Süddeutsche Zeitung

Arne Friedrich bei Hertha BSC:Der Performance Manager steigt auf

Der von Jürgen Klinsmann geholte Arne Friedrich wird Sportdirektor in Berlin. Eine Entmachtung von Geschäftsführer Preetz? Das dementiert Friedrich vehement.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es ist Sommer in Berlin, die Straßen und Bars werden leerer, weil die Zahl der (Party-)Touristen noch lange nicht an jene der Vergangenheit heranreicht, viele Einheimische aber trotzdem wegwollen. Und auch Arne Friedrich, 41, beschleicht Fernweh. Er wird, so erzählte er es am Montag in einer virtuellen Medienrunde, schon bald für ein paar Tage im Auto nach Frankreich aufbrechen, aufs Meer schauen und - auch wenn er "auf Abruf bereit" sein wird, um seinem neuen Job Genüge zu tun - versuchen abzuschalten. Sein neuer Job? Seit Sonntag: Sportdirektor bei Hertha BSC. Nach einer Zeit, die er als "unfassbar herausfordernd" verbucht hat.

Zu Recht. Im Grunde reicht es, die Schlagworte der letzten Monate zu nennen, um das Spannungsfeld zu erahnen, in dem sich der frühere Hertha-Profi und Nationalspieler Friedrich bewegt hat. Als Jürgen Klinsmann im November im Abstiegskampf den Trainerposten übernahm, rekrutierte er Friedrich als Performance Manager und übertrug ihm damit ein Amt, von dem man nicht auf Anhieb wissen musste, was es bedeuten sollte. Außer: dass er, wie als Sportdirektor jetzt auch, ein Bindeglied zwischen Trainerteam und Mannschaft sein sollte.

Nur: Als Klinsmann im Januar überraschend stiften ging, wurde das berühmte Tagebuch publik, in dem der frühere Nationaltrainer überaus viele Hertha-Profis und auch die Führungsriege abqualifizierte. Dass auch Monate später noch, als Klinsmann in der Corona-Krise nahezu in Vergessenheit geraten war, ein Mitglied der Geschäftsleitung namens Paul Keuter verbal nachkeulte ("Egowahn"), zeigte vor allem, wie tief die Wunden waren, die Klinsmann gerissen hatte. Und erinnerte noch einmal daran, dass Friedrich zwischen den Stühlen saß: Hier Klinsmann, der von Investor Lars Windhorst installiert worden war und dann Friedrich aus den USA nach Berlin gelotst hatte; dort Friedrichs bisheriger Berater und Hertha-Funktionär Keuter, der jetzt aber, wie Friedrich betonte, keine Rolle bei der Aushandlung des neuen Vertrags hatte und der Friedrichs Interessen "derzeit nicht mehr" betreue.

Wie er jene Zeit erlebte, blieb am Montag im Nebulösen. Es habe Situationen gegeben, in denen er "Einfluss genommen" habe, sagte Friedrich lediglich. Fakt ist: Er ist noch immer da und unterzeichnete einen Beförderungsvertrag. Mit Michael Preetz, dem Sport-Geschäftsführer.

Es sind auch diese Vorgeschichten, die erklären, warum Friedrich direkt gefragt wurde, ob seine Personalie als eine "Entmachtung" von Preetz interpretiert werden müsse. Was Friedrich sehr nachdrücklich dementierte: "Die Rollenverteilung ist ganz klar. Es gibt eine erste Ebene, das ist der Geschäftsführer Sport, das ist Michael Preetz", sagte Friedrich, "er ist mein Vorgesetzter." Überhaupt: Auch wenn ihm kein einziges Wort über die Lippen kam, das als Illoyalität gegenüber Klinsmann hätte ausgelegt werden können, so betonte er eben doch, dass ihn die Verbundenheit zur Hertha nach Berlin getrieben habe; dort hatte er acht Jahre lang als Profi gespielt (2002 bis 2010), dort war er Nationalspieler und zweimaliger WM-Teilnehmer geworden (2006, 2010).

Der Kontakt zu Hertha sei nie abgebrochen; wenn er in Berlin war, sei er bei den Heimspielen im Olympiastadion gewesen, vom Präsidenten Werner Gegenbauer, von Preetz und von Keuter seien "immer wieder Signale" gekommen, dass man ihn gerne für eine Tätigkeit bei Hertha gewinnen wollte, sagte Friedrich. Als Klinsmann rief, war "Hertha in einer ziemlich prekären Situation", er habe dazu beitragen wollen, dass sich der Klub rettet. Es gelang: Die Hertha beschloss die Saison als Tabellenzehnter; aufgrund des Torverhältnisses vor dem Neuling aus der östlichen Nachbarschaft, dem punktgleichen 1. FC Union.

Und dennoch: Eine solche Mittelfeld-Platzierung passt nicht zu den Ambitionen, die der Verein seit dem Einstieg von Windhorst leben soll; der Investor hatte vergangenes Jahr die Hälfte der Profiabteilung für 224 Millionen Euro gekauft. Im Januar wurde Hertha Transferweltmeister, was nur unterstrich, dass Windhorst es ernst damit meinte, Hertha zum "Big City Club" zu machen. "Wir alle sind ambitioniert", sagte Friedrich. Großspurige Worte à la Klinsmann ("spannendestes Fußballprojekt Europas") umschiffte Friedrich am Montag, als seien sie Torpedos. "Wir wollen im nächsten Jahr in ruhigere Fahrwasser, daran arbeiten wir", erklärte er. Man freue sich, dass "wir diese Saison zurücklassen und bei null beginnen können".

Dabei soll er, und das ist eben neu, nicht nur das famose Bindeglied zwischen Kabine und Geschäftsführung sein. Er ist "in Absprache mit dem Geschäftsführer mitverantwortlich für die sportliche Planung und die Kaderplanung, für strategische Themenfelder, die aufkommen, und auch für das Personal-Management". Wobei die Hertha in der vergleichsweise kommoden Situation ist, dass sie durch die Wintertransfers (Ascacíbar, Cunha, Piatek, Tousart) schon personelle Aufrüstung betrieben hat und auf frisches Windhorst-Geld zählen kann. Zu Personalien äußerte er sich nicht konkret, nicht einmal zu einer möglichen Weiterbeschäftigung von Kapitän Vedad Ibisevic. Nur so viel: "Wir kaufen nicht um des Kaufens willen, wir wollen Qualität", sagte Friedrich - ganz im Geiste dessen, was Trainer Bruno Labbadia erklärt hat - den Friedrich lange kennt und schon als Profi schätzte. Mit Labbadia spielte er in seinem ersten Profijahr bei Arminia Bielefeld zusammen. In der kommenden Saison wird Friedrich, wie schon zuletzt, bei den Spielen neben dem ehemaligen Kollegen Labbadia Platz nehmen. "Ich werde auf jeden Fall auf die Bank gehen", sagte Friedrich.

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SZ vom 30.06.2020/tbr
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