Bundesliga: Leverkusen - Schalke:Das Spiel des Kevin Kuranyi

Schalke 04 ist nach einer taktisch klugen Partie in Leverkusen Tabellenführer der Bundesliga. Kevin Kuranyi bringt mit seiner Leistung Bundestrainer Joachim Löw in Erklärungsnot.

Jürgen Schmieder

Sollte Felix Magath irgendwann einmal ein Lehrbuch über Spielzüge herausgeben, dann wird er beim Kapitel "Das perfekte Schalker Tor" etwa so formulieren: "Manuel Neuer wehrt den Ball mit einer schönen Parade ab, wirft schnell ab auf die nach vorne eilenden Außenverteidiger. Nach weniger als drei Kontakten muss der Ball zur Flanke bereit liegen, die zielgenau auf Kevin Kuranyi geschlagen wird - Kuranyi trifft. Als Variation gilt zu Beginn des Spielzugs auch ein Ballgewinn im defensiven Mittelfeld."

Etliche Male haben die Schalker diese einfach klingende Kreation vorgeführt an diesem Samstagabend, was ihnen nicht nur die Halbzeitführung von 2:0 bescherte, sondern am Ende einen Sieg mit dem gleichen Ergebnis und aufgrund der Niederlage des FC Bayern am Nachmittag gegen den VfB Stuttgart auch die Führung in der Tabelle.

Die Partie war im Vorfeld zum Duell der beiden Torhüter René Adler und Manuel Neuer um den Stammplatz bei der WM 2010 stilisiert worden, weil sich sowohl Joachim Löw als auch Andreas Köpke als Tribünengäste angekündigt hatten. Neuer hatte vor dem Spiel beteuert, Respekt vor dem Kontrahenten zu haben, sich aufgrund der gezeigten Leistungen aber durchaus als würdige Nummer eins zu sehen.

Ein Stürmerduell zwischen Kevin Kuranyi und Stefan Kießling, das - würde Löw strikt nach dem Leistungsprinzip verfahren - durchaus auch seinen Reiz gehabt hätte, entfiel indes. Kießling konnte aufgrund eines Muskelfaserisses nicht mitwirken, die Chancen seines Ersatzmanns Patrick Helmes auf einen Platz im WM-Kader sind nach der langwierigen Verletzung so hoch wie die Chance auf einen Rauchverzicht von Helmut Schmidt - die von Kuranyi stehen trotz nunmehr 17 Saisontreffern (und damit mehr, als Miroslav Klose, Lukas Podolski und Mario Gomez bislang gemeinsam erzielten) gar noch schlechter.

In der ersten Halbzeit gab es auch kein Torwart-Duell, weil die Schalker Defensive nicht einsehen wollte, Neuer Gelegenheit zur Auszeichnung zu geben. Die Mannschaft von Felix Magath stand kompakt, eroberte zahlreiche Bälle und inszenierte dann zahlreiche Angriffe, die Magath in sein Lehrbuch aufnehmen könnte. In der zehnten Minute vollstreckte Kuranyi einen dieser über Jefferson Farfan und Benedikt Höwedes vorgetragenen Konter.

17 Minuten später schloss Kuranyi einen zum Täuschen ähnlich anmutenden Angriff mit einem schönen Kopfball ab. Interessant dabei waren nicht nur die Vollstrecker-Qualitäten von Kuranyi, sondern auch, dass der Leverkusener Linksverteidiger Gonzalo Castro zu diesem Zeitpunkt noch keinen einzigen Zweikampf gewinnen konnte.

Nach der Zwei-Tore-Führung dominierten die Schalker die Partie und erspielten sich zahlreiche Gelegenheiten, die jedoch allesamt von Adler vereitelt wurden. Erst gegen Ende der ersten Halbzeit hatten die Schalker Innenverteidiger Bordon und Höwedes Mitleid mit ihrem Torhüter - sie ließen ihre Gegenspieler kombinieren, luden Toni Kroos zum Torschuss aus 20 Metern ein und sorgten dafür, dass Neuer an Paraden ein wenig auf Adler aufholen durfte.

Wer nun geglaubt hatte, dass Leverkusen in der zweiten Halbzeit eine Aufholjagd starten würde, der sah sich getäuscht. Das lag zum einen daran, dass die Leverkusener Angriffe inszenierten, die in keinem Spielzug-Lehrbuch auftauchen werden, sondern eher in den Kategorien "einfallslos" und "uninspiriert".

Zum anderen zog sich Schalke clever zurück und störte den Spielaufbau des Gegners erst in der eigenen Spielhälfte, dann jedoch äußerst kosequent. Das führte dazu, dass Leverkusen in der zweiten Halbzeit nur einen Ball in die Richtung des Tores von Neuer abgeben konnte.

"Schalke war uns in allen Belangen überlegen", sagte Manuel Friedrich nach dem Spiel. "Ich weiß auch nicht, wo bei uns derzeit der Wurm drin ist." Felix Magath dagegen lobte vor allem Kuraniys Leistung - wenn auch nicht ohne Seitenhieb, als er seinen Stürmer beim Jubeln mit den Fans erwischte: "Hätte ich gewusst, dass er noch so viel Luft hat, dann hätte ich ihn nicht ausgewechselt."

Für die Bundesliga liefert dieses Spiel zwei Erkenntnisse: Eine aggressive und taktisch klug agierende Defensive stellt Leverkusen vor kaum zu lösende Probleme - und Schalke 04 wird trotz alle Dementis, die Felix Magath in den kommenden Wochen von sich geben wird, um die Deutsche Meisterschaft spielen.

Für die deutsche Nationalelf bedeutet diese Partie, dass sie über die wohl besten Stürmer der Welt verfügen muss, wenn Trainer Löw es sich leisten kann, über Kevin Kuranyi in dieser Verfassung nicht einmal nachzudenken.

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