Borussia Mönchengladbach:"So geht es einfach nicht weiter!"

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Ist die Trennung bereits beschlossene Sache? Mönchengladbachs Trainer Daniel Farke. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

In Gladbach verdichtet sich das Gerücht, Trainer Farke müsse gehen. Ist der Coach wirklich schuld, dass der Mannschaft Tempo, Wille und Kampfkraft fehlen? Führungsspieler Kramer stellt eine Gegenthese auf.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Nächsten Samstag beendet der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach mit einem Heimspiel gegen den FC Augsburg seine schlechteste Saison seit zwölf Jahren. Zudem geht es im vierten Jahr nacheinander abwärts, daran konnte auch das spät errungene 2:2-Unentschieden am Sonntagabend im Derby bei Bayer Leverkusen nichts ändern. Die beiden Treffer durch Jonas Hofmann und Lars Stindl waren Geschenke der Gastgeber, sonst hätte Gladbach mal wieder verloren. Der Borussia gelang in der gesamten Saison ein einziger Auswärtssieg.

Im statistischen Liga-Vergleich ist Gladbach Letzter bei gewonnenen Zweikämpfen, Vorletzter bei gewonnenen Kopfballduellen, Letzter bei intensiven Läufen, Vorletzter bei Sprints und Viertletzter bei gelaufenen Kilometern. Diese Mannschaft ist schlecht in allem, was mit Tempo, Willen und Kampf zu tun hat. Und es stellt sich die Frage, wie sehr man dies ihrem Trainer Daniel Farke ankreiden muss.

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Gladbach war in diesen Statistiken zuletzt immer mau, auch in der Rückrunde 2021 unter Trainer Marco Rose, in der Vorsaison unter Adi Hütter - und jetzt unter Farke. Der mannschaftliche Meinungs- und Sprachführer Christoph Kramer sagte dazu in Leverkusen bei Dazn: "Wir dürfen da keine Alibis suchen. Wir spielen so seit zweieinhalb Jahren, und das lag vorletzte Saison nicht am Trainer, letztes Jahr nicht - und dieses Jahr auch nicht."

Kramer stärkt Farke also demonstrativ, aber dieser Versuch könnte zu spät kommen. Bereits zum zweiten Mal binnen neun Tagen kam am Sonntag kurz vor Anpfiff eines Spiels medial das Gerücht auf, dass sich Gladbach von Farke trennen werde. Zufall? Am vorvergangenen Sonntag hatte Sportdirektor Roland Virkus einen Kommentar dazu verweigert und damit zusätzlich Spekulationen provoziert. Diesmal dementierte er umso schneller und heftiger und sagte: "Ganz klares Nein! Es ist nichts beschlossen! Ich dementiere das! Ich kann das definitiv nicht bestätigen!" Sollte es dennoch, wie von vielen in der Branche erwartet, zur Trennung kommen, dann hat der Führungsspieler Kramer dazu eine klare Meinung: "Sollen wir jetzt den nächsten Trainer holen? Und danach wieder den nächsten Trainer? Das ist Quatsch! Wir müssen uns wirklich als Mannschaft kritisch hinterfragen und eine andere Herangehensweise finden."

"Ja, wir haben Qualität. Aber wir hatten in diesem Jahr ganz viele blutleere Auftritte"

Gladbachs Niedergang begann im Februar 2021 unter Marco Rose auf dem Höhepunkt der jüngeren Klubgeschichte. Man war in der Bundesliga Siebter mit engem Kontakt zu den Champions-League-Plätzen und stand im Achtelfinale der Königsklasse gegen Manchester City - als Rose verkündete, dass er am Saisonende nach Dortmund wechsle. Dies zog einer gut performenden Mannschaft, die sich bis heute personell kaum verändert hat, den Stecker. Kramer sagt: "Jeder Einzelne muss sich hinterfragen, was da so in den letzten zweieinhalb Jahren passiert ist. So geht es einfach nicht weiter. Es wird jetzt einen Umbruch geben!"

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Der Umbruch kommt, die Frage ist bloß, ober er aus finanziellen Gründen groß genug ausfallen kann. Lars Stindl, Marcus Thuram und Ramy Bensebaïni verlassen die Borussia ablösefrei. Der an den FC Burnley verliehene Jordan Louis Beyer wird für 15 Millionen Euro dorthin verkauft. Der ausgeliehene Julian Weigl wird übernommen, von Hertha BSC kommt der 19 Jahre alte Linksverteidiger Lukas Ullrich. Sonst ist noch nichts bekannt, und die Frage ist, ob der Trainer Farke überhaupt noch mitentscheiden darf oder ob seine Entlassung intern schon feststeht. Er selbst sagt: "Diese Spekulationen nerven so ein bisschen, aber ich habe einen langfristigen Vertrag. Das ist Fakt und nichts anderes zählt."

Derlei Worthülsen haben noch nie darauf hingedeutet, dass sich ein Trainer seines Verbleibs sicher ist. Fakt ist: Farke musste in seiner ersten Saison in Gladbach eine blutleere Mannschaft verwalten. Kramer hat das Adjektiv am Sonntagabend selbst verwendet: "Wir haben Qualität, ja, aber wir müssen sie halt auch zeigen", sagte er, "wir hatten in diesem Kalenderjahr ganz viele blutleere Auftritte."

Der vormalige Trainer Hütter sagte kürzlich in einem Dazn- Kicker-Podcast: "Diese Mannschaft ist sehr launisch. Sie hat Probleme, mit Widerständen zu kämpfen. Es geht um die Laufbereitschaft und um Zweikämpfe, die muss ich annehmen, ich muss ein Spiel annehmen." Hütter betont, er sei aus eigenen Stücken in Gladbach gegangen, "weil wir unterschiedliche Auffassungen hatten. Mit der Art und Weise, wie ich Fußball spielen lassen wollte, war die Mannschaft nicht ganz einverstanden". Er stellt die Qualität generell in Frage: "Nach zuletzt Platz acht und zehn ist es eigentlich auch jetzt wieder eine schlechte Saison. Da muss man schon hinterfragen, ob der Kader so gut zusammengestellt und ob es wirklich eine Spitzenmannschaft ist."

In Gladbach kennen sie die Antwort. Farke fordert für den Kader "neue Energie, neue Intensität, neue Geschwindigkeit". Man wird versuchen, diesen Wunsch zu erfüllen. Ob man Farke als Trainer behält, ist eine völlig andere Geschichte.

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