Bundesliga: Hoffenheim - FC Bayern:Verwalten und Gestalten

Nach einer flauen ersten Halbzeit ringt der FC Bayern Hoffenheim noch ein 2:1 ab. Daniel Van Buyten trifft in der Nachspielzeit. Anschließend rücken aber andere Fragen in den Fokus.

Louis van Gaal hatte sich über die Hoffenheimer Aufstellung gebeugt wie ein Studienrat über eine unerfreuliche Seminararbeit, und was er sah, gefiel ihm nicht. Mlapa raus, Rudy rein - Stürmer raus, Mittelfeldmann rein. 1899 Hoffenheim würde es offenbar nicht mit dem Spaßfußball der vergangenen Wochen versuchen gegen den FC Bayern. "Sie spielen defensiv gegen uns", grummelte van Gaal. Er sollte recht behalten. Aber er ahnte noch nicht, warum.

Dann nahmen die Dinge ihren Lauf: Nach einer halben Minute ließ sich der Münchner Linksverteidiger Diego Contento von jenem Sebastian Rudy den Ball abnehmen, der doch als Beleg für eine schüchterne Herangehensweise der Hoffenheimer gelten sollte. Rudy passte in die Mitte, wo Vedad Ibisevic so frei herumstand, dass man sich gerne bei Daniel Van Buyten erkundigt hätte, dem Bayern-Verteidiger, ob er den Anpfiff gehört hatte. Ibisevic setzte den Ball neben den rechten Innenpfosten, zum 1:0 für Hoffenheim. Nach 36 Sekunden.

Ende einer 333-minütigen Dürre

Es war das bisher schnellste Tor der Saison. Es war das schnellste Tor, seit Hoffenheim nicht mehr ohne begleitende Statistik auf dem Dorfbolzplatz kickt. Es war auch das schnellste Gegentor, seit van Gaal den FC Bayern befehligt. Und es war damit ein hübscher Beleg dafür, dass derzeit Grundsätzliches im Argen liegt beim Rekordmeister aus München.

Die Bayern haben das Spiel dann noch umgebogen, sie haben nach 333 torlosen Liga-Minuten wieder einen Treffer erzielt durch Thomas Müller (63.), sie haben dafür aber auch einen hohen Preis bezahlt. Denn Franck Ribéry, der Müllers Tor vorbereitet hatte mit einem zwingenden Sprint sowie einem Gewaltschuss, den Hoffenheims Torwart Haas nur abprallen ließ - Ribéry bekam bei diesem Angriff einen Tritt auf den Knöchel, und die erste Diagnose lautete: Sprunggelenksverletzung. Wie lange der Franzose fehlen wird, blieb vorerst unklar. Van Gaal aber klagte: "Ich glaube, dass es eine schwere Verletzung ist."

Späte Erlösung

Und dann dauerte es bis in die Nachspielzeit, ehe die Bayern den Ball erneut über die Linie zwangen: Der eingewechselte Altintop hatte ihn nach vorne geschlagen, der eingewechselte Olic mit dem Kopf weitergeleitet, und Van Buyten war jetzt auch wach: Er stocherte die Kugel über die Linie, zum 2:1-Endstand.

TSG 1899 Hoffenheim - FC Bayern Muenchen

Bastian Schweinsteiger (links) jubelt mit dem Torschützen Daniel Van Buyten über das späte 2:1.

(Foto: dapd)

Sie haben also gewonnen, die Bayern, sie haben also eine Ergebniskrise vorerst abgewendet, die man hätte historisch nennen müssen zu Hause in München. Aber sie haben sich das Leben wieder mal selbst schwer gemacht. Denn in der ersten Halbzeit war Ibisevics Blitztor erst die Rechtfertigung dafür, dass sich die Gastgeber zurückzogen und auf Konterchancen lauerten. Vor der Partie hatte Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick noch geleugnet, dass er jene vorsichtige Herangehensweise empfohlen hatte, die van Gaal witterte, nun ergab sich diese Taktik zwingend aus dem Spielstand. Die Bayern mühten sich also, aber dass ihnen derzeit die Mittel fehlen, um eine eng verschlungene Abwehrkette zu entwirren, blieb offenkundig.

Die flaue erste Halbzeit hat später wohl nur dem Kapitän Mark van Bommel gefallen, der behauptete, "das Spiel von links nach rechts" habe "gut funktioniert". Gefährlich wurde dieses Spiel allerdings nur, wenn Tempo in die Aktionen kam: Bastian Schweinsteiger setzte einen Kopfball neben das Tor, nachdem Toni Kroos aus vollem Lauf geflankt hatte (7.). Dann vereitelte Kroos die beste Gelegenheit selbst: Anstatt aufs Tor zu zielen, bediente er Miroslav Klose (12.) - doch der stand im Abseits. Im ersten Durchgang waren die Hoffenheimer einem zweiten Treffer näher als die Bayern dem Ausgleich: Ein Freistoß von Sejdad Salihovic rauschte an den Pfosten.

Und in der Halbzeitpause fanden sich dann wieder ein paar Statistiker, die für die Bayern 78 Prozent Ballbesitz ermittelt hatten. Exakt dieser Wert war am Samstag beim 0:0 gegen Köln der Beleg dafür gewesen, dass die Bayern das Spiel derzeit mehr verwalten als gestalten. Später ersetzte dann Olic den unglücklichen Kroos, Müller rückte aus der Zentrale nach rechts, und in diesem 4-4-2 nahm das Münchner Offensivspiel langsam Konturen an.

Die Hoffenheimer jedenfalls versammelten sich jetzt nicht mehr freiwillig in der eigenen Hälfte, sondern wurden von den Bayern dort hingedrückt, und auf Konter mochten sie möglicherweise noch gelauert haben wie Jäger, die in der Nacht auf dem Hochsitz verharren - aber es kamen keine mehr vorbei.

"Es war verdient, aber es war auch Glück", so fasste van Gaal das Ergebnis zusammen. Und dank der späten Erlösung rückte nach dem Abpfiff eine andere Frage in den Fokus: Haben der Verein und sein Übungsleiter tatsächlich Einigkeit erzielt, ihre Zusammenarbeit bis 2012 fortzusetzen? Das war am Abend berichtet worden: Die Gremien des FC Bayern hätten schon zugestimmt, die Unterschrift könne zeitnah erfolgen. Sportdirektor Christian Nerlinger sagte dazu nur: "Wir haben schon oft gesagt, dass wir über 2011 hinaus mit van Gaal weitermachen wollen." Und van Gaal sagte: "Vielleicht reden wir noch vor Weihnachten." Aber bei van Gaal kann so ein Satz ja immer alles bedeuten. Oder nichts.

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