Hertha BSC:Der Neue löst die Krämpfe

Hertha BSC - SpVgg Greuther Fürth

Seltene Glücksmomente: Jurgen Ekkelenkamp (links) von Hertha BSC bejubelt den 1:1-Ausgleichstreffer mit Marton Dardai.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Jurgen Ekkelenkamp befreit Hertha BSC 87 Sekunden nach seiner Einwechselung. Das 2:1 gegen Aufsteiger Fürth ist trotzdem ein erstaunlicher Kraftakt, der bei den Berlinern für wenig Beruhigung sorgen dürfte.

Von Jens Schneider, Berlin

Lässt sich aufgestaute Sehnsucht in Dezibel messen? Es war ein beachtlicher Lärm, mit dem die Berliner Zuschauer ihre Mannschaft an diesem kalten Spätsommerabend zum Spiel gegen die Spielvereinigung aus Fürth empfingen. Zu spüren war ein Endlich-Wieder-Gefühl: Hier wollten Fans endlich wieder anfeuern, gegen die Kälte anhüpfen und sich begeistern können. Es ist so viel nachzuholen nach Lockdown-Monaten, in denen es rund ums Olympiastadion bei Spielen von Hertha BSC zuweilen stiller war als zur gleichen Zeit im Grunewald. Jetzt dürfen Zuschauer dabei sein, es waren 21 372. Bei so einer Zahl fühlt sich diese weite Arena sonst leer an. Nicht an diesem Abend.

Am Anfang wurde alles bejubelt, was gelang. Der Verteidiger Niklas Stark blockte eine Flanke der Fürther, die mit einer Portion Aufsteiger-Mut anfingen: keine Rettungstat, die wäre gar nicht nötig gewesen, spektakulär war in dieser faden ersten Halbzeit nichts, und doch bekam er mächtig Beifall. Ermunterung gab es für jede gelungene Aktion, etwa als Kevin-Prince Boateng auf links einen Ball fein aus der Luft annahm, der hoch mit einem gewissen Schwierigkeitsgrad auf ihn zuflog. So groß ist die Lust, schönen, erfolgreichen Fußball zu sehen. Wenn nur die Berliner Mannschaft nicht so wäre, wie sie nun mal gerade ist.

Blockiert ist sie, so beschrieb es Hertha-Trainer Pal Dardai hinterher. Und offen blieb die Frage, was er durch seine Einstimmung vor der Begegnung zu dieser Blockade beigetragen haben könnte.

Schon das erste Heimspiel gegen Wolfsburg ging verloren, die 0:5-Niederlage bei Bayern München wirkte wie eine Kapitulation, auch der erste Sieg in Bochum war spielerisch nicht überzeugend. Also sagte Dardai vor der Partie gegen Aufsteiger Fürth, dass man keinen "Wunderkick" erwarten solle. An diese Vorgabe hielt sich seine Mannschaft. Statt Angriffslust gab es Vorsicht und viele Pässe ins Nichts - zu lang, zu weit, zu scharf, oder zu kurz, zu ungenau. Eine gute Chance erkämpfte sich Mittelfeldspieler Suat Serdar, schoss jedoch am Tor von Sascha Burchert vorbei.

Dardai fordert in der Halbzeit: "Fangt bitte an, Fußball zu spielen"

Auch Fürths Trainer Stefan Leitl hatte vorab ein Versprechen gegeben, nach Dardais Art. Was man bei einem Aufsteiger eher verstehen möchte, der nach vier Spielen ohne Sieg ganz unten steht. "Wir müssen keinen Schönheitspreis gewinnen", sagte er, die Defensive solle sich stabilisieren. Schade, wenn man sich daran erinnert, mit welchem Schwung die Fürther bis zum Aufstieg durch die zweite Liga stürmten. Nun liefen sie in Berlin viel mehr als der Gegner, ließen über Havard Nielsen und den passsicheren Jeremy Dudziak den Ball in der gegnerischen Hälfte laufen. Große Chancen gab es auch für sie nicht. Einmal flipperte der Ball wie zufällig durch den Berliner Strafraum, es gab den einzigen Schuss aufs Tor in dieser blockierten ersten Halbzeit.

Berlin, 17.09.2021, Fussball, Bundesliga, 5. Spieltag, Hertha BSC - SpVgg Greuther Fuerth, Olympiastadion. Branimir Hrg

Ein Elfmeter, der die Berliner Blockade löst: Branimir Hrgota trifft für Greuther Fürth.

(Foto: Andreas Gora /imago)

Das Spiel ließe sich anhand der Stadion-Akustik erzählen als Chronik einer sich in arge Enttäuschung verwandelnden Sehnsucht, nun mit ersten Pfiffen. Die Befreiung aus der Blockade kam, folgt man den Worten des Berliner Trainers, durch ein Geschenk an den Gegner, einen Elfmeter.

Dardai hatte die Zögerlichkeit nicht gefallen. Er habe sie in der Halbzeit aufgefordert: "Fangt bitte an, Fußball zu spielen." Eine Anmutung davon war nun zu erkennen. Die Fürther hielten ungerührt dagegen, kombinierten auch nach vorn. Bei einem im Grunde schon geklärten Angriff lief Dudziak dem Herthaner Deyovaisio Zeefuik zwischen die Beine, was einen Elfmeter nach sich zog. Branimir Hrgota verwandelte in der 57. Minute.

Dardai könnte nun auf den Gedanken kommen, solche Geschenke an den Gegner künftig und früher herauszugeben. Danach war die Berliner Blockade weg, was auch daran liegen mag, dass der Trainer sofort reagierte. Den Platz verließen Ishak Belfodil und Kevin-Prince Boateng, der mit seiner sporadischen Eleganz das Spiel oft verlangsamt hatte. Es kamen Davie Selke, ein unbändiger Antreiber, und der Zugang Jurgen Ekkelenkamp aus den Niederlanden, es war sein erster Einsatz. Der 21-Jährige wurde gerade von Ajax Amsterdam verpflichtet und "alles, was der macht, hat Hand und Fuß - der letzte Pass, der vorletzte Pass", so Dardai nach der Partie.

Es bleibt der Eindruck eines zähen Kraftakts

Das galt an diesem Abend auch für Kopfbälle. Vier Minuten nach dem Fürther Elfmeter fand eine Ecke von Marton Dardai ihn komplett ungedeckt, Ekkelenkamp köpfelte präzise ins untere Toreck. Nun kippte die Partie, das Publikum war - so schilderten es beide Trainer - geweckt. Darauf hatten die Leute lange genug gewartet. Herthas plötzlicher Angriffswille wurde wie zwangsläufig belohnt, auch weil nun mit mehr Übersicht gepasst wurde. Nach einer Ecke von Marco Richter kam der Ball aus dem Gewühl zurück zu ihm hinaus. Er flankte scharf vors Tor. Ekkelenkamp warf sich in den Ball, der direkt neben ihm aber den Fürther Maximilian Bauer am Standbein traf und von dort ins Tor trudelte.

Ein Eigentor, gewiss, aber erzwungen hatte es der Zugang aus den Niederlanden. Nun erzählte dieses Spiel eine andere Geschichte. Dardai könnte für seine feine Hand beim Wechseln gelobt werden, auch Richter war neu dabei. Hertha könnte sich über das Potenzial seiner Nachwuchsfußballer freuen, zu denen auch Dardais Sohn und der 17-jährige Linus Gechter zählen, früh für den verletzten Kapitän Dedryck Boyata eingewechselt. Und doch bleibt der Eindruck des zähen Kraftakts, den folgerichtig einige feierten, als wären sie dem Untergang entronnen. Was reichlich früh ist in der gerade erst gestarteten Saison.

Dieser Ausgang musste sich erst recht beklemmend für die Fürther anfühlen, wo der Aufsteiger doch "läuferisch das Maximale rausgeholt" hatte, wie Trainer Leitl sagte. "Sehr, sehr bitter" fand er, dass der enorme Aufwand ohne Belohnung blieb, nach einem Spiel mit beachtlicher Sicherheit, bis sein Team unter dem Druck der Berliner Fehler machte, über die Leitl arg klagte. Eine lange Heimfahrt werde das, sagte er. Es gebe viel zum Nachdenken für sein Team.

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