4:3 gegen GladbachKieler Energiewunder

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Jubel in der Nachspielzeit: Shuto Machino feiert seinen Treffer zum 4:3-Sieg gegen Gladbach.
Jubel in der Nachspielzeit: Shuto Machino feiert seinen Treffer zum 4:3-Sieg gegen Gladbach. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Vor der Saison galt Holstein Kiel als erster Absteiger. Genau diese Prognose stachelt das Team von Trainer Marcel Rapp weiter an – und bewirkt einen wilden 4:3-Sieg gegen Mönchengladbach.

Von Christoph Ruf, Kiel

Kurz vor Ende der regulären Spielzeit wechselte der Kieler Trainer Marcel Rapp drei Spieler ein, während sein Gladbacher Kollege Gerardo Seoane auch seinen letzten Offensiven, Tomas Cvancara, in den eigenen Strafraum zurückbeorderte. 3:3 stand es zu diesem Zeitpunkt, dennoch konnte sich niemand im euphorisierten Holstein-Stadion vorstellen, dass dieses Spiel remis ausgehen würde. Tat es dann auch nicht: Kurz darauf ertönte „Nellie The Elephant“, die Kieler Torhymne: Shuto Machino, einer der Besten in einer guten Kieler Mannschaft, hatte tatsächlich noch das 4:3 geschossen.

Die zweite dicke Abstiegskampf-Überraschung des Spieltages war also perfekt. Nachdem am Vorabend schon der 1. FC Heidenheim beim VfB Stuttgart gewonnen hat, dürfte es jetzt wirklich niemanden mehr geben, der im Tabellenkeller noch eine Prognose abgeben möchte. Die Gefahr, sich zu blamieren, ist einfach zu groß.

Die allererste Abstiegsvorhersage hatte vor allem die Kieler angestachelt: „Vor der Saison hat uns jeder gesagt, dass wir keine Chance haben und eine Klatsche nach der anderen kassieren“, erinnerte sich Rapp. Auch sein starker Torwart Thomas Dähne referierte erst Volkes Stimme – „Ihr seid Achtzehnter, ihr steigt sowieso ab!“ –, ehe er seinem Team die Fortsetzung des gegenwärtigen Laufes prophezeite: „Ich bin absolut überzeugt, dass wir am 17. Mai auf Platz 16 stehen, und dann haben wir noch eine Woche vor uns.“ Zuletzt holte Holstein Auswärtspunkte in Mainz und Leipzig, und nun gelang dieser wilde Sieg gegen den Europapokalanwärter Mönchengladbach.

Doch auch wenn es am Ende Platz 17 oder 18 werden sollte – dass diese Kieler Mannschaft, gemessen an ihren Möglichkeiten, eine überzeugende Saison spielt, dürfte nach dem 17. Mai auch intern für einen zufriedenen Rückblick sorgen. Kaum ein Spiel gab es in den bisherigen 31 Bundesligapartien, in dem die Holstein-Elf sich nicht nach Kräften gewehrt hätte. Dafür einige, in denen sie mehr als konkurrenzfähig war. Unter Rapp spielt eine Mannschaft mit fußballerischen Prinzipien, die sich wohltuend vom manisch-defensiven Angstfußball unterscheiden, den viele Abstiegsaspiranten in den vergangenen Jahren zeigten. Der Trainer sieht seine Aufgabe auch darin, Spieler individuell weiterzuentwickeln. Und im Gegensatz zum jüngst geschassten Sport-Geschäftsführer Carsten Wehlmann darf Rapp, der seinen Vertrag verlängerte, auch zeigen, dass sich Geduld auszahlt.

„Man hatte das Gefühl, die sind ein Mann mehr auf dem Platz“, sagt Gladbachs Robin Hack

Bei allem berechtigten Staunen über das Kieler Energiewunder hatte Innenverteidiger Timo Becker natürlich recht, als er in aller Bescheidenheit anmerkte, dass „Gladbach keinen Sahnetag“ erwischt hatte. Und dass man gegen eine „Mannschaft wie Dortmund, die gerade einen Lauf hat“, das Terrain wohl kaum als Sieger verlassen hätte. Selbst die Gladbacher, die einen schwachen, im ersten Durchgang sogar indiskutablen Auftritt zeigten, hatten es schließlich geschafft, eine Kieler 2:0- und 3:2-Führung jeweils auszugleichen.

Dass ein Punktgewinn nach diesem Auftritt regelrecht peinlich gewesen wäre, dementierten allerdings auch die Gladbacher Spieler nicht. „In der ersten Halbzeit hatte man das Gefühl, die sind ein Mann mehr auf dem Platz“, gab Borussia-Profi Robin Hack zu. Keeper Jonas Omlin pflichtete bei, dass ein Team, „das seinem Gegner selbst nach dem Ausgleich so viele Chancen zugesteht, es nicht verdient hat, als Sieger vom Platz zu gehen“.

Man könnte generell die Frage aufwerfen, was in einer Mannschaft im Argen liegt, die Ende März noch allerbeste Chancen aufs internationale Geschäft hatte, die aus den vier darauffolgenden Spielen im April aber lediglich einen Zähler holte. Kiels Trainer Rapp betonte abschließend, dass seine Elf „nicht wie ein Tabellen-Achtzehnter“ gespielt habe. Mit dem gleichen Recht hätte er auch feststellen können, dass seine Mannschaft kämpferisch, läuferisch und auch spielerisch besser war als der Favorit aus dem Westen.

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