90 Minuten waren vergangen, ehe aus dem Heimbereich der Sinsheimer Arena erstmals akustische Signale zu hören waren – in Form von Pfiffen. Wie bereits im Spiel gegen Holstein Kiel hatte die aktive Fanszene aus Protest gegen die Vereinsführung einen Stimmungsboykott ausgerufen. Die Tatsache, dass in der zweiten Partie in Serie die Gäste ein Heimspiel hatten, sei wenig hilfreich, fand Hoffenheims Mittelfeldspieler Florian Grillitsch: „Das ist ein Thema zwischen Fans und Verein. Aber wir als Spieler sind die Leidtragenden und können nichts dafür.“
Dass Bayer Leverkusen wohl auch gewonnen hätte, wenn sich der eigene Anhang die Seele aus dem Leib gebrüllt hätte, wollte aber auch er nicht bestreiten.
Leverkusen, das am vergangenen Spieltag nach 35 Ligaspielen ohne Niederlage erstmals wieder verloren hatte (gegen RB Leipzig), zeigte sich jedenfalls gut erholt von diesem traumatischen Erlebnis. „Wir haben seriös und mit hoher Professionalität gespielt“, fand Trainer Xabi Alonso nach dem 4:1 (2:1). Und der Leverkusener Sieg hätte gegen eine im zweiten Durchgang stark nachlassende Hoffenheimer Elf höher ausfallen können: Victor Boniface hätte alleine vier oder fünf Tore beisteuern können, zwei sind allerdings auch keine schlechte Ausbeute (30./75. Minute). Auch Martin Terrier (17.) und Florian Wirtz (72., Elfmeter) trafen. Zwischendurch verkürzte Mergim Berisha für Hoffenheim (37.), was Leverkusens Granit Xhaka nach dem Spiel auf die Palme brachte: „Wir müssen lernen, den Sack zuzumachen.“
Matarazzo wünscht sich ein „ruhiges Arbeiten“ – aber daraus wird vorerst nichts
Gegen Leipzig am vergangenen Spieltag habe eine 2:0-Pausenführung nicht zum Sieg gereicht, da sei es ärgerlich, wenn man in der darauffolgenden Partie den Gegner noch mal herankommen lasse, anstatt die eigenen Gelegenheiten zu nutzen, auch im Hinblick auf das Spiel bei Feyenoord Rotterdam am Donnerstag. „In der Champions League“, sagte Xhaka, „kriegst du keine acht hundertprozentigen Chancen.“
Nun ist eine deutliche Niederlage gegen den amtierenden Meister für Hoffenheim nichts Ehrenrühriges. Zumindest dann nicht, wenn man sich zuvor 15 Torschüsse erarbeitet hat und eine Halbzeit gut im Spiel war. Und dennoch gab es für die TSG mal wieder genug Grund, sich zu ärgern. Wenn man auf Konter spielt – was gegen einen Gegner wie Leverkusen eine realistische Vorgehensweise sein kann –, sollte vorn konsequenter nachgerückt und hinten sicherer agiert werden. Vor allem aber sollte eine Abseitsfalle nur eingesetzt werden, wenn sich zumindest die beiden Innenverteidiger sicher sind, dass das eine vielversprechende Idee sein könnte.
„Viel zu einfache Gegentore“ kassiere man ansonsten, befand Trainer Pellegrino Matarazzo, dessen Joballtag bei der TSG wohl zunehmend ein unwürdiger Zustand ist. Im SZ-Interview vor dem Spiel hatte er bei aller Zurückhaltung durchblicken lassen, dass er intern kaum noch Rückhalt verspürt und neue Spieler ohne sein Mittun verpflichtet werden. Seither hat er von der Vereinsführung nichts gehört, wie er am Samstagabend schmallippig erwähnte.
Dabei hatte da längst die Runde gemacht, dass allem Anschein nach hinter seinem Rücken bereits ein potenzieller Nachfolger kontaktiert worden sei: der derzeitige Co-Trainer der Nationalelf, Sandro Wagner – und das nach Informationen des Kicker nicht nur aus dem Klub, sondern auch aus einer Berateragentur. In Hoffenheim ist die Debatte um den Einfluss von außen seit Jahren ein Dauerthema, vor allem mit Blick auf die Agentur Rogon; dass die dem Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp arg nahesteht, behauptet nicht nur die aktive Fanszene, die auch deshalb während der Spiele schweigt.
Matarazzo blieb vor der Partie gegen Leverkusen nur, daran zu erinnern, dass „Ruhe und Vertrauen Grundsteine für den Erfolg“ seien und er sich „ruhiges Arbeiten“ wünsche. Ein solches könnte ihm der Klub leicht ermöglichen. Beispielsweise, indem er die Sandro-Wagner-Meldung zurückweist oder sich zu einem halbwegs glaubwürdigen Bekenntnis zu seinem Coach herablässt. Beides blieb am Samstag aus.