Bundesliga:In Darmstadt feilschen Spielerberater vergeblich

VfL Wolfsburg - SV Darmstadt 98

Verlässt Sandro Wagner (li.) bald das finanzschwache Darmstadt?

(Foto: dpa)

Von Sebastian Fischer

Im Darmstädter Fußball ist bekanntlich alles ein bisschen anders. Das Stadion am Böllenfalltor ist ein nostalgisches Relikt alter Zeiten, die Spielweise der Mannschaft von Trainer Dirk Schuster ist so unkonventionell, dass sich jeder moderne Fußball-Theoretiker die Haare rauft. Und jene Menschen, die am Fußballgeschäft verdienen, verdrehen beim Gedanken an den SV Darmstadt 98 eher die Augen, als dass sie sich die Finger lecken. "Ja", sagt Rüdiger Fritsch, der Präsident, "die Spielerberater wissen schon einzuschätzen, mit wem sie sprechen."

761 000 Euro Provision hat Darmstadt vom 15. März 2015 bis zum 15. März 2016 an Spielerberater gezahlt - so wenig wie kein anderer Bundesligist, nicht mal fünf Prozent der Summe, die der FC Schalke 04 im selben Zeitraum an Agenten gezahlt hat: 16,86 Millionen Euro. Das geht aus den Zahlen hervor, die DFB und DFL nach neuer Vorschrift der Fifa am Montag erstmals veröffentlicht haben.

Fritsch, 54, hat sich bislang ehrenamtlich gemeinsam mit Tom Eilers um die Abwicklung von Transfers gekümmert, die sich Darmstadts Trainer Dirk Schuster wünscht. Einen Manager haben die Darmstädter noch nicht, Eilers ist "bestellter Vertreter des Präsidiums für den Lizenzspielerbereich". Auch Torwarttrainer Dimo Wache hilf an seinem Laptop mit, Anfragen von Beratern zu beantworten. Das Darmstädter System ist ungewöhnlich. Doch die Erklärung dafür, dass kein Erstliga-Klub den Beratern so wenig zahlt wie Darmstadt, ist keine ideologische: "Wir bewegen uns innerhalb betriebswirtschaftlicher Grundsätze und haben einfach nicht so viel Geld zur Verfügung", sagt Fritsch.

Zehn Prozent der Berater erhalten 80 Prozent des Geldes

Dass die Berater so gut am Fußball verdienen, werden Sonderfälle wie der SV Darmstadt nicht verhindern. In der Premier League zahlten die Klubs zwischen Oktober 2014 und September 2015 umgerechnet 162,47 Millionen Euro. In Deutschland wurde im vergangenen Jahr schon bekannt, dass die Bundesligisten erstmals mehr als 100 Millionen Euro ausgegeben haben. Nach Informationen des Sport-Informations-Diensts sollen rund 80 Prozent der insgesamt umgesetzten 127,73 Millionen Euro an zehn Prozent aller Berater geflossen sein. Zum Beispiel an die Firma Rogon von Berater Roger Wittmann, der häufig mit dem FC Schalke zusammenarbeitet.

Schalkes Manager Horst Heldt ist in diesen Tagen ohnehin in Erklärungsnot, der Klub droht mit dem von ihm zusammengestellten Kader die Saisonziele zu verpassen. Und nun muss der Manager auch noch erklären, warum er den Spielerberatern, die ihm bei der Zusammenstellung dieses Kaders assistierten, sogar mehr Geld bezahlte als der FC Bayern. "Die nackte Tabelle erweckt einen falschen Eindruck", sagte Heldt der WAZ. Seine Begründung: Nicht nur für Spielerkäufe und Vertragsverlängerungen müsse der Klub die Berater honorieren, sondern auch für Spielerverkäufe.

Im Sommer gab der Klub unter anderen Julian Draxler zum VfL Wolfsburg, Kyriakos Papadopoulos zu Bayer Leverkusen und Jefferson Farfan zum Klub Al-Jazira nach Abu-Dhabi ab, im Winter wechselte der Brasilianer Felipe Santana nach Russland zu Kuban Krasnodar. Insgesamt haben die Schalker im angegebenen Zeitraum etwa 50 Millionen Euro eingenommen. Ob man wirklich bei jedem Spielerverkauf Geld zahlt, oder nur dann, wenn sich partout kein Abnehmer finden will, wie es bei Farfan und Santana war, kann Fritsch gar nicht beurteilen, er lacht: "Wir sind zurzeit eher noch ein aufnehmender Verein."

Darmstadt stellt nun auch einen Kaderplaner ein

Transfers sind für Spielerberater ohnehin eher ein Zusatzgeschäft, das Kerngeschäft sind Vertragsverhandlungen, bei denen Beraterhonorare in Höhe von zehn Prozent des Jahresgrundgehalts der Spieler branchenüblich sind. Das, so romantisch diese Vorstellung auch wäre, ist auch in Darmstadt nicht anders. Im vergangenen Sommer hat der Klub zwar vor allem ablösefreie Spieler unter Vertrag genommen, die bei anderen Klubs nicht mehr gebraucht wurden, eine "Karriere-Delle" hatten, sagt Fritsch. Doch zum Beispiel Stürmer Sandro Wagner hat diese Delle inzwischen ausgebessert und in dieser Saison schon zwölf Tore geschossen. Im Sommer soll er Angebote aus der Premier League gehabt haben. Er wird von der Agentur von Roman Rummenigge beraten, dem Sohn von Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge.

"Ich befürchte, dass auch Darmstadt auf längere Sicht nicht der einzige Verein sein kann, der sich quasi außerhalb des Systems bewegt", sagt Fritsch. Am Mittwoch stellt er in Holger Fach einen neuen Kaderplaner vor. Wahrscheinlich wird Fach schon am ersten Arbeitstag mit ein paar Beratern telefonieren.

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