecklich netter Kerl. Das macht Hoffnung, dass ihm niemals passieren wird, was Vinnie "die Axt" Jones passierte, dem legendären walisischen Zerstörer. Bei einem Benefizspiel foulte er im Mittelkreis: ein Kind.

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SZ vom 13.04.2011/tabs
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