Sami Khedira und Hertha BSC:Offene Arme für den Weltmeister

Lesezeit: 3 min

Trendfarbe blau: Sami Khedira, bislang im schwarz-weißen Dress von Juventus Turin, steht vor dem Trikottausch. (Foto: Fabrizio Carabelli/Beautiful Sports/Imago)

Sami Khedira steht unmittelbar vor einem Wechsel nach Berlin. Seine Strahlkraft ist wie geschaffen für die große Stadt. Das Problem ist die Wettkampfpraxis.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Sehr zügig hatte Pal Dardai inmitten des Schneeregens im Frankfurter Stadtwald entschieden, dass Aufmunterung geboten war. Also stakste der alte und neue Trainer von Hertha BSC nach Spielende schnurstracks auf den durchweichten Rasen, um die Nähe zu seinen bezwungenen Profis zu suchen. Dardai klopfte auf viele Schultern und drückte zahlreiche Hände, um trotz des 1:3 (0:0) bei Eintracht Frankfurt zu versichern: Hey Jungs, alles in Ordnung! Verbalisiert hat er seine Botschaft kurz darauf im Presseraum der Frankfurter Arena: "Eigentlich war alles okay, nur das Ergebnis war nicht okay."

Union Berlin
:Nur Karius ist unzufrieden

Loris Karius erlebt gegen Gladbach seinen ersten kurzen Bundesliga-Auftritt für Union Berlin - der von Liverpool ausgeliehene Keeper lässt durchblicken, dass ihn seine Situation in Köpenick durchaus frustriert.

Von Javier Cáceres

Sein erstes Spiel, nachdem er Bruno Labbadia beerbt hatte, sei eine Art Glückssache gewesen. Man solle das nicht falsch verstehen, erklärte Dardai: Er könne seinen Einstand nach erst vier Trainingseinheiten nur wie "ein Freundschaftsspiel" bewerten, "danach können wir eine richtige Analyse machen und richtig arbeiten". Die nächste Herausforderung hat es allerdings in sich: Am Freitag wird der Branchenprimus in Berlin vorstellig. "Ich weiß, dass Bayern München kommt - das ist auch schön", sagte Dardai und lachte sogar kurz. Anschließend bleiben ihm nur noch 14 Versuche, um die angeblich in seinem Kontrakt vereinbarte Klausel für eine Weiterbeschäftigung - 24 Punkte bis zum Saisonende - zu erfüllen.

Angesichts solcher Herausforderungen kann Verstärkung nicht schaden. Sami Khedira, 33, steht unmittelbar vor einem Wechsel zur Hertha, nur der Medizincheck stand am Sonntag noch aus. So ein Weltmeister wäre von der Strahlkraft eigentlich wie geschaffen für die große Stadt. "Wir sind in Gesprächen", bestätigte Herthas Geschäftsführer Carsten Schmidt via Sky, er habe "ein langes Telefonat" mit dem Profi geführt, der 2010 vom VfB Stuttgart zu Real Madrid wechselte und 2015 zu Juventus Turin weiterzog. Für die Nationalmannschaft war er nach 77 Länderspielen nicht mehr berufen worden, nachdem er beim Vorrunden-Knockout bei der WM 2018 im Mittelfeld und im Blickpunkt gestanden hatte. Khedira sei "ein großartiger Leader mit viel Erfahrung" - und dieser Aspekt mache ihn so interessant für die Hertha, sagte Schmidt. Das Problem ist die fehlende Wettkampfpraxis: Khedira kam bei Juventus unter Trainer Andrea Pirlo in dieser Saison nicht zum Einsatz.

Dardai, 44, würde ihn trotzdem mit offenen Armen empfangen. Die Vereinsführung habe nämlich bei der Kaderkomposition "einiges vergessen", krittelte er. Er ist Herthas Rekordspieler, es sieht so aus, als wolle er sein einstiges Hoheitsgebiet im zentralen defensiven Mittelfeld robuster ausstatten. In Frankfurt besetzte Santiago Ascacibar, ein steter Störenfried, die strategisch wichtige Position, doch als Stabilisator empfahl sich der kampfstarke Argentinier nur eingeschränkt.

Am Samstag hatte Dardai in seiner Startelf mit einem Torwarttausch überrascht. Rune Jarstein, 36, hatte wohl kaum mehr damit gerechnet, noch einmal den Vorzug vor dem im vorigen Sommer vom SC Freiburg geholten Alexander Schwolow, 28, zu erhalten. Dardais Begründung: "Alex ist ein guter Torwart, aber er hat kein Torwartglück gehabt. Jetzt macht er ein bisschen Pause." Die könnte länger dauern, weil der Norweger Jarstein bei seinem Saisondebüt überzeugte. Doch ein routinierter Rückhalt reichte in Frankfurt nicht für den Turnaround, dafür hat die Hertha gerade einfach zu viele Macken.

Mann der Gegenwart bei der Eintracht: Torjäger André Silva. (Foto: Alex Grimm/Getty)

"Nach der Führung fehlte die Erfahrung, wie man mit einem 1:0 umgeht. Diese Mannschaft ist definitiv unsicher", bemängelte Dardai. Kaum hatte er die Führung von Krzysztof Piatek (66.) bejubelt, verschätzte sich Verteidiger Jordan Torunarigha beim Ausgleich von Eintracht-Torjäger André Silva (67.). Nach ähnlichem Muster ließen sich die Berliner vom ausgerückten Frankfurter Abwehrchef Martin Hinteregger übertölpeln (85.). Und der weiterhin bestechend auftrumpfende Silva legte seinen 16. Saisontreffer als Zugabe per Elfmeter obendrauf. Der im Sommer 2019 im Tausch mit Ante Rebic vom AC Mailand an den Main gekommene Portugiese verkörpert gerade all das, was die Eintracht zur Mannschaft des Augenblicks in der Liga werden ließ.

Und so lobte sogar Dardai seine Bezwinger. Ihm hatte imponiert, wie dominant die mit sieben Siegen aus acht Spielen in den Champions-League-Kandidatenkreis gestürmten Hessen gerade auftreten. Dennoch sei sein Bundesliga-Comeback eine schöne Sache gewesen, sagte der Ungar, der kurz darüber referierte, wie sonst wohl sein Wochenende verlaufen wäre. "Ich hätte nach Székesfehérvár reisen können", verriet er, dort hätte er seinen ältesten Sohn Palko beim Debüt für Ungarns Spitzenklub Fehérvár gegen Honved Budapest beobachten können. Er hätte "ein bisschen gequatscht", und wäre wohl "dann wieder nach Hause gefahren".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern gegen Hoffenheim
:Blick über die Wolldecke

Der Bundestrainer sieht beim 4:1 des FC Bayern als Stadionbesucher starke Auftritte von Müller und Boateng. Muss er die Verjüngungskur des DFB vor der Europameisterschaft korrigieren?

Von Philipp Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: