Bundesliga: Leverkusen - FC Bayern:Zur Belohnung van-Gaal-frei

FCB-Trainer van Gaal zeigt sich zufrieden mit dem 1:1 - und spendiert seiner Mannschaft zwei freie Tage. Und ein Noch-Leverkusener empfiehlt sich für die Bayern-Startelf.

Philipp Kreutzer, Leverkusen

Nach dem Spiel lächelte Franz Beckenbauer, nickte anerkennend und stellte fachmännisch fest: "Das verdient Respekt nach all dem, was vorher passiert ist."

Diese Einschätzung ist absolut ernst zu nehmen, denn der Mann weiß, wovon er spricht. Beckenbauer spielt schließlich seit vielen Jahren selbst leidenschaftlich Golf, sein Handicap liegt derzeit laut eigener Aussage immerhin "bei 11,8 oder so". Nicht nur für den "Kaiser", auch für andere ausgewiesene Experten kam der hervorragende Auftritt von Tiger Woods bei dessen Comeback beim US-Masters unerwartet.

Nachlassende Kräfte

Schon eher hatte Beckenbauer mit dem gerechnet, was er am Samstag im Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga zu sehen bekam. Der Bayern-Präsident erlebte eine von den Mühen des Champions-League-Halbfinals in Manchester sichtlich angestrengte Münchner Mannschaft, die sich in ein 1:1 bei Bayer Leverkusen rettete.

"Die Bayern hatten viele einfache Ballverluste und viele unbedrängte Pässe zum Gegner - das ist ein Zeichen, wenn die Konzentration und die Kondition nachlässt", lautete Beckenbauers Fußball-Expertise.

Weil sie aber trotz ihrer Müdigkeit nicht verloren, sondern aufgrund der Schalker 2:4-Niederlage in Hannover bei vier noch ausstehenden Spielen mit zwei Punkten Vorsprung die Tabelle anführen und zudem noch in den beiden anderen Wettbewerben vertreten sind, hatte der Präsident für die Kicker sogar ein noch größeres Lob parat als für den weltbesten Golfer: "Was die Mannschaft in den letzten Wochen geleistet hat, ist phantastisch, da muss man den Hut vor ziehen."

Mit dieser Lesart zählte Beckenbauer zu einer von zwei Bayern-Fraktionen. Es gab die Zufriedenen und die Unzufriedenen.

Während etwa Trainer Louis van Gaal eingestand, Leverkusen hätte einen Sieg "mehr verdient als wir" und sich mit Resultat wie mit generellem Status Quo sehr einverstanden zeigte, beklagten andere eine verpasste Chance. "Wir hätten heute die Bundesliga entscheiden können", moserte beispielsweise Torschütze Arjen Robben. Sein Mitspieler Thomas Müller erinnerte an einen möglichen "Riesenschritt und vier Punkte Vorsprung", die die Bayern im Fall eines Sieges gehabt hätten.

Diese Sichtweise offenbart den Willen der Spieler, schnellstmöglich mit dem Sammeln von Titeln zu beginnen. Ein Sieg hätte ja nicht nur eine Vorentscheidung in der Bundesliga bedeutet, sondern den Bayern zudem die Möglichkeit zur Rotation und damit zu Verschnaufpausen vor den Halbfinalspielen gegen Lyon verschafft. Doch dafür kamen die gegen Ende arg erschöpften Gäste nicht wirklich in Frage.

Auch wenn Schiedsrichter Knut Kircher in der Nachspielzeit beim Foul von Hans Sarpei an Thomas Müller auf einen zweiten Strafstoß hätte entscheiden müssen: Bayer war einem Erfolg aufgrund der Mehrzahl an Torchancen näher.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich der an Bayer ausgeliehene Toni Kroos für einen Platz in der Stammelf von Bayern München empfahl.

"Es wäre verdient gewesen, wenn wir gewonnen hätten"

Die Münchener erspielten sich bis zum Foul an Müller nur eine zwingende Offensivszene. Die führte dann aber gleich zum 0:1. Franck Ribéry drang mit einem Haken in den Strafraum ein und stürzte über Gonzalo Castro. Kircher entschied zu Recht auf Strafstoß, Robben verwandelte sicher (51.).

Mit nun elf Treffern ist der Niederländer in der laufenden Saison Bayerns bester Bundesliga-Torschütze.

Mit der Ko-Produktion der außergewöhnlichen Außenspieler schien die Strategie der Bayern aufzugehen. Es war auffällig, wie häufig sie den Ball von ihren Mitspielern zugespielt bekamen, in der Hoffnung, damit neue Geniestreiche der beiden auszulösen.

Zu viele vergebene Chancen

Doch mit bis zu vier Gegenspielern gelang es den Leverkusenern meistens, Ribéry und Robben zu stoppen. Bayer verteidigte clever und kompensierte den Ausfall des verletzt fehlenden Abwehrchef Sami Hyypiä gekonnt.

Zum Sieg reichte es nicht, weil Leverkusen zu viele Chancen vergab. Eren Derdiyok scheiterte per Kopf an Butt (32.), Tranquillo Barnetta nach Zuspiel von Toni Kroos und Stellungsfehler von Holger Badstuber am Außenpfosten (38.). Später visierte Stefan Kießling nach einer Kroos-Flanke den Pfosten an, und Butt hatte dabei Glück, dass der Ball von seinem Rücken auf und nicht hinter die Linie kullerte (58.).

Bayers dritter Pfostentreffer nach einem Kroos-Freistoß führte schließlich zum verdienten 1:1. Arturo Vidal staubte ab (59.). Beste Gelegenheiten zum 2:1 vergaben Kroos (77.) sowie Derdiyok nach Martin Demichelis' verunglücktem Rückpass (90.).

"Wir haben nach dem 0:1 eine großartige Moral bewiesen, und es wäre verdient gewesen, wenn wir heute gewonnen hätten", fand Jupp Heynckes. Zugleich hielt es Leverkusens Trainer für "wichtig, nicht zu verlieren, denn so sind wir in der Lage, den dritten Platz zu halten". Bei weiterhin sechs Punkten Rückstand auf die Bayern sprechen sie bei Bayer nicht mehr von der Meisterschaft.

"Eine echte Nummer zehn"

Doch ganz gleich, ob sie die Champions League erreichen oder nicht - die Leverkusener müssen in der nächsten Spielzeit ohne Toni Kroos auskommen. Der von den Bayern ausgeliehene Mittelfeldspieler wird wie erwartet nach München zurückkehren.

Bei einem Treffen vor dem Spiel versuchten die Bayer-Verantwortlichen ein letztes Mal, die Bayern-Bosse vom Verbleib des Talents zu überzeugen - vergeblich. "Die Bayern haben uns heute noch mal ganz klar bestätigt, dass Toni zurückkehren muss", berichtete Sportdirektor Rudi Völler.

Toni Kroos nutzte das Spiel für eine Bewerbung in eigener Sache. Er spielte so gut, dass seine Befürchtung, in München erneut nur auf der Bank zu sitzen, unbegründet erscheint. Das findet wohl auch der Bayern-Coach. Er motivierte Kroos schon mal: "Es ist doch klar, dass Bayern ihn zurückhaben will. Er ist eine echte Nummer zehn."

Van Gaal scheint eben wirklich ein Gespür für Fußballer zu haben. Das demonstrierte er auch bei der Begründung für die beiden freien Tage, die er dem Team gewährte: "Ich denke, dass sie das verdienen. Und zwei Tage ohne van Gaal sind auch mal gut für die Spieler."

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