Bundesliga: Hamburger SV:Der HSV wird durchgeschüttelt

Hamburger Theater, nächstes Kapitel: Nach der vom Aufsichtsrat verweigerten Vertragsverlängerung für den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann muss sich der Bundesligist völlig neu organisieren.

Jörg Marwedel

Vielleicht hat Bernd Hoffmann gedacht, ein schwarz-weiß-blauer Schal könnte ihn retten. So ein Halstuch ist ja oft Zeichen für emotionale Nähe zu einem Verein. Der Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß, führt das immer so schön vor, und jeder nimmt ihm diese durch einen rot-weißen FCB-Schal dokumentierte Liebe ab.

Mitgliederversammlung des Hamburger SV

Am Ende: Der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV, Bernd Hoffmann.

(Foto: dapd)

Als der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV sich in den Fan-Fummel warf beim Heimspiel gegen Mainz 05, war es zu spät. Es gibt zu viele Menschen in Hamburg, die dem 48-Jährigen die große Liebe absprechen zu dem Klub, den sie Dino der Bundesliga nennen, weil er der einzige ist, der bislang in allen 48 Spielzeiten dabei war. Und was noch schlimmer ist: Besonders viele davon sitzen im Aufsichtsrat des HSV.

Als der Betriebswirtschaftler Hoffmann am Sonntagabend das verdiente 2:4 des HSV gegen ein Team erlebte, das so locker aufspielte, als sei diese Partie nur das Vorspiel zum Rosenmontag in der Mainzer Innenstadt, wusste er noch nicht, was das Kontrollgremium kurz zuvor im Hause des früheren Präsidenten und jetzigen Aufsehers Jürgen Hunke beschlossen hatte und ihm erst nach dem Schlusspfiff in seinem Büro mitteilte: Die Ära von Bernd Hoffmann und seiner Stellvertreterin Katja Kraus wird spätestens am 31. Dezember 2011 mit Auslaufen ihrer Verträge enden. Es endet damit ein mehr als achtjähriger Abschnitt, in dem der HSV viele Erwartungen weckte, aber zu wenige davon erfüllte.

Zwar gab es bei der Abstimmung des zwölfköpfigen Kreises ein 7:5-Votum für eine einjährige Verlängerung der Kontrakte mit Hoffmann und Kraus. Es war aber exakt eine Stimme zu wenig, denn gebraucht wird laut Satzung eine Zweidrittel-Mehrheit. Diese Wahl war der letzte Versuch, die zerstrittenen Räte auf einen Kompromiss einzustimmen und dem Duo Hoffmann/Kraus das Gefühl zu geben, noch eine Chance zu erhalten.

Doch Teile des Gremiums, das angeblich schweigen wollte, bis es Entscheidungen getroffen habe, hoben diesen Vorsatz schon vorm Wochenende wieder auf und setzten die, so der frühere HSV-Manager Günter Netzer, "unwürdige" Auseinandersetzung über die Vorstandsfrage öffentlich fort.

Es kam heraus, dass man mit Björn Gulden, 45, Geschäftsführender Direktor der Schuhkette Deichmann und in den achtziger Jahren in der zweiten Liga für den 1. FC Nürnberg aktiv, verhandelt hatte. Der Norweger Gulden, der über eine Headhunter-Firma entdeckt wurde, könne das Amt aber wegen seines Vertrages bei Deichmann erst 2012 antreten. Auch die Kontakte zu Joachim Hilke (der als Vertreter des Vermarktungspartners Ufa Sports schon mal im HSV-Vorstand saß) wurden vorher bekannt, ebenso wie der angebliche Versuch des Rates Jörg Debatin, Hoffmann vom Rücktritt zu überzeugen.

Hoffmann im Ski-Urlaub

Das jetzige Votum könnte für den Klub noch größeren Schaden anrichten als die etlichen missratenen Sportcheffahndungen á la Roman Grill, Urs Siegenthaler oder unlängst Matthias Sammer. Es könnte den Klub quasi führungslos machen. Sei es, weil sich Hoffmann vielleicht doch nicht "durchschüttelt und die Aufgabe hier hochprofessionell weiter erledigt", wie es sich der gern vollmundige neue Aufsichtsratschef Ernst-Otto Rieckhoff vorstellt.

Es ist nicht auszuschließen, dass Hoffmann seinen internen Kritikern, die ihn am Wochenende durch die Manege gezerrt hatten wie einen schlachtreifen Esel, den Bettel vor die Füße wirft und bald aufhört. Es ergibt ja wenig Sinn, wenn er die Ära seines Nachfolgers vorbereitet und mit dem von ihm empfohlenen neuen Sportchef, dem Dänen Frank Arnesen, einen Trainer verpflichtet - und für die neu aufzustellende Elf diverse Profis anheuert.

Nach den Erfahrungen mit diesem Aufsichtsrat ist es ja nicht auszuschließen, dass Gulden oder Hilke ebenso wenig unterschreiben werden wie kürzlich Sammer. Und sogar, dass Arnesen seinen Job trotz schriftlicher Zusage unter den neuen Vorzeichen lieber nicht antritt.

Mit einem vorzeitigen Verzicht Hoffmanns hat man sich im Gremium schon auseinandergesetzt. Man hatte den 79 Jahre alten früheren Aufsichtsratschef Udo Bandow gefragt, ob er kommissarischer Vorsitzender werden wolle. Auch Rieckhoff, früher mal Schatzmeister, gilt nach Bandows Absage als Kandidat, was aber auch keine bessere Lösung wäre bei den anstehenden Aufgaben, einen völlig neuen HSV aufzustellen.

Was zu Hoffmanns Fall geführt hat, ist zum Teil nachvollziehbar. Seine Menschenführung und die interne Kommunikation waren offenbar so verbesserungswürdig wie die vieler neoliberaler Chefs. Dass er lange nicht auf die Bedenken der Mitglieder hören wollte, die mehr als skeptisch waren gegenüber einem Investoren-Modell wie mit dem Milliardär Klaus-Michael Kühne, hat ihm ebenso schwer geschadet wie der nicht eingelöste Wunsch nach Titeln.

Dass er Berühmtheiten wie Rafael van der Vaart oder Ruud van Nistelrooy verpflichtete, den Etat von 66 auf 146 Millionen Euro trieb und das Team fast immer im Europacup spielte, war den Hamburgern nicht mehr genug. Seit der von ihm betriebenen Trennung von Sportchef Dietmar Beiersdorfer 2009 hat er auch sportlich zu viele falsche Entscheidungen getroffen. Nun ist er erst mal im Ski-Urlaub. Abwarten, ob er danach noch mal weitermacht.

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