Süddeutsche Zeitung

Gladbach in der Bundesliga:"Dann hätten wir uns die Köpfe abgerissen"

Dem Rausch gegen den FC Bayern folgt der Kater: Gladbach gewinnt gegen Aufsteiger Bochum nur knapp - und ist gewarnt für den Rest der Saison.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Seit ihrem triumphalen 5:0-Sieg gegen Bayern München im DFB-Pokal haben die Fußballer von Borussia Mönchengladbach ein Problem. Jeder weiß jetzt, wie gut sie spielen können. Fortan werden sie immer an diesem einen Spiel gemessen. Für ihren 2:1 (2:0)-Erfolg in der Bundesligapartie gegen den VfL Bochum am Sonntagabend bedeutete dies: Sie mussten sich hinterher rechtfertigen. Nur 2:1 gegen Bochum. Was war denn da los?

"Leider waren wir in der zweiten Halbzeit nicht mehr so agil, haben nicht mehr so viel Druck ausgeübt, mussten viel zurücklaufen und sind deshalb noch mal in die Bredouille geraten", sagte der Mittelfeld- und Nationalspieler Jonas Hofmann, dessen Treffer zum 2:0 (40.) nach Alassane Pleas Führungstor (12.) schon wie die Vorentscheidung gewirkt hatte. Doch im Gegensatz zu den Bayern kam Bochum zurück. In der 86. Minute verkürzte Danny Blum auf 1:2. Danach hätte Gladbach den Sieg sogar beinahe noch aus der Hand gegeben. "Da haben wir die Souveränität vermissen lassen", beklagte der Trainer Adi Hütter. Am Ende war ihnen der knappe Erfolg aber genug. "Drei Punkte - nur darum geht's", sagte Hofmann in bewundernswerter Prägnanz.

Anhaltend berauschte Gladbach-Fans, die nach dem Pokaltriumph den wahnsinnigen Gedanken entwickelt haben könnten, gegen Bochum lasse sich mit einfacher Addition (Gladbach-Bayern 5:0 plus Bayern-Bochum 7:0 gleich Gladbach-Bochum 12:0) die Einstellung des höchsten Siegs der Bundesliga-Historie prognostizieren (Gladbach-Dortmund 12:0 am 29. April 1978), sahen sich enttäuscht. Erstens "ist es nach einem Highlight-Spiel nicht immer ganz so einfach" (Hütter) und zweitens "kann man so etwas natürlich nicht jedes Mal spielen" (Hofmann).

Nach der Pause verliert Gladbach plötzlich die Spannung

Die nackten Zahlen des 2:1-Siegs mögen ernüchternd wirken, aber die noch dringlichere Wahrheit ist, dass Bochum in der Nachspielzeit sogar den nicht mal unverdienten Ausgleich hätte erzielen müssen. Das Knie von Torwart Yann Sommer entschärfte den Schuss des Bochumers Milos Pantovic, 25, der von 2007 bis 2018 in der Jugend für den FC Bayern gespielt hat und seine alten Münchner Kollegen um ein Haar ein bisschen revanchiert hätte. Pantovic hatte am Mittwoch für Bochum beide Pokal-Tore beim anschließend im Elfmeterschießen erwirkten Sieg gegen Augsburg erzielt - aber diesmal war ihm der Treffer nicht vergönnt. "Wir hätten den Punkt gern mitgenommen", sagte Trainer Thomas Reis, "aber unsere Leistung macht mir auch so Mut."

"Mut, Selbstvertrauen und Rückenwind" - das sind die Aspekte, die nach dem Triumph über den FC Bayern auch Gladbachs Hofmann für seine Mannschaft reklamiert hatte. In der ersten Halbzeit war das alles noch sehr gut zu erkennen. "Da waren wir ähnlich dominant wie gegen die Bayern", fand Hofmann. Doch nach der Pause verlor Gladbach die Spannung. "Da war es zu wenig", beschied der Nationalspieler, der bei der Borussia offensiv, beim Bundestrainer Hansi Flick aber als Rechtsverteidiger aufläuft.

Für Hofmann war das Pokalspiel aus einem bestimmten Grund historisch gewesen: "Da haben wir mal gesehen, zu was wir in der Lage sind." Die kollektiven fußballerischen Grenzen auszuloten, mag eine berauschende Erfahrung gewesen sein. Aber nach einem Rausch folgt oft der Kater. Das war gegen Bochum noch nicht der Fall. Die schwache zweite Halbzeit fungiert als Warnung.

Die Borussen müssen weiter daran arbeiten, aus der Traumstunde gegen den FC Bayern die richtigen Schlüsse zu ziehen

"Es ist jetzt wichtig, dass wir den Anschluss an die internationalen Plätze nicht verlieren", sagte Hofmann. Zwei Punkte sind es bis zum Qualifikationsplatz für die Conference League, drei Punkte bis zur Champions League. Die Borussia streckt sich, aber die dazu notwendige Konstanz lässt sie in dieser Saison bislang noch vermissen. "Jeder weiß, dass wir schon genug Punkte verschenkt haben, und gegen Bochum wäre es beinahe schon wieder so weit gewesen", mahnte der Innenverteidiger Matthias Ginter. "Hätten wir in der Nachspielzeit noch den Ausgleich kassiert, dann hätten wir uns gegenseitig die Köpfe abgerissen", sagte Hofmann. Ein Bild, das zum Halloween-Abend gepasst hätte, nicht aber zur Gladbacher Euphorie nach dem 5:0 gegen die Bayern.

Und so müssen die Borussen weiter daran arbeiten, aus der Traumstunde des vergangenen Mittwochs die richtigen Schlüsse zu ziehen und zu lernen, wie man es schafft, auch gegen kleinere Gegner ans Limit zu gelangen. Das 5:0 als Trophäe mit durch die Saison zu schleppen, erscheint kaum hilfreich. Hofmann hat am Sonntagabend schon mal den Anfang gemacht, diese Last abzulegen. "Ja, das Bayern-Spiel hat uns viel gegeben", sagte er, "aber man darf es auch nicht zu hoch hängen; denn letztlich hat es uns auch bloß ins Pokal-Achtelfinale gebracht." Gastgeber dort ist Mitte Januar der Zweitligist Hannover 96. Ein Los mit extremer Fallhöhe.

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