Bundesliga: Leverkusen - Schalke:Leverkusen siegt, Dutt kommt

Die Personaldiskussion um Alt-Trainer Jupp Heynckes und Neu-Trainer Robin Dutt wirbelt Bayer Leverkusen zwar mächtig durch - gegen Schalke 04 bleibt das Team jedoch souverän und gewinnt 2:0.

Philipp Selldorf

Die Bundesliga sei "ein Tollhaus", hatte Jupp Heynckes am Freitag beklagt, und in dem Betrieb, der ihn seit Sommer 2009 bezahlt, hat man diese moralische Anklage mit gemischten Gefühlen gehört. Noch vor zwei Wochen mochte man sich nicht vorstellen in der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH, dass auch ihr Trainer Hintergedanken hegen könnte, im Tollhaus Bundesliga ein anderes Zimmer zu beziehen.

Bayer Leverkusen's Derdiyok, Ballack and Rolfes celebrates a goal against Schalke 04 during the German Bundesliga soccer match in Leverkusen

Führungstreffer: Eren Derdiyok (links) feiert mit Michael Ballack and Simon Rolfes.

(Foto: REUTERS)

Während aus München längst die Nachrichten kamen, dass der FC Bayern aus guten Gründen darauf vertraut, zum dritten Mal ein Engagement mit Heynckes einzugehen, haben sie ihrem Trainer geduldig Avancen gemacht, den Vertrag mit Bayer 04 um ein weiteres Jahr zu verlängern. Spätestens in der vorigen Woche verloren die Leverkusener jedoch den Glauben an die Fortsetzung der Zusammenarbeit, und so haben auch sie ihrerseits einen Beitrag dazu geleistet, den Ruf der Liga als Tollhaus zu untermauern: Sie überredeten Robin Dutt, 46, seinen bis 2012 laufenden Vertrag mit dem SC Freiburg aufzugeben, damit er ins Rheinland umziehen kann. Der Sportclub soll mit einer schönen Ablöse abgefunden werden.

Vor dem Leverkusener 2:0-Erfolg gegen den FC Schalke 04 war diese nächste Rochade ein großes Thema. Die entsprechenden Vollzugsmeldungen diverser Medien - unter anderem der Badischen Zeitung aus Freiburg - haben die Chefs des Werksklubs zwar nicht bestätigen wollen, aber sie haben nur noch formell widersprochen. Während aus Freiburg bereits bekannt wurde, dass Dutt wohl seinen vertrauten Stab mitbringt, hielt sich Bayer04 ans auferlegte Redeverbot; man wird sich am Montag erklären.

Die Leverkusener haben die Bestätigung vorenthalten, weil sie keine Unruhe vor dem wichtigen Spiel erzeugen wollten, aber diese Befürchtung war absolut unnötig. Den Spielern des Tabellenzweiten war gegen Schalke04 keine Unruhe anzumerken, was sicher auf ihrer guten Berufsauffassung beruhte, aber auch auf dem zerstreuten Zustand des Gegners.

Auch Schalke 04 hatte ja zuletzt einen Trainerwechsel erlebt, von "Befreiung" war die Rede, als Felix Magath die Aufsicht niederlegen musste und seine Medizinbälle nach Wolfsburg überführte. Vorübergehend hatte nun sein ehemaliger Assistent Seppo Eichkorn das Wort, ihm assistierte Bernd Dreher, der in Leverkusen aufgewachsene Torwarttrainer.

Die kurze Ära Eichkorn - Nachfolger Ralf Rangnick stellt sich an diesem Montag vor - wird aber nicht als glorreiches Kapitel in die Vereinsgeschichte eingehen. "Wir haben gegen einen sehr, sehr starken Tabellenzweiten gespielt", fand Eichkorn. Damit war hierzu alles gesagt.

"Der war natürlich unhaltbar"

Die Schalker, ohne den gesperrten Farfan substantiell geschwächt, bewegten sich von Beginn an unsicher und orientierungslos über das Spielfeld und sahen sich alsbald in die Defensive gedrängt. Nach kaum einer Viertelstunde zeichnete sich ab, dass ihnen an diesem Tag nur ihr Torhüter aus der Verlegenheit helfen würde. Manuel Neuer tat, was er konnte, er rettete gegen den schnellen Sidney Sam, der unbegleitet mit Ball durch den Strafraum rasen durfte, und er wehrte einen Kopfball des gut aufgelegten Michael Ballack ab, der auf bestem Weg war, in den Giebel zu fliegen.

Aber als Eren Derdiyok nach einem Blitzangriff über Schalkes schwache linke Seite - Ballack hatte gedankenschnell gepasst - den Ball mit Wucht ins Tor schoss, da konnte auch er nur hinterherschauen. "Der war natürlich unhaltbar", befand Rudi Völler. Das 2:0 legte freundlicherweise ein Schalker nach, Christoph Metzelder bezwang seinen Kapitän mit einem von der Angst getriebenen Eigentor-Kopfball.

Vor allem im Mittelfeld zeigte sich Schalke hoffnungslos unterlegen, Matip und Annan als defensive Abfangjäger vor der ebenfalls instabilen Abwehrreihe kamen mit der aggressiven Leverkusener Spielweise nicht zurecht. Nur nach der Pause gönnte sich Bayer04 eine Kunstpause gegen schwache Schalker, ehe man wieder auf das dritte Tor drängte.

Auch Ballack hatte am überzeugenden Vortrag großen Anteil, er machte - diesmal mit eher offensiver Aufgabe vor den Sechsern Rolfes und Vidal - zufällig sein bestes Spiel, seit er wieder zurück in Deutschland ist. Dem 34-Jährigen dürfte die jüngste Rotation im Tollhaus im Übrigen am wenigsten Sorgen bereiten. Sein Verhältnis zu Heynckes ist nicht von Herzlichkeit geprägt, und für den Trainer ist dies eines der Motive, die Arbeit bei Bayer zu beenden.

Während Ballack später mit den Fans auf dem Zaun feierte, nahm sich Jupp Heynckes den Kollegen Joachim Löw vor. Aber nicht wegen Ballack. "Der Bundestrainer hat ja sein Aufgebot bekanntgegeben", sagte er, "und ich finde es sehr schade, dass unser Kapitän Simon Rolfes nicht dabei ist. Das ist eine große Enttäuschung, und ich finde das sehr ungerecht und möchte das auch in aller Deutlichkeit sagen." Sein Vermächtnis dürfte nun aber auch Leverkusens Verantwortliche zufrieden stellen. Rang zwei bleibt gefestigt, an ein Titelduell mit Dortmund möchten sie aber nicht denken. "Hannover ist näher an uns als wir an Dortmund. Der zweite Platz hat klar Priorität", betonte Rolfes.

Sein Fürsprecher Heynckes, der diese talentierte Gruppe im Grunde nur widerwillig verlässt, dürfte nun bald ohne allzu schlechtes Gewissen die unwiderstehlichen Argumente seines Freundes Uli Hoeneß vom FC Bayern erläutern können. Mitte April sehen sich beide ja schon wieder: Dann spielt Bayer04 im Münchner Tollhaus auch um Heynckes' Zukunft.

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