Süddeutsche Zeitung

Fahnenposse in Berlin:Dit jeht so nich!

Vor dem Derby gegen Union pflanzen Mitarbeiter von Hertha BSC unangemeldet Zehntausende Fahnen in den Boden - das geht dem Ordnungsamt gegen den Strich.

Von Javier Cáceres, Berlin

In der Nacht zum Dienstag versuchte sich der Bundesligist Hertha BSC an einer Saataktion der besonderen Art. Zur Einstimmung aufs Berliner Derby gegen den Stadtrivalen 1. FC Union (Freitag, 20.30 Uhr) pflanzten Hertha-Helfer im Schutze der Nacht in Berlin unangemeldet Zehntausende Fahnen in den Boden, auf dass in naher und ferner Zukunft die Leidenschaft für die Hertha Knospen schlage. Auf dass der trüben Mischung aus Frühwinterdepression und Pandemie ein wenig blau-weiße Farbe und Passion beigemengt werde. Und: auf dass im Kampf um die Fußballclaims der Stadt ein paar Geländegewinne erzielt werden.

"Wir wollen die ganze Stadt für uns gewinnen", sagte Hertha-Sprecher Max Jung der Nachrichtenagentur dpa. Nur: Durch Berlin wabert eben nicht nur der Geist der Libertinage. Sondern mitunter auch die nölende Liebe zur Ordnung. Und so begibt es sich, dass an der Hertha (und der beteiligten Werbeagentur) womöglich ein Exempel statuiert wird: Es droht ein Bußgeld.

Bei Union Berlin ist man amüsiert

"Wenn wir heute bei Hertha nichts machen, dann kommt nächste Woche vielleicht Coca-Cola und will seinen Weihnachts-Truck aufstellen", entrüstete sich Arne Herz (CDU), Ordnungsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, im Tagesspiegel. Bedienstete des Ordnungsamtes seien stundenlang damit beschäftigt gewesen, blau-weiße Fahnen einzusammeln, was einer (mutmaßlich neu entbrannten) Sorge ums Stadtbild und um den reibungslosen Straßenverkehr geschuldet gewesen sei. Hertha-Sprecher Jung wiederum beteuerte am Mittwoch, die Resonanz sei zu 95 Prozent positiv gewesen, und überhaupt: "Ich glaube, Coca-Cola ist eine Weltmarke, da können wir den Vergleich auch ins Positive drehen."

Dass man gegebenenfalls wieder aufgeräumt hätte, sei Ehrensache. "Uns war klar, dass wir uns im Nachgang darum kümmern, die Fahnen wieder zu entfernen, die übrig bleiben", sagte Jung. Diverse Selbstbezichtigungen in sozialen Netzwerken zeigen, dass Hertha reichlich Unterstützung von Unionern erfahren hatte: Sie posteten Fotos von Hertha-Fahnen in Mülleimern.

Überhaupt war man beim Kiez-Klub Union, derzeit mit acht Punkten Vorsprung auf Hertha Tabellensechster, über den Vorgang amüsiert. Bis zu ihm sei keine blau-weiße Fahne vorgedrungen, feixte Trainer Urs Fischer, dessen Team am Freitag das 0:4 aus dem Derby vom Mai vergessen machen möchte. Union-Sprecher Christian Arbeit ergänzte, man mache sich um Fragen der Hegemonie keine Gedanken. "Wir sind der 1. FC Union. Wir machen Fußball, so wie wir ihn uns vorstellen. Berlin ist so groß, es gibt nichts, was allein für diese Stadt stehen kann: kein Fernsehturm, kein Opernhaus ... Die Stadt hat genug Platz."

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SZ vom 03.12.2020/ebc
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