Protest im Fußball:Es geht auch mit Humor

Spruchband in Anspielung auf Hopp im Gästeblock der Fans des 1. FC Magdeburg mit der Aufschrift Abstiegsgespenst du Hure; Abstiegsgespenst Fans 1. FC Magdeburg

Spruchband in Anspielung auf Hopp im Gästeblock der Fans des 1. FC Magdeburg

(Foto: imago images/MaBoSport)

Eine Woche nach dem Eklat um Hopp-Schmähungen fahren die Fans mit ihrer Kritik am Verband fort - aber in einer Weise, die zeigt, welch wichtige Rolle sie einnehmen können.

Kommentar von Sebastian Fischer

Auf Twitter, dem früher mal Kurznachrichtendienst genannten Netzwerk für Medienmenschen und andere leidenschaftliche Besserwisser, hatten die Leute in der Fußballblase vor ein paar Jahren eine schöne Idee: Unter dem Hashtag #faireGesänge sammelten sie bekannte, meist verunglimpfende Sprechchöre aus den Kurven der Stadien und dichteten sie um. Eine Auswahl: "Schiri wir wussten wo dein Auto stand - ist aufgetankt, ist aufgetankt!", "Punkteteilung, Punkteteilung, hey, hey!" oder: "Wer nicht hüpft, der hüpft halt nicht." Aus dem Netz bis auf die Tribüne schafften es die Zeilen natürlich nicht. Auf friedliche Sänger in den Kurven zu hoffen, ist naiv. In den vergangenen Tagen musste es trotzdem sein.

Es hat wohl inzwischen - nach ein paar Tagen Zeit zum Durchatmen - jeder verstanden, der es verstehen will, was es mit den Schmähungen gegen Dietmar Hopp am vergangenen Bundesliga-Spieltag auf sich hatte. Sie waren geschmacklos, sie waren aber vor allem ein Protest der Ultras gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Und doch war natürlich auch Kritik an den Fans berechtigt. Wer sich in den vergangenen Tagen um Diplomatie in deutschen Stadien bemühen wollte, der kam also irgendwann um den naiven Gedanken nicht herum, dass es doch eigentlich die einfachste Lösung des Problems wäre, wenn sich die Ultras zur Kommunikation ihrer Anliegen einfach etwas Besseres einfallen lassen als plumpe Beleidigungen. Ein bisschen Humor zum Beispiel. Es geht ja schließlich nur um Fußball.

Der erste Samstag nach dem Hopp-Spieltag hat gezeigt, dass das möglich ist. Schon unter der Woche im DFB-Pokal hatten die Fans von Eintracht Frankfurt den Ton gesetzt, als sie auf ein Banner schrieben, dass der Trainer Adi Hütter sich doch einfach bei ihnen melden solle, wenn er eine Spielunterbrechung brauche. So hatten sie pointiert das vom DFB hausgemachte Problem zusammengefasst, wie nach dem Beinahe-Abbruch der Begegnung zwischen der TSG Hoffenheim und dem FC Bayern in Zukunft der viel zitierte Dreistufenplan bei diskriminierenden Vorfällen im Stadion angewendet werden soll. Am Samstag ging es ähnlich kreativ weiter. "Abstiegsgespenst, du Hurensohn", schrieben zum Beispiel die Fans des Drittligisten Magdeburg auf ein Plakat - und malten ein Gespenst im Fadenkreuz dazu.

Man muss die Ultras nicht lieben, mit ihrem Habitus als Gralshüter der Tradition und ihren oft verkürzten Argumentationen - und die Gewaltaffinität mancher natürlich schon mal gar nicht. Aber sie sind im Vergleich mit anderen großen Ligen in Europa ein Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga. Sie haben ihren Platz im Fußball. Und wenn sie ihn so nutzen wie am Samstag, nehmen sie eine wichtige Rolle ein. In Berlin stand auf einem Banner die Erinnerung an den Verband, dass sich die wirklich hässliche Fratze des Sports doch eher in Schmiergeldflüssen und Toten auf WM-Baustellen in Katar zeige. Die Freiburger Ultras thematisierten das Treffen zwischen DFB-Präsident Fritz Keller und dem skandalumtosten Fifa-Präsidenten Gianni Infantino. Von Fans auf der Haupttribüne oder vor dem Fernseher ist solche Kritik logischerweise eher nicht zu erwarten. Sind die Fans auf den Stehplätzen stumm, äußert die Kritik wahrscheinlich niemand.

Die Ultras argumentieren gerne, dass sie nur gehört werden, wenn sie Grenzen überschreiten. Vielleicht werden sie aber auch gehört, wenn es Spaß macht, ihnen zuzuhören. Einen Versuch wäre es ja wert.

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