Bundesliga:Köln stellt die Schuldfrage

1. FC Köln - Schmadtke und Stöger

Gelingt gegen Stuttgart der erste Saisonsieg? Kölns Manager Jörg Schmadtke und Trainer Peter Stöger würde es weitere Debatte vorerst ersparen.

(Foto: dpa)
  • Wer trägt Schuld daran, dass der 1. FC Köln so schlecht in die Bundesliga gestartet ist? Trainer Stöger kommt in den Kölner Debatten derzeit günstiger davon als der Sportgeschäftsführer Schmadtke.
  • 35 Millionen Euro hat der Verkauf von Torjäger Anthony Modeste dem Klub eingebracht - doch Schmadtke könnte ein Opfer dieses ungewohnten Reichtums geworden sein.
  • Nun stehen für die Kölner zwei Schlüsselspiele an, das erste an diesem Freitag beim VfB Stuttgart.

Von Philipp Selldorf, Köln

Konstantin Rausch ist nicht so alt, wie mancher Zuschauer meint, wenn er den glatzköpfigen Verteidiger für den 1. FC Köln Fußball spielen sieht. Wobei sich am vermuteten Alter niemand stört, da ist man in Köln sehr tolerant, wie die allgemeine Begeisterung für den Neubürger Claudio Pizarro belegt, der zwar jünger aussieht als Rausch, aber zwölf Jahre älter ist. Was hingegen die Kölner an Rausch stört, sind die Flanken, die Ecken und die Freistöße, die der 27-Jährige im Laufe dieser Saison ins Geschehen eingestreut hat.

Geschätzt wird sein Eifer, die Rendite der ständigen Bemühungen allerdings nicht. Oft fangen die Abwehrleute seine Hereingaben ab, das sieht man ihm noch nach. Aber im ansonsten gnädigen Kölner Publikum kommt immer wieder offener Unmut auf, wenn die wenigen Bälle, die nicht beim Gegner landen, weit weg in unbewohnten Gebieten niedergehen. Eine hohe Trefferquote hat Rausch derzeit nur in der Fehlpassquote. FC-Trainer Peter Stöger versucht das erst gar nicht zu leugnen, aber wichtiger ist ihm Folgendes: "Auch wenn er zehn Mal den Ball hinters Tor haut - ein Problem habe ich, wenn er's nicht das elfte Mal versucht."

Sollte auch in Stuttgart und gegen Bremen nicht gewonnen werden, könnte die Stimmung kippen

Weder für seinen Klub noch für ihn selbst hat diese Saison gut begonnen, dennoch hat der Linksverteidiger Rausch jetzt einen Gipfel erreicht, zu dem er sein ganzes Fußballerleben sehnsüchtig hinaufgeschaut hat: In der vorigen Woche bestritt er sein erstes richtiges Länderspiel. Zum Eingewöhnen eine halbe Stunde gegen Südkorea, ein paar Tage später 90 Minuten gegen Iran. Konstantin Rausch, geboren in Koschnekikowo, ist jetzt russischer Nationalspieler und sieht als solcher der WM-Teilnahme entgegen.

Dieser Karrieresprung scheint zunächst schwer erklärlich zu sein. Womöglich war es so, dass die Spione des Nationaltrainers Stanislaw Tschertschessow den neuen Mann schon in der Vorsaison gescoutet haben, als er sein Einstandsjahr in Köln gab und die öffentlichen Erwartungen weit übertraf. Rausch war ablösefrei von Darmstadt 98 nach Köln gekommen, viele Leute hielten ihn für ein Fortschrittshindernis, aber er bestritt 28 Punktspiele und hatte einen guten Anteil am Erreichen der Europa League.

Es waren Personalien wie diese, die den hervorragenden Ruf des Managers Jörg Schmadtke noch besser klingen ließen. Einerseits extrem preiswert, andererseits voll funktionstüchtig - so was erzeugt Aufsehen in Deutschland, wo das gelungene Verhältnis von Preis und Leistung als höchster Qualitätsmaßstab gilt.

Jetzt jedoch sehen die Leute Rausch wieder als Fortschrittshindernis und Wiedergänger des früheren FC-Profis Miso Brecko; dass Rausch am Freitagabend im schon ziemlich schicksalhaften Spiel beim VfB Stuttgart erneut in der ersten Elf steht, wird als weiterer Beweis der verfehlten Einkaufspolitik von Schmadtke betrachtet. Und zwar gerade deshalb, weil der Sportchef im Sommer eine Alternative für Rausch beschafft hatte. Doch Jannes Horn, 20, zeigte sich bisher bei seinen Einsätzen für den FC erheblich überfordert, was die Preis-Leistungs-Bilanz des Chefeinkäufers Schmadtke schwer belastet: Acht Millionen Euro Ablöse hat der VfL Wolfsburg für den Nachwuchsprofi erhalten.

Die Unzufriedenheit mit den Sommereinkäufen

Wenn es um die Schuldfrage geht, dann kommt der Trainer Stöger in den Kölner Debatten derzeit günstiger davon als der Sportgeschäftsführer Schmadtke. An diesen werden jetzt vermehrt Fragen gerichtet, die eigentlich keine Fragen mehr sind, sondern Aufforderungen zum Geständnis. Schmadtke brummt dann ein paar Sätze, die sich nach Einsicht in die eigenen Fehler anhören sollen. In Wahrheit zeigt er aber wenig Neigung einzugestehen, dass er sich verrechnet hat, als er im Transfersommer vorwiegend auf Heranwachsende statt auf Routiniers setzte.

Wie es aussieht, könnte auch Schmadtke ein Opfer ungewohnten Reichtums geworden sein. In Zeiten relativer Armut hat er Spieler wie Leonardo Bittencourt, Yuya Osako und Dominik Heintz beschafft, die heute das Team stützen. Die 35 Millionen aber, die der FC nach dem Verkauf von Torjäger Anthony Modeste vereinnahmte, haben bisher kein Glück gebracht, eher das Gegenteil.

Immer wieder kommt so was in der Bundesliga vor: Nach dem Verkauf von Mario Gomez 2009 hatte der VfB Stuttgart viel Geld für den Einkauf eines Nachfolgers beisammen, aber gekommen sind dann Pavel Pogrebnjak und Ciprian Marica, und bald musste der Klub wieder sparen. Auf Schalke steckte Manager Christian Heidel die Millionen für Julian Draxler und Leroy Sané in Breel Embolo, Nabil Bentaleb und Jewghen Konopljanka. Ergebnis: Platz neun. Und nun heißt es von Seiten des Klubs, dass die Saison unterfinanziert sei und bis zu 14 Millionen Euro Fehlbetrag drohen.

Die Unzufriedenheit mit den Sommereinkäufen und der Umgang mit Platz 18 belasten nun auch das Klima und die Beziehungen am Kölner Geißbockheim. Der Umgang untereinander ist kühler geworden. Im Profi-Kader scheint die Moral zwar einigermaßen intakt zu sein, aber Stöger möchte sich nicht dafür verbürgen, dass das nach den nächsten zwei Spielen immer noch so ist. Am Freitag in Stuttgart, dann daheim gegen Bremen, "das sind zwei ganz entscheidende Spiele", sagt der Trainer, der nicht zur Dramatisierung neigt. Immerhin: Stöger wertete es als gutes Zeichen, dass Rausch nach der Rückkehr aus Russland sehr gute Laune hatte. Vielleicht kommen jetzt auch die Flanken wieder an.

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