Bundesliga: Köln - Nürnberg:In letzter Sekunde

Dank eines Treffers von Milivoje Novakovic in der Nachspielzeit stellt der 1. FC Köln einen Vereinsrekord ein. Die Nürnberger Akteure dagegen wettern gegen den Schiedsrichter.

Philipp Selldorf, Köln

Raphael Schäfer war nicht wütend, er raste, und es war ein Segen, dass nicht zufällig eine Axt neben seinem Tor lag, denn vermutlich hätte er damit schreckliche Dinge angerichtet. Der Torwart des 1. FC Nürnberg überlegte, was er tun sollte, er suchte einen Schuldigen, an dem er seinen Zorn auslassen könnte, aber es gab zu viele Übeltäter in seinem Team, die er hätte heranziehen müssen, und so musste Schäfer tatenlos abziehen. Er warf seine Handschuhe auf den Boden, er riss sich die Kapitänsschleife vom Ärmel, und dann ging er fluchend und brüllend in die Kabine. Niemand traute sich, ihn anzusprechen, als er wenige Minuten später wieder auftauchte. Kommentarlos verzog er sich in den Bus.

1. FC Koeln v 1. FC Nuernberg - Bundesliga

Die Szene, die die Gemüter erhitzte: Andreas Wolf liegt nach einem vermeintlichen Tritt von Youssef Mohamad am Boden.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Raphael Schäfer wurde nicht mehr gebraucht, nachdem Milivoje Novakovic das 1:0 für den 1. FC Köln geschossen hatte, denn der Schiedsrichter hat das Spiel nicht mehr angepfiffen. Es war der letzte Spielzug der Partie, der den Kölnern den siebten Heimspielsieg hintereinander eintrug, vor allem aber drei Punkte brachte, die sie dringend brauchen im harten Anti-Abstiegsgeschäft.

"Man kann ein Spiel nicht schöner gewinnen", befand der Kölner Mittelfeldspieler Martin Lanig, nachdem er mit den Kollegen eine ausführliche Ehrenrunde absolviert hatte. Michael Rensing, der Torhüter, sah das ganz ähnlich: "So ein Tor ist Ekstase pur, man hat gehofft, hat alles versucht, aber daran geglaubt haben wirklich nur die wenigsten."

Dieses Spiel brachte bei den Beteiligten auf beiden Seiten extreme Empfindungen hervor, in Wahrheit war es aber eine langweilige und ziemlich unansehnliche Partie. "Es war kein Leckerbissen", wie Kölns Trainer Frank Schaefer zaghaft einräumte, "die spielerischen Momente war nicht so sehr vorhanden". Auch dem Nürnberger Chefcoach Dieter Hecking äußerte Mitgefühl für die Zuschauer. "Fußballerisch war da nicht viel, und nach 'nem Tor sah das Ganze nicht aus", stellte er fest.

Alle haben das so gesehen, aber das Problem des Clubs war, dass die Nürnberger Spieler ebenso dachten. "Wir haben einen Fehler zu viel gemacht", sagte Hecking und sprach damit jenen Fehler an, der Schäfer vorübergehend irre machte: Lanig setzte mit einem Pass aus dem Mittelfeld Podolski ein, und bei dessen Doppelpass mit Peszko standen drei Nürnberger Abwehrleute bewundernd Spalier. Der Rest war einfach. Peszko passte zu Novakovic, und der Angreifer drückte den Ball aus drei Metern Entfernung ins Tor.

An diesem Sonntag ging es für den 1. FC Köln nicht nur um Punkte gegen den Abstieg, sondern auch um ein symbolisches Stück Vergangenheitsbewältigung. Christoph Daums Heimspielrekord aus der prähistorischen ersten Amtszeit vor einem knappen Vierteljahrhundert stand zur Disposition.

Damals gewann der Trainer mit Stars wie Olsen, Kohler, Littbarski oder Häßler sechs Heimspiele hintereinander, und nun waren 49000 Menschen nach Müngersdorf gekommen, um zu sehen, ob die weniger prominent besetzte Generation Podolski diese tolle Marke überbieten könnte. Sie konnte, aber Frank Schaefer lobte lieber das Durchhaltevermögen seines Teams, ansonsten war ihm die Sache ziemlich egal: "Mit Rekorden und Statistiken beschäftige ich mich weniger, aber über Erfolgserlebnisse freue ich mich immer riesig", sagte er.

Die erwartungsfrohen Fans mussten zunächst erleben, dass die Nürnberger mindestens ebenso ambitioniert und selbstbewusst waren wie ihr FC - und außerdem ein Stück unternehmungslustiger. Der Club übernahm mit seinen Edeltechnikern Gündogan und Ekici die Spielgestaltung und hielt durch die Mittelfeldarbeiter Cohen und Simons auch kämpferisch dagegen.

Während Schaefer seine Idealbesetzung aufbieten konnte, was dem portugiesischen Altinternationalen Petit einen Platz auf der Ersatzbank verschaffte, musste sein Kollege Dieter Hecking auf die gesperrten Pinola und Chandler verzichten. Aufgefallen ist das nicht. Nürnbergs Deckung stand solide und löste auch prekäre Situationen mit Geschick, dabei fiel Innenverteidiger Wollscheid positiv auf, Mittelstürmer Novakovic bereitete allerdings wenig Mühe. Bedrohlich wurde es nur hingegen, wenn Podolski zum Sprint ansetzte.

Ein ähnlich ehrbares Zeugnis verdiente sich aber auch die Kölner Abwehr, die zwar mehr unter Druck stand, aber in den wesentlichen Momenten aufmerksam intervenierte. So herrschte ein stabiles Patt, die Nürnberger sahen beim Spiel zwischen den Strafräumen etwas besser aus, die markanteren Chancen hatten jedoch - in der ersten wie in der zweiten Hälfte - die Kölner. Die größte Aufregung herrschte dennoch, als kurz vor der Pause Mohamad und Wolf einen zweideutigen Zweikampf führten, Schiedsrichter Meyer zeigte beiden die Gelbe Karte, Hecking hätte Rot für den Kölner für eher angebracht gehalten.

Den Nürnbergern hat die Niederlage in Köln ein Tabuthema beschert: "Europa nehmen wir erst mal nicht mehr in den Mund", versprach Kapitän Wolf. Aber die Kölner lehnten es ab, sich dafür zu schämen. "Ja", räumte FC-Trainer Schaefer ein, "es war ein glücklicher Sieg - aber wir freuen uns darüber genauso wie über einen hochverdienten Sieg."

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