Dortmunder Sieg in Berlin:Das Ganzkörper-Merci des Anthony Modeste

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Trainer und Torjäger: Terzic freut sich mit Modeste. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Der BVB vergibt bei Hertha BSC enorm viele Chancen - rettet aber den Vorsprung über die Zeit. Der Torschütze bedankt sich bei seinem Trainer auf spezielle Art.

Von Javier Cáceres, Berlin

Gregor Kobel und Marco Richter sind gut miteinander bekannt, der Torwart von Borussia Dortmund und der Stürmer von Hertha BSC teilen eine gemeinsame Vergangenheit beim FC Augsburg. Und so lag also ausschließlich Sympathie in der Berliner Luft, als ihre Blicke sich rund zehn Minuten vor Schluss der Partie trafen, die Borussia Dortmund bei der Hertha mit 1:0 gewinnen sollte.

Richter war eingewechselt worden - zum ersten Mal nach seiner Hodenkrebsoperation - und hätte in dieser 79. Minute fast die Geschichte des Spieltags geschrieben. Er zog aus 17 Metern ab, ließ mit dem Ball das Gestänge und das Netz erzittern, doch es war nun mal kein Tor, weil das Geschoss nur die Querlatte traf und wieder wegprallte. Was mit bloßem Auge kaum zu erkennen war, hatte Richter selbst gesehen: Dass Kobel die Wucht des Geschosses ein wenig abgemildert hatte. Der Zerberus der Dortmunder hatte die Hand noch leicht an den Ball bekommen. Als sich Kobel wieder aufgerichtet hatte, schaute er zu Richter und zwinkerte ihm zu.

Perfekter Absprung, perfekt getroffen: Anthony Modeste (links) trifft in der 32. Minute per Kopfball zum 1:0 für Borussia Dortmund. (Foto: O. Behrendt/Contrast/Imago)

Für Dortmund war diese Aktion Kobels ein Segen und auch eine Erinnerung daran, dass eine Woche nach dem Kollaps in der Partie gegen Werder Bremen (2:3 nach 2:0-Führung in der 89. Minute) nicht alles im Lot ist. In der Spielstatistik waren 24 Torschüsse der Dortmunder verzeichnet, allein der Mittelfeldspieler Jude Bellingham hätte in der zweiten Halbzeit drei, vier Treffer erzielen müssen oder zumindest können, aber am Ende war es eben auch Kobel zu danken, dass die Dortmunder ihre bisherige Saisonbilanz auf neun Punkte aus vier Spielen ausbauen konnten.

Modeste erklärt seine Jubel-Aktion: "Der Trainer hat gemerkt, dass ich in letzter Zeit so viel auf den Deckel bekommen habe."

"Selbst wenn wir heute drei Tore geschossen hätten, so hätten wir noch über eine nicht so gute Chancenverwertung gesprochen", sagte Terzic, doch er klang, wegen des Dreiers auf Berliner Boden, dann doch eher vergnügt. Denn auf einen Stürmer war Verlass gewesen: auf Anthony Modeste, 32.

Der französische Stürmer, der seinen Wechsel aus Köln zum BVB nach dem ersten Spieltag perfekt gemacht hatte, erzielte in der 32. Minute seinen ersten Treffer im Dortmunder Dress, und er tat es nach Art des Hauses, zeigte "qualité dans le style de la maison", wie man in seiner Heimat sagen würde. Er wuchtete eine Flanke, in diesem Fall vom brillanten Ex-Kölner Sihan Özcan von der rechten Seite, per Kopf ins Berliner Tor.

Danach war Modeste so schnell wie wohl in den letzten zehn Jahren nicht mehr: Er wollte Trainer Edin Terzic danken und sprintete geschwind wie Jesse Owens - nur eben nicht auf der Leichtathletikbahn, sondern quer über den Platz, zur Ersatzbank und schloss den Coach in die Arme. "Der Trainer hat gemerkt, dass ich in letzter Zeit so viel auf den Deckel bekommen habe. Er war immer hinter mir, hat mich immer unterstützt", erklärte Modeste zu seinem Ganzkörper-Merci. Und Terzic? Fürchtete, als Modeste auf ihn zustürmte, er könne ihn zum Tanz bitten, das hatte er bei einem anderen Trainer schon mal gemacht: "Das hat er heute Gottseidank bleiben lassen."

Der Druck, den Modeste verspürte, war in den Minuten vor dem Treffer wohl noch einmal angewachsen. Nachdem Julian Brand und Salih Özcan (mit einem Pfostentreffer) knapp gescheitert waren, hatte Modeste ebenfalls zwei verpassten Gelegenheiten nachtrauern müssen. Einmal parierte Herthas Torwart Oliver Christensen, beim zweiten Mal legte er den Ball neben das Tor. Doch wenn ihn eine Flanke erreicht - und die Dortmunder taten viel, um ihm Luftkämpfe zu ermöglichen -, ist Modeste wohl einer der besten Stürmer der Bundesliga.

BVB-Trainer Edin Terzic weiß: Es geht jetzt auch darum, mit den Kräften hauszuhalten

Dass Hertha auch nach der Pause von einem oder gar mehr Punkten träumen konnte, lag weniger daran, dass die Partie "ein bisschen wild" wurde, wie Terzic und auch Herthas Trainer Sandro Schwarz monierten. Sondern vor allem daran, dass Adeyemi und vor allem Bellingham feinste Gelegenheiten ausließen. Ein zweites oder gar drittes Tor wäre ihm nur gelegen gewesen, sagte Terzic, 42, um mit Blick auf die anstehenden "Englischen Wochen" (sechs Champions-League-Begegnungen in neun Wochen) mit den Kräften hauszuhalten. "Es geht darum, Energie zu sparen."

Aber es reichte auch so, auch und vor allem wegen Kobel, der nicht nur beim Lattenschuss von Richter, sondern zuvor schon bei einer Chance des eingewechselten Stevan Jovetic (68.) seine Finger im Spiel hatte. Es blieb dennoch eine Grundzufriedenheit bei den Dortmundern. "Es war definitiv wichtig, eine Leitungssteigerung zu zeigen gegenüber dem, was wir letzte Woche abgeliefert haben. Das ist uns gelungen", erklärte Terzic, der die Spieler vor der Partie noch daran erinnert hatte, wie verärgert sie nach dem 2:3 gegen Werder ins Bett gegangen waren.

Kollege Schwarz wiederum wartet nach vier Spielen in der Bundesliga und dem Pokal-Aus noch immer auf den ersten Pflichtspielsieg. Und dennoch gab es einen Moment der Freude: Die Rückkehr Richters nach der Operation, die Herthas Kabine mit Zuversicht füllt. Auch wenn die Ergebnisse noch nicht stimmen.

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