Bundesliga:Leipzig geht der Saft aus

RB Leipzig - VfL Wolfsburg

Hart gelandet: Leipzigs Schlüsselspieler Naby Keita (links) und Timo Werner müssen die erste Formdelle der Saison bewältigen.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Von Cornelius Pollmer, Leipzig

Ralph Hasenhüttl hatte seinen derzeit besten Joker schon in der Vorwoche gebracht, nach dem 2:2-Unentschieden in Augsburg. Es dürfe, sagte Hasenhüttl, nicht so weit kommen, dass man als Aufsteiger mit einem Auswärtspunkt überhaupt nicht mehr leben könne. Der Joker stach, für einen Moment war man bereit zu vergessen, dass RB Leipzig nicht nur Tabellenzweiter ist und Arbeitgeber von vielversprechenden Führungskräften wie Emil Forsberg oder Naby Keita.

Für einen Moment war man bereit, Leipzig den Aufsteigerbonus nicht nur formal zuzugestehen, sondern faktisch. Auf diesen Moment aber folgte das Spiel gegen Wolfsburg. Es folgte eine 0:1-Heimniederlage, nach der sich Ralph Hasenhüttl aus gutem Grund nicht noch einmal darauf berufen wollte, eine Aufstiegsmannschaft zu trainieren, der ein so blasses und fahriges Spiel durchaus einmal zugestanden werden müsse.

Der Anteil der Gäste an diesem für Leipzig ernüchternden Nachmittag ist schnell erzählt. Wolfsburg hat in Andries Jonker seit zwei Pflichtspielen einen Cheftrainer, der über die seltene wie günstige Eigenschaft verfügt, dass Mario Gomez in bislang jedem Spiel unter ihm getroffen hat. Fünf Mal gelang dem Stürmer das, als Jonker nach der Beurlaubung Louis van Gaals 2011 kurz den FC Bayern trainierte. Zwei Mal gelang es Gomez nun beim VfL, erst in Mainz, nun gegen Leipzig nach konzentrierter Vorarbeit von Malli und Didavi (9.).

Sehnsucht nach Erfolg

Überhaupt gelang es diesen Dreien, nach vorne jenen Druck aufzubauen, den zu entwickeln eher von Leipzig erwartet worden war. Dieser aber blieb auch deswegen aus, weil Wolfsburg gegen den Ball so konsequent arbeitete, dass Pass-Sackgassen entstanden, wo RB sonst Passwege aufmacht. Wolfsburg wertete den Sieg daher als zartes Zeichen der Hoffnung, für Leipzig aber bleibt ein Knacks.

Die Erwartungen seien enorm, sagte Hasenhüttl hernach ein wenig entschuldigend, und tatsächlich ist die Sehnsucht nach Erfolg inzwischen ziemlich gewaltig angeschwollen in Leipzig. Weiteres Zeichen dafür: Am Samstag war der Ministerpräsident Sachsens erstmals in die Leipziger Arena zu einem RB-Spiel gekommen, ohne Krawatte und damit in genau jener Trikotage, die bei Stanislaw Tillich berufliche Freizeit signalisiert. Dessen und den Erwartungen der meisten anderen stand zunächst auch nur die Sperre Stefan Ilsankers im Weg, den Keita ersetzen sollte.

Keita mit Kreislaufkollaps

Mit ebenjenem Keita und Emil Forsberg verfügt RB schon in seiner ersten Bundesliga-Saison über zwei veritable Schlüsselspieler, was mindestens ein Schlüsselspieler mehr ist als vielen anderen Teams zur Verfügung stehen. Doch bleiben alle Türen verschlossen, wenn wie gegen Wolfsburg keiner der beiden wirklich ins Spiel findet. Keita, der nach dem Spiel einen Kreislaufkollaps erlitt, erwies sich als dünnhäutig, besonders bei seinem unnötigen Rachefoul an Didavi, als Schiedsrichter Brand längst unterbrochen hatte. Forsberg wiederum konnte sich nicht über die Anzahl der ihm zur Verfügung stehenden Standards und Anspiele beklagen, wohl aber über die eigene Ideenlosigkeit.

Nach dem frühen 0:1 stabilisierte sich Leipzig zwar, fand aber gegen fokussierte, jedoch nicht extraterrestrische Wolfsburger nur dann und wann und glücklich zu Gelegenheiten. Im Aufbau gelang so wenig, dass selbst RB-Stürmer Timo Werner gelegentlich im Mittelfeld nach Bällen suchte - der Verdacht jedenfalls, dass Werner allein die bemerkenswert ungeahndete Begegnung seines Kopfes mit dem Knie von Wolfsburgs Torhüter Koen Casteels dahin vertrieben hatte, erhärtete sich nicht.

Hasenhüttl zieht einen weiteren Joker

Leipzig ist ein freundlicher und manierlicher Verein, das geht schon damit los, dass die Fans selbst außerhalb aller Bannmeilen bei den fliegenden Händlern noch das Bier eines ihrer Sponsoren kaufen und trinken. Und es hörte damit nicht auf, dass Ralph Hasenhüttl nach dem Spiel wie immer ernsten Blickes, aber gefasst festhielt, sein Verein hätte gegen Wolfsburg keinen Punkt verdient gehabt. Glückwunsch an Jonker also, und ein Schade in die eigene Richtung, denn die Mannschaft "hätte einen Schritt machen können, den Vorsprung da vorne etwas auszubauen". Damit hatte Hasenhüttl fast unbemerkt einen weiteren Joker gezogen. Seine Erzählung war nicht etwa die, dass in Jonker und Gomez zwei ehemalige Bayern gerade die Meisterschaft endgültig zu Gunsten ihres Alt-Arbeitgebers entschieden hatten und für RB nun also noch die letzte gedankenfreie Spekulation darauf verloren gegangen war.

Nein, Hasenhüttl erzählte viel lieber die Version der Wahrheit, nach der es stets nur ums Abdichten nach unten im Sinne von Platz drei gegangen sei. So gesehen ist an diesem Wochenende für RB schon wieder gar nicht viel passiert - anders betrachtet, sind es für RB aber gerade mal zehn Punkte in sieben Spielen der Rückrunde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: