Hertha BSC:Für einen Sonntag Bayern-Fans

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Wieder versöhnt mit den Fans: Davie Selke (Mitte) und seine Mitspieler bei Hertha BSC. (Foto: Sebastian Räppold/Matthias Koch/Imago/Matthias Koch/Imago)

Hertha versöhnt sich mit den Anhängern, verliert dann 1:2 gegen Mainz 05 - und vergibt einen Matchball im Abstiegskampf. Nun ruhen die Hoffnungen der Berliner auf dem FC Bayern, der sie mit einem Sieg in der ersten Liga halten würde.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die "Alte Dame" liebt den Thrill. An einem frühlingshaften Tag, der mit der Versöhnung mit den eigenen Fans begonnen hatte, vergab Hertha BSC die Chance, sich am eigenen Schopfe aus dem Morast zu ziehen. Vor nahezu 70 000 Zuschauern unterlag der Berliner Fußball-Bundesligist dem 1. FSV Mainz mit 1:2, darf sich aber berechtigte Hoffnung darauf machen, den Klassenverbleib am Sonntag mit fremder Hilfe perfekt zu machen.

Der aktuell auf dem Relegationsplatz befindliche VfB Stuttgart muss nämlich den FC Bayern besuchen; sollten die Schwaben dort nicht punkten, wäre die Hertha gerettet. Sie hat zurzeit vier Punkte Vorsprung auf den VfB. Am kommenden Wochenende muss Stuttgart dann gegen den 1. FC Köln spielen, der noch die Chance auf die Europa League hat. Hertha muss gleichzeitig in Dortmund antreten. Ein Spiel, das Herthas Trainer Felix Magath schon vorab quasi verloren gab. "Keine Ahnung, wie Sie Fußball beurteilen", sagte er auf die Frage, ob er seiner Mannschaft nichts zutraue. "Wir spielen den - was sind die? Tabellenzweiter? Wir sind 15. Und sagen wir mal: Unbesehen von den Namen, die dahinterstehen", sei der BVB eine Mannschaft, "die mehr Spiele gewinnt". Auch auf die Bayern wollte Magath nicht vertrauen. Er sei da bloß "unbeteiligter Zuschauer", habe keinen Einfluss und bereite sich "auf den schlechtesten Fall" und damit auf die Relegation vor. "Jedenfalls bis morgen Abend."

Die Hertha hatte Mühe, die neu erwärmte Liebe der Kurve in Qualität umzusetzen

Die Hoffnungen der Hertha, den Klassenverbleib schon am Samstag aus eigener Kraft zu sichern, erstarben in der 81. Minute der Partie gegen die Mainzer. Nach einem Eckball stieg der Mainzer Stefan Bell im Strafraum hoch und stellte per Kopfball den 2:1-Endstand her. Der eingewechselte Nachwuchsstürmer Luca Wollschläger traf danach mit einem Flachschuss nur noch den Pfosten. Ein Tor von Davie Selke in der Nachspielzeit wurde wegen eines vermeintlichen Foulspiels an Aarón aberkannt. Während Selke sagte, dass Stürmer keine Kopfballtore mehr machen würden, "wenn das Foul war", monierte Magath, dass Selke keine Notwendigkeit hatte, die Arme zur Hilfe zu nehmen.

Noch vor der Partie hatten die Hertha-Profis ihren Ultras unangekündigt ein Friedensangebot unterbreitet, das unter großem Jubel angenommen wurde. Nach dem Aufwärmen waren die Herthaner in die Kurve gelaufen und hatten dort demonstrativ den Schulterschluss geübt. Die Herthaner waren dem radikalsten Teil ihrer Anhänger gram gewesen, weil dieser nach der 1:4-Derby-Pleite gegen Union einen Eklat heraufbeschworen hatte. Danach hatten die Hertha-Profis die Anhänger bei Heim- und Auswärtsspielen mit Missachtung gestraft.

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Der Jubel über die neu erweckte Zuneigung mündete in eine rückhaltlose Unterstützung. Allein: Die Hertha hatte ihre Mühe, die neu erwärmte Liebe der Kurve in eine Währung namens Qualität umzutauschen. Und das bedeutete, dass es nach einem Fehlschuss von Davie Selke (5.) den Mainzern gelang, nach einer Phase der Akklimatisierung Dominanz herzustellen - und durch Silvan Widmer in Führung zu gehen.

Torwart Lotka lässt den Ball unter der Achsel durchrutschen

Widmer musste bei seinem Tor aber Tantiemen an Herthas Torwart Marcel Lotka zahlen. Lotka, der in den zurückliegenden Wochen der Hertha ein beständiger Rückhalt gewesen war, hatte Widmers Schuss am kurzen Pfosten unter der Achsel durchrutschen lassen wie ein Stück Seife. Rund zehn Minuten später erkannte Schiedsrichter Patrick Ittrich das mögliche 2:0 der Mainzer ab. Leandro Barreiro stand im Sichtfeld von Lotka, als Anton Stach aus gut 25 Metern abgezogen hatte.

Das ermöglichte, dass ein Foulspiel von Moussa Niakhaté in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit die Hertha wieder in die Spur brachte. Bei einem Eckball war der Franzose dem Kapitän der Hertha, Dedryck Boyata, in die Achillesferse gelaufen - just als der Belgier zum Kopfball ansetzen wollte. Der Videoschiedsrichter schickte Ittrich an den Bildschirm, und der erkannte nach Ansicht der Aufzeichnung, dass ihm gar nichts anderes übrig, als auf Strafstoß zu entscheiden. Mainz-Trainer Bo Svensson ärgerte sich dennoch - und sah dafür seine siebte gelbe Karte der Saison.

Das interessierte Davie Selke alles nur am Rande: Er verwandelte den Elfmeter sicher zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Kurz nach der Pause - und nachdem Niakhaté fast ein Eigentor fabriziert hätte - landete der Ball wieder im Netz der Berliner, diesmal bei einer Aktion von Karim Onisiwo, doch wieder wurde der Treffer aberkannt. Er hatte sich den Ball mit dem Arm zurechtgelegt. Der Rest der Partie war - abzüglich einer grandiosen Parade von Lotka nach einem Kopfball von Widmer - eine überaus zähe Affäre. Und für die Hertha heißt es nun, für einen Sonntag Bayern-Fans zu sein. "Natürlich werden wir den Bayern die Daumen drücken. Das ist normal", sagte Manager Fredi Bobic. Aber: "Es ist Bundesliga, es ist Endphase. Die verrücktesten Sachen passieren. Es ist nichts vorauszusehen." Prince Boateng hingegen sagte, er hätte den Klassenverbleib gern selbst geregelt. Aber Hoffnung hat er im Gegensatz zu seinem Trainer schon. Die Partie gegen Stuttgart müsse für die Bayern auch eine Frage von "Ehre und Stolz" sein.

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