Bundesliga:Köln flirtet ernsthaft mit Europa

Bundesliga: Geschafft: Jan Thielmann (vorne) feiert seinen späten Treffer mit Dejan Ljubicic.

Geschafft: Jan Thielmann (vorne) feiert seinen späten Treffer mit Dejan Ljubicic.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Beim 3:1 gegen Hertha BSC schlagen die Kölner gnadenlos zu und schieben sich auf Tabellenplatz sechs. Zwischendurch muss der Schiedsrichter ausgetauscht werden.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der 1. FC Köln schickt sich an, ernsthaft mit Europa zu flirten. Am Sonntag besiegte die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart in einer am Ende hart umkämpften und unerwartet hektischen Partie mit 3:1 (2:1) - und schob sich damit auf den sechsten Tabellenplatz. Der Rückstand auf die Champions League beträgt nur noch zwei Punkte. "Wir wollen eine geile Rückserie spielen und schauen, wo die Reise hingeht", sagte Verteidiger Luca Kilian bei DAZN. Eine kleine Kampfansage an den kommenden Gegner, den FC Bayern, gab es auch: "Wir wollen sie ärgern."

Es war ein Spiel, das zunächst dazu einlud, sich mit einer Reihe von Nebensächlichkeiten aufzuhalten. Zum Beispiel damit, dass der Rasen im Olympiastadion (wieder einmal) seinen Namen nicht verdiente, sondern eher aussah wie eine Kraterlandschaft in grünbrauner Tarnfarbe. Oder damit, dass Kölns Trainer Baumgart auch bei gefühlten Minustemperaturen im Wortsinn hemdsärmelig auftrat. Bis die Partie kippte. Und im Nu wieder all die Zweifel auftauchten, die Hertha BSC quasi von jeher umwehen.

Zum Jahresabschluss 2021 hatte die Hertha Borussia Dortmund noch mit 3:2 besiegt. Doch es war nicht zu erkennen, dass die Hertha die Selbstsicherheit, die so ein unerwarteter Sieg üblicherweise gibt, ins neue Jahr hatte retten können. Im Gegenteil. Je tiefer die Schlaglöcher im Rasen wurden, desto unentzifferbarer wurde das Spiel der Berliner. Und dennoch gebar die Partie ein paradoxes Phänomen. Denn just als Kölns Regisseur Ondrej Duda anfing, das Spiel an sich zu reißen und die Bälle mit eleganter Nonchalance zu verteilen, hatte die Hertha eine formidable Chance.

Auch nach dem Anschlusstreffer verlieren die Kölner weder Kopf noch Kontrolle

Vladimir Darida spielte den Sommerzugang Myziane Maolida im Strafraum frei. Doch dem Franzosen versagten die Nerven. Obschon er sich den Ball in aller Ruhe zurechtlegen konnte, scheiterte er aus elf Metern an Kölns Torwart Marvin Schwäbe, der die Linie verlassen hatte, um den Winkel zu verkürzen. Und nicht wenige Berliner dürften sich gefragt haben, wie wohl der polnische "Pistolero" Krzysztof Piatek mit der Chance umgegangen wäre, der just am Wochenende von der Hertha an die Fiorentina nach Italien verliehen worden war.

Bundesliga: Vertrauen des Trainers gerechtfertigt: Kölns neuer Torwart Marvin Schwäbe (in Gelb) verhindert im Eins-gegen-eins ein Tor des Berliners Myziane Maolida. Davie Selke (rechts) schaut entgeistert zu.

Vertrauen des Trainers gerechtfertigt: Kölns neuer Torwart Marvin Schwäbe (in Gelb) verhindert im Eins-gegen-eins ein Tor des Berliners Myziane Maolida. Davie Selke (rechts) schaut entgeistert zu.

(Foto: Engler/Nordphoto//imago)

Unmittelbar nach dem schlimmen Fauxpas von Maolida schlugen dann die Kölner in all ihrer Gnadenlosigkeit zu. Und zeigten Maolida und den Berlinern auf, wie man es vor dem Tor macht. Keine Minute nach der Großchance für Maolida flankte Mark Uth von links, und Anthony Modeste schraubte seinen eigenen Mythos in eine neue Dimension. Er erzielte per Kopf sein zwölftes Bundesligator der laufenden Saison (29.). Drei Minuten später flog eine Flanke von rechts in den Strafraum der Berliner; Herthas Kapitän Niklas Stark köpfelte den Ball heraus - nur halt genau vor die Füße von Duda. Der Slowake zog direkt von der Strafraumgrenze ab - und traf flach gegen sein Ex-Team zum 2:0.

Das roch nach einer Vorentscheidung. Denn die Berliner, die arg ersatz- und coronageschwächt ins Spiel gegangen waren, wurden in einer Phase von den Gegentreffern erwischt, in der sie null Zugriff auf das Spiel hatten. Mehr noch: Sie erinnerten phasenweise an die schlimmsten Auftritte der laufenden Saison - bereinigt um das erkennbare Bemühen, eine solide Grundstruktur zu wahren. Daran änderte sich auch nach der Pause zunächst nicht viel, in der übrigens ein bemerkenswerter Wechsel vollzogen wurde. Schiedsrichter Tobias Stieler gab verletzungsbedingt auf - und wurde durch den vierten Offiziellen Alexander Sather ersetzt.

Und so war es Sather, der zu den Akten nahm, dass Hertha weitgehend unverhofft zum Anschlusstreffer kam: Darida schlug einen Freistoß in den Strafraum, und der Ball landete nur deshalb im Tor, weil Maolida wegblieb und einen Kopfball nur andeutete. Womit er Kölns Torwart Schwäbe entscheidend irritierte. Er konnte nur noch zuschauen, wie der Ball ins Tor segelte.

Die Kölner aber verloren weder Kopf noch Kontrolle, bei der Hertha wollte die Verunsicherung nicht weichen. Bestens zu sehen war das bei einem irrwitzigen Rückpass von Stark, den Herthas Torwart Schwolow regelrecht parieren musste - allerdings mit der Hand. Die Folge: ein indirekter Freistoß aus sechs Metern, den Uth aufs Tor jagte. Schwolow parierte. Das war der Moment, in dem das Spiel wild wurde, sich Chancen hier und dort ergaben, beide Mannschaften auf tiefem und seifigem Geläuf Proben ihrer Charakterfestigkeit gaben. Köln hielt dem späten Berliner Impetus stand - und kam nach einem schlimmen Fehler von Darida durch Jan Uwe Thielmann zum 3:1-Endstand. Er lief allein auf Torwart Schwolow zu - und machte es besser als Maolida.

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