Dortmund:Die Meisterfeier wird vertagt

Wie ein wackliger Radfahrer: Borussia Dortmund verliert ein packendes Spiel gegen Borussia Möchengladbach - wodurch auch der Kampf gegen den Abstieg neue Dynamik erhält.

Jürgen Schmieder

Es gibt ein lustiges Video bei Youtube, in dem ein Radfahrer zu sehen ist, der scheinbar uneinholbar in Führung liegt, um dann jubelnd vom Rad zu fallen und von einem Konkurrenten überholt zu werden. Jürgen Klopp hat seinen Spielern dieses Video gezeigt, damit sie sich nicht zu früh freuen über den Gewinn der Deutschen Meisterschaft: "Das war am Anfang der Woche, als die Lobhudelei losging."

Borussia M'gladbach v Borussia Dortmund - Bundesliga

Schlecht gelaunt nach der ersten Halbzeit: Dortmunds Trainer Jürgen Klopp.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Lobhudelei dürfte nun erst einmal vorbei sein, trotz großer Überlegenheit unterlag Borussia Dortmund beim Tabellenletzten Borussia Mönchengladbach mit 1:0 (1:0) und hat nun nur noch fünf Punkte Vorsprung auf Bayer Leverkusen.

Etwa 20.000 Fans waren nach Gladbach gereist, um der möglichen Meisterparty beizuwohnen. Das Stadion war bereits drei Stunden vor Spielbeginn geöffnet worden, die Partie der Leverkusener wurde auf der Leinwand übertragen. Und Bayer hatte zunächst ja mitgespielt, die Zwischenstände 0:1 und 1:1 waren durchaus meistertauglich.

Doch dann drehte Leverkusen die Partie gegen Hoffenheim. Die Dortmunder Fans in der Gladbacher Arena waren ein wenig ernüchtert, zum vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft würde es also nicht reichen an diesem Samstag. Wenige Minuten später brach wieder Jubel aus: Als die Dortmunder den Rasen betraten, um sich aufzuwärmen - schließlich galt es, den Vorsprung wieder auf acht Punkte auszubauen, um nur ja keine Diskussion aufkommen zu lassen, wer spätestens am 34. Spieltag die Deutsche Meisterschaft feiern darf.

"Wir waren ein bisschen früher da, deshalb sind wir vor der Besprechung hier raus ins Stadion. Das ist unglaublich", hatte Jürgen Klopp vor dem Spiel über die zahlreichen Dortmunder Fans in Gladbach gesagt. "Natürlich haben wir das Ergebnis aus Leverkusen mitbekommen, aber das ist uns egal - wir haben damit gerechnet, dass sie gegen Hoffenheim gewinnen würden. Wir haben uns ganz normal auf dieses Spiel vorbereitet."

Diese Vorbereitung war nicht einfach, schließlich musste Klopp mit Shinji Kagawa, Nuri Sahin und Lucas Barrios (angeschlagen auf der Bank) drei seiner besten Akteure ersetzen, dazu meldete sich auch noch Patrick Owomoyela verletzt ab.

Die Dortmunder begannen, als wollten sie auf den letzten Metern dieser Spielzeit nicht nur nicht vom Rad fallen, sondern mit voller Geschwindigkeit über die Ziellinie rauschen. Nach nur 21 Sekunden flog der Ball durch den Gladbacher Strafraum, der nun wahrlich nicht groß gewachsene Mario Götze köpfte am Tor vorbei.

Gladbach offensiv, Dortmund orientierungslos

Es entwickelte sich eine durchaus ansehnliche Partie in der ersten Halbzeit, weil Borussia Dortmund so agierte, wie Borussia Dortmund eben agiert in dieser Saison - die größte Chance hatte Robert Lewandowski (29.), dessen Lupfer über den übermotiviert herauslaufenden Marc-André ter Stegen erst Zentimeter vor der Torlinie aufgehalten wurde. Kurz vor der Pause vergab erneut Lewandowski frei vor ter Stegen.

Borussia Moenchengladbach  - Borussia Dortmund

Am Boden: Neven Subotic verliert den Zweikampf gegen Mo Idrissou.

(Foto: dapd)

Es war aber auch ein gutes Spiel, weil Gladbach offensichtlich vom neuen Trainer Lucien Favre gelernt hat, dass man Fußballspiele vor allem dann gewinnt, wenn man hin und wieder auch offensiv tätig wird. Marco Reus schoss zunächst am Tor vorbei (16.) und rutschte später in ein formidables Zuspiel von Havard Hordtveit (27.) - der Ball kullerte jedoch am Pfosten vorbei ins Aus.

In der 34. Spielminute allerdings fiel Neven Subotic um wie der Radfahrer im Youtube-Video von seinem Sportgerät. Nach einem grotesken Fehlpass von Antonio da Silva kam der Ball in die Dortmunder Spielhälfte, Subotic lag scheinbar uneinholbar in Führung vor Mohamadou Idrissou, um dann umzufallen und von Idrissou überholt zu werden. Der war plötzlich alleine vor Roman Weidenfeller und schob den Ball frech ins kurze Eck.

Jürgen Klopp stapfte wütend in die Kabine - und wahrscheinlich wünschte er sich in diesem Moment, einen Laptop oder ein iPad dabei zu haben, um seinen Spielern das Radfahrer-Video noch einmal vorzuführen. Was auch immer er statt dieser Präsentation wählte, es schien zu fruchten.

Nach nur 40 Sekunden der zweiten Halbzeit hatte Dortmund die erste Torchance, doch konnte niemand die schöne Hereingabe von Götze ins Tor schieben. Sieben Minuten später gab es die nächste Gelegenheit, doch konnte niemand die schöne Hereingabe von Bender ins Tor schieben. Zwei Minuten danach strich ein Kopfball von Mats Hummels knapp über das Tor, Götze (67.) drosch den Ball aus 25 Metern an die Latte. Dortmund zeigte eine hervorragende zweite Halbzeit, der Ball wollte nur nicht ins Tor kullern.

Die Gladbacher stellten ihre Offensivbemühungen weitgehend ein, verwoben ihre beiden Viererketten zu einer verteidigenden Achterkette und erlaubten nur dem wuselnden Reus und der Ein-Mann-Naturgewalt Idrissou, die Mittellinie zu überschreiten. Als die beiden ausgewechselt wurden, ging es nur noch darum, den knappen Vorsprung zu verteidigen. Das gelang.

"Es ist ein schönes Gefühl, nicht mehr auf dem letzten Platz zu stehen", sagte Idrissou nach dem Spiel. "Wenn es die letzten drei Spiele so läuft, dann schaffen wir es noch, in der Liga zu bleiben." Sein Trainer Lucien Favre ergänzte: "Wir haben nach dem 1:0 hervorragend verteidigt, deshalb haben wir den Sieg verdient."

Durch dieses Ergebnis ist nicht nur die Meisterfeier der Dortmunder vertagt - auch der Kampf gegen den Abstieg erhält neue Dynamik. Während Dortmund nun wohl den 34. Spieltag herbeisehnt wie ein wackliger Radfahrer, haben sich die Gladbacher munter auf ihr Fahrzeug geschwungen - und ganz nebenbei schon mal den FC St. Pauli überholt.

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