Bundesliga: Hamburger SV:Wilde Entschlossenheit

Der Hamburger SV präsentiert sich in erstaunlicher Frühform, bereichert sein Aufgebot um Stürmer Marcus Berg und stichelt gegen die Bayern.

Philipp Selldorf

Auf das geschlossene Stadiondach donnerte ohrenbetäubend der 97. schwere Regenschauer, der Gelsenkirchen an diesem Sommersonntag heimsuchte, aber die Hamburger Fußballer unten auf dem Rasen störte der bedrohliche Krach nicht. Womöglich war der Lärm sogar ein Ansporn: Das Prasseln hörte sich ja fast wie Applaus an, und da zum Finale des sogenannten Blitzturniers in der Schalke-Arena nur noch eine Minderheit der ursprünglich 38000 Besucher verblieben war (vermutlich aus Angst, nass zu werden), mussten sich die Spieler des Hamburger SV den Beifall, den sie für ihre Vorstellung verdient hatten, eben hinzudenken. 3:0 besiegte der HSV den Finalgegner VfBStuttgart, wobei es fairerweise heißen müsste: 3:0 besiegte die eine die andere Reservemannschaft.

Bundesliga: Hamburger SV: Stürmt ab sofort für den Hamburger SV: Marcus Berg.

Stürmt ab sofort für den Hamburger SV: Marcus Berg.

(Foto: Foto: dpa)

Euphorische Schlussfolgerungen, die sich aus dem Erfolg bei einem so prominent besetzten Turnier, erst recht nach einem imponierenden "Halbfinal"-Sieg gegen Bayern München, im Publikum zwangsläufig ergeben, wurden von Bruno Labbadia ebenso zwangsläufig zurückgewiesen. Der neue Hamburger Trainer verbat sich Hochrechnungen für den nahenden Saisonstart: "Keiner kann einschätzen, wo er ist, wir sind alle noch am Anfang der Vorbereitung", sagte er und sprach damit für sich und die übrigen Trainer.

Und trotzdem wollte er nicht leugnen, dass ihm gut gefallen hatte, was er in den vergangenen beiden Tagen zu sehen bekam: "Wir haben das Optimale aus dem Turnier gemacht. Ich denke, der Sieg tut dem Selbstvertrauen der Mannschaft gut", meinte er. In Gelsenkirchen wirkte die Mannschaft allerdings nicht so, als ob sie das nötig hätte. Über den FCBayern waren die Hamburger mit einer so wilden Entschlossenheit hergefallen, als ob sie von den Wettbüros unbedingt als ersten Anwärter auf den Titelgewinn gehandelt werden wollten.

Auch auf das Selbstvertrauen der Klubführung dürfte der, wenn auch winzig kleine, Titelgewinn nach den unruhigen Wochen, die auf die Trennung von Sportchef Dietmar Beiersdorfer folgten, wohltuende Wirkung haben, zumal da sie am nächsten Tag der Fangemeinde ihre neueste Erwerbung vorstellen konnten, den schwedischen Angreifer Marcus Berg. Der 20-jährige Stürmer, mit sieben Treffern der erfolgreichste Schütze bei der U21-Europameisterschaft vor drei Wochen und nach dem Urteil der amtlichen Jury auch der beste Spieler des Turniers, setzt einen neuen Maßstab in Hamburg.

Zehn Millionen Euro Ablöse bezahlt der HSV, so viel, wie für keinen Spieler zuvor, bisher war Marcell Jansen der teuerste gewesen. Dafür hat man den Vertrag gleich mal für die Ewigkeit von fünf Jahren geschlossen. Klubchef Bernd Hoffmann hatte mit Bergs bisherigem Arbeitgeber FC Groningen hart verhandeln müssen, um den Preis für den sprunghaft zu Prominenz gelangten Angreifer zu drücken. Vor zwei Jahren wäre Berg etwas günstiger gewesen: Damals, er spielte noch in Göteborg, kostete er bloß 3,4 Millionen Euro.

Diese Zahlenspiele werden dem Trainer einerlei sein. Ihn freut, dass sich in seiner Mannschaft eine wesentliche Lücke schließt, einen richtigen Strafraumstürmer hat man dort bisher vermisst. Labbadia kann in seinem Kader hohen Konkurrenzdruck erzeugen und eine Elf auf den Platz schicken, die Variationen zulässt und für fast alle Bedürfnisse ausgestattet ist, nur die Rolle des klassischen Spielmachers bleibt unausgefüllt, diese Aufgabe fällt dem aus München zugereisten Zé Roberto zu, der von seinen neuen Mitspielern hochachtungsvoll begrüßt wurde wie ein Nobelpreisträger.

Vergebliche Hoffnungen auf van der Vaart

Piotr Trochowski wagte sogar die Aussage, der FC Bayern habe "einen dummen Irrtum" begangen, den 35-jährigen Brasilianer ziehen zu lassen - und dessen Kurz-Vorstellung am Samstag lässt Trochowskis Äußerung nicht unverfroren erscheinen. Mit einem derart inspirierten Zé Roberto erübrigt sich wohl auch die Sehnsucht nach Rafael van der Vaart. Die Hoffnung auf die Rückkehr der niederländischen Nummer 10, bei Real Madrid überzählig, lässt sich mangels Geld nicht verwirklichen. Dass van der Vaart erst spät und recht opportunistisch auf Hamburger Signale reagierte, dämpft möglicherweise den Trennungsschmerz. Stattdessen wird nun bloß noch ein Mann für die Abwehrzentrale gesucht.

Dieser Mann wird wohl nur eine Ersatzlösung sein, denn bei der U21-EM ist den Hamburger Spähern außer dem Torjäger Berg auch ein idealer Innenverteidiger über den Weg gelaufen. Günstig daran war, dass dieser Jerome Boateng schon beim HSV unter Vertrag steht. Unter der Regie von Martin Jol war er in der Vorsaison jedoch nur sporadisch zum Einsatz gekommen, meistens musste er dann auf den Außenpositionen in Abwehr und Mittelfeld aushelfen. Neuerdings bildet er neben Joris Mathijsen den Mittelpunkt der Abwehr. "Mit Jerome in der Mitte fühle ich mich total sicher", versicherte Mathijsen am Wochenende. Gut, wenn man solche Reserven schon im Bestand hat.

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