Bundesliga: Hannover - FC Bayern:Der letzte Kampf des Generals?

Bayern verliert in Hannover 1:3 und Rummenigge spricht vom "absoluten Tiefpunkt der Saison". Coach van Gaal kann dem Team keine Impulse geben - nach der dritten Pleite in Serie könnte seine Trainerzeit in München bald Geschichte sein.

S. Gierke

Die Fotographen stürzten sich vor dem Spiel auf Louis van Gaal, als wollten sie die vermeintlich letzte Chance nutzen, den Trainer des FC Bayern in der Pose des Generals ablichten zu können: Mit vorgerecktem Kinn, Selbstbewusstsein ausstrahlend, ruhig das Spielfeld überblickend, das gleich zum Schlachtfeld werden würde, auf dem es um seinen Kopf geht.

Hannover 96 - FC Bayern Muenchen

Wie gehts es weiter? Louis van Gaal war nach dem 1:3 in Hannover ratlos.

(Foto: dapd)

Die Titelverteidigung in der Meisterschaft ist für die Bayern nicht mehr möglich, genausowenig die im Pokal. Gegen Hannover 96, den Emporkömmling aus einer bislang eher grauen Fußballstadt, musste der ruhmreiche FC Bayern das größtmögliche Desaster abwenden: das Verpassen der Champions-League-Qualifikation. Es ging in Hannover um Platz zwei, mindestens um Rang drei. Allein das: eine Schande.

Doch es kam noch viel schlimmer, die Reise nach Niedersachsen wurde zur kaum mehr wiedergutzumachenden Blamage. Die Bayern verloren verdient mit 1:3 und müssen mit fünf Punkten Rückstand auf Hannover und jetzt sieben auf Leverkusen mehr denn je um die Champions League bangen. Für Louis van Gaal war es vielleicht das letzte Spiel als Bayern-Trainer. "Innerhalb von zehn Tagen haben wir so viel weggegeben und dann wird der Druck von außen natürlich hoch und das fühlen auch diese Spieler", versuchte van Gaal die schwache Leistung seines Teams zu erklären. "Und nach dem ersten Tor für Hannover wurde er noch größer." Der Druck auf ihn, der könnte jetzt zu groß werden.

Gleich nach dem Spiel waren Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß in die Kabine geeilt. Rückendeckung erhielt van Gaal von beiden nicht. Rummenigge sagte: "Ich bin angeschlagen. Das war der absolute Tiefpunkt der Saison." Auf van Gaal angesprochen schob der Vorstandsvorsitzende nach: "So etwas sollte man nicht aus der Emotion heraus, sondern nur rational entscheiden." Und: "Wir sind alle lange genug dabei, dass wir wissen, dass wir nach so einem Spiel eine Nacht nachdenken müssen. Schlafen wird wahrscheinlich keiner können." Präsident Uli Hoeneß gab nur einen vielsagenden Satz von sich: "Man muss handeln und nicht reden." Rückendeckung ghört sich anders an.

Es war eine typische Bayern-Niederlage. Welch eine Feststellung, wenn man sie mit absoluter Berechtigung in Zusammenhang mit dem berühmten Münchner Fußballverein tätigen muss! Wann war solch ein Satz schon einmal so unumstößlich wahr wie im Moment?

Der FC Bayern übernahm in Hannover von Beginn an die Kontrolle über den Ball - und damit das Spiel. Wie immer. Doch sie konnten daraus keinen Profit schlagen. Wie immer, in den vergangenen Spielen. In einer für den Verein extrem gefährlichen Situation, in einer Situation, in der der Trainer vor dem Aus steht und die Saison vom Totalschaden bedroht ist, sah es über weite Strecken der ersten Halbzeit aus, als müssten die Bayern sich einer eher lästigen Pflichtaufgabe entledigen und nicht ein Entscheidungsspiel bestreiten.

Ohne den gelbgesperrten, ohnehin formschwachen Bastian Schweinsteiger und den kranken Luiz Gustavo spielten sie hintenrum und nochmal hintenrum und dann: hintenrum. Irgendwann kam der Ball dann zu Franck Ribéry, der sich am ersten Gegenspieler festlief oder zu Arjen Robben, der sich am zweiten Gegenspieler festlief.

Auch Toni Kroos, der mit Danijel Pranjic im Mittelfeld ran durfte, hatte keine zündende Idee. Von Holger Badstuber, dem zweiten Neuen im Team, der auf der linken Abwehrseite verteidigte, erwartet man die sowieso nicht. Und die Hannoveraner hatten von Dortmund und Schalke gelernt. Sie griffen die Bayern zwar erst in der eigenen Hälfte an, doch dann aggressiv. Angeführt vom überragenden Sergio Pinto gewannen sie in der ersten Hälfte 75 Prozent der Zweikämpfe. Schon in der 11. Minute hatte Hannover eine große Chance, als der in München gescheiterte Jan Schlaudraff auf Konstantin Rausch flankte und der, von Breno und Anatolij Timoschtschuk allein gelassen, den Ball knapp am Tor vorbeischob.

Doch es dauerte nicht lange, und die schnell umschaltenden Hannoveraner gingen tatsächlich in Führung. Nach einem vermeidbaren Ballverlust von Pranijc im Mittelfeld sah sich Rausch auf der linken Seite dem Ball aber keinem Abwehrspieler gegenüber und nutzte das zu einer perfekten Flanke auf Mohammed Abdellaoue. Technisch ausgereift und von Breno und Anatolij Timoschtschuk allein gelassen, drosch der den Ball per Dropkick aus acht Metern unter die Latte.

In der grauen Fußballstadt Hannover wurde Uli Hoeneß auf der Tribüne von der grellgelben Sonne geblendet: Wieder ein Rückstand und wieder ließen die Münchner in der Folge Kreativität und Durchschlagskraft vermissen.

Doppelwechsel zur Halbzeit

Van Gaal saß mit unbewegter Miene auf der Bank. Zur Halbzeit wechselte er doppelt. "Ich habe versucht, der Mannschaft Schwung zu geben", sagte van Gaal. Er nahm Badstuber und Timoschtschuk vom Platz, beorderte Daniel Van Buyten zu Breno in die Innenverteidigung, Pranijc ging auf die linke Abwehrseite und Andreas Ottl, nicht gerade die schillerndste Offensivkraft im deutschen Fußball, sollte Akzente nach vorne setzen.

Den nächsten Akzent setzte Mario Gomez. Der Stürmer traf - ins eigene Tor (51. Minute). Im gegnerischen Strafraum bis dahin kaum in Erscheinung getreten, fälschte er im eigenen einen Schuss des starken Rausch unglücklich ab. Hoeneß, jetzt ganz im Schatten, ließ seine Kieferknochen fast schon gewalttätig arbeiten.

Über zehn Jahre war es bis zu diesem Nachmittag her, dass die Bayern drei Pflichtspiele in Folge verloren hatten. Und die Münchner stemmten sich gegen die fast schon historisch zu nennende Niederlage, reagierten mit wütenden Attacken und wurden drei Minuten später belohnt: Nach einigem Gestochere im Strafraum setzte sich Ribéry auf der linken Seite durch, flankte hoch nach innen, Gomez verpasste, doch am langen Pfosten brauchte Robben nur noch den Kopf hinzuhalten.

Das Spiel gewann jetzt an Tempo, Robben kam besser ins Spiel und bei Hannover ging die defensive Ordnung etwas verloren. Doch bei den Bayern war diese Ordnung nie vorhanden: Robben ließ sich von Pinto den Ball abluchsen, der spazierte durch´s Mittelfeld, zog aus 20 Metern ab. Thomas Kraft versuchte den an sich harmlosen Schuss zu fangen, ließ ihn jedoch durch die Hände gleiten und der Ball plumpste hinter ihm ins Tor.

Dieser grausame Torwartfehler war die angemessene Pointe für ein aus Bayern-Sicht grausam bitteres Spiel, das das letzte für Louis van Gaal als Bayerntrainer gewesen sein könnte. Er versuchte zwar nochmal alles, beorderte van Buyten in den Sturm und ließ Ottl mit Breno verteidigen, doch trotz leidenschaftlichem Kampf und einigen guten Chancen, gelang den Bayern kein Treffer mehr.

Als Breno dann kurz vor Schluss nach einer eher harmlosen Aktion mit Rot vom Platz musste, erhob sich van Gaal noch einmal von der Bank. Das Kinn nach vorne gereckt, doch der Blick auf das Schlachtfeld schon verzweifelt. Trainerfotos in der Pose eines Generals - sie könnten in München schon bald Seltenheitswert haben.

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