Hertha BSC:Labbadia vor dem Aus

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Vor dem Aus: Herthas Trainer Bruno Labbadia. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Bizarre Situation bei Hertha BSC: Nach der 1:4-Niederlage gegen Werder Bremen muss der Trainer seine eigene Entlassung kommentieren, die offiziell noch nicht erfolgt ist.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Fußball ist, wie das Leben, reich an kafkaesken Situationen. Und auch Bruno Labbadia hat die eine oder andere erlebt. Wie sich die Dinge aber am Samstag zutrugen, als er mit Hertha gegen Werder Bremen 1:4 verlor, das hatte es in seiner Vita so auch noch nicht gegeben.

Als er noch den TV-Sendern Rede und Antwort stand, meldete die Bild-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe bereits, dass eine "Entscheidung gefallen" sei - gegen Labbadia. Die zunächst unbestätigte Meldung wurde Labbadia im Live-Interview gezeigt, und was bewundernswert war: Er hatte seine Emotionen weitgehend im Griff. Aber er sagte auch frei heraus: "Natürlich fehlen uns die Argumente, das ist eine Scheißsituation, die uns überhaupt nicht gefällt."

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Dann ging er zurück in die Katakomben, sprach kurz mit Manager Michael Preetz, der auch um seinen Job fürchten muss, und wartete bis kurz vor 22 Uhr, ehe er in der Pressekonferenz neuerlich Stellung beziehenn sollte - zu einer schriftlich eingereichten Frage, die der Pressesprecher Herthas verlas. Er habe noch keine Rückmeldung von der Geschäftsführung erhalten, sagte Labbadia. "Ich habe die Menschen in Berlin so kennen- und schätzen gelernt, dass man erst zu mir kommt, ehe man an die Öffentlichkeit geht. So ein klares Verhältnis haben wir miteinander."

Fast gleichzeitig hatte Preetz für das ZDF-Sportstudio daran erinnert, dass der Januar "der Monat war, wo wir punkten wollten". Die letzten Spiele gegen Bielefeld, Köln, Hoffenheim und Werder seien "eine einzige Enttäuschung" gewesen, die man nun verarbeiten müsse. Damit war im Grunde davon auszugehen, dass das Aus Labbadias besiegelt ist. Als aussichtsreichster Kandidat gilt übergangsweise Pal Dardai, der die Hertha bis 2019 trainiert hatte und zurzeit in der Nachwuchsabteilung tätig ist. Bisher hat Hertha in 18 Spielen nur 17 Punkte gesammelt. Das ist sehr wenig für eine Mannschaft, die mit den Millionen von Investor Lars Windhorst hochgerüstet worden war.

Dass bei Hertha BSC sehr viele Dinge in eine sehr falsche Richtung laufen, wurde in der 21. Minute der Partie gegen Bremen offensichtlich. Die Herthaner lagen mit 0:1 hinten, durch ein Tor eines Stürmers, den sie selbst an Werder verliehen haben (Davie Selke), als sie einen sehr schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen bekamen. Matheus Cunha war gefoult worden und trat selbst an. Er nahm trippelnd Anlauf - und schoss derart schwach, dass es für Werders Torwart Jiri Pavlenka vergleichsweise leicht war, den Ball zu parieren.

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Der durch und durch seltsame Samstag hatte insbesondere für Preetz einen kuriosen Auftakt genommen: Vor dem Stadion versammelte sich eine niedrige dreistellige Zahl an Hertha-Fans, um gegen den Verbleib von Präsident Werner Gegenbauer und Manager Preetz zu demonstrieren. Für Irritationen sorgte auch unter jenen Fans, die dem seit Jahren regierenden Duo kritisch gegenüberstehen, dass der Initiator der Veranstaltung starke Wurzeln in der "Querdenker-Szene" hat. Letztlich waren die sichtbarsten Zeichen, die gesetzt wurden, ein paar Plakate, die in der naheliegenden Hanns-Braun-Straße aufgehängt wurden, auf dem Weg zur Geschäftsstelle. Zwischenfälle gab es nicht. Was sie da noch nicht ahnten: Dass Labbadia, 54, eine sehr resolute Entscheidung getroffen hatte. Stürmer Dodi Lukébakio, einer der teuersten Spieler der Vereinsgeschichte, saß aus "sportlichen Gründen" nicht einmal auf der Bank.

Er bezahlte damit für seinen Anteil an zuletzt drei Spielen ohne Hertha-Sieg und Hertha-Tor in Serie (in Bielefeld und Köln sowie gegen Hoffenheim). Den Umstand, dass es dann ausgerechnet Selke war, der per Strafstoß (Foul an Schmid) zur Führung der Bremer traf, hätten Zyniker unter den Berliner Anhängern als den Bruch eines Banns bejubeln können; Selke gehört nominell noch den Berlinern und ist an die Bremer nur verliehen. Es folgte der eingangs erwähnte Fehlschuss von Cunha und ein neuerliches Beispiel für die Effektivität der Bremer. Denn sie überließen den Berlinern weitgehend den Ball, bauten aber ihre Führung aus. Nach einem Eckball traf Innenverteidiger Ömer Toprak per Kopf zum 2:0 (29.).

Den Berliner war in puncto Engagement kaum ein Vorwurf zu machen. Aber: Zu wirklich zwingenden Chancen kamen sie gegen die defensiv soliden Bremer kaum, das Highlight der ersten Halbzeit war ein Schuss aus 18 Metern von Maximilian Mittelstädt. Bis sich das Blatt in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit doch zu wenden schien. Eine wirklich gute Flanke von Rechtsverteidiger Peter Pekarik wuchtete Jhon Córdoba per Kopf aus kurzer Distanz ins Bremer Tor.

Nach der Pause drängten die Berliner in ähnlicher Weise wie schon unter der Woche gegen die TSG Hoffenheim (0:3). "Es ist beeindruckend gewesen, wie sie immer weitergemacht haben", sagte Werders Trainer Florian Kohfeldt über die Hertha. Sein Berliner Kollege Labbadia wechselte sukzessive Offensivkräfte ein - nicht aber die Fortune. Die größte Gefahr beschwor wieder Córdoba mit einem Distanzschuss herauf, den Pavlenka parierte (55.).

Dann aber musste Labbadia ohnmächtig zusehen, wie sein Mittelfeld mit Blackouts das dritte und das vierte Tor der Bremer begünstigte. Erst bestaunten die Spieler einen exzellenten Pass von Maximilian Eggestein auf Leo Bittencourt (57.), der im Berliner Strafraum völlig freistand, sich drehen und einschießen konnte - eine Tor-Delikatesse. Nach einer klaren Chance durch Cunha (67.) traf schließlich der spät eingewechselte Joshua Sargent mit einem Fernschuss, weil er von Niklas Stark bedient und von Guendouzi nicht angegriffen worden war, ehe Torwart Alexander Schwolow die Arme nicht richtig hochbekam (77.). Und damit wohl das Aus für Labbadia besiegelte.

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