Süddeutsche Zeitung

Mönchengladbachs 1:1 bei der Arminia:You'll never wurst alone

Im ersten Spiel nach Max Eberls Abschied schafft Gladbach mit Mühe ein Remis in Bielefeld. Die Arminia lebt der Borussia vor, was eine glückliche Gemeinschaft ausmacht.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld

Es hat ein bisschen gedauert, bis die letztjährigen Champions-League-Fußballer von Borussia Mönchengladbach realisiert haben, dass sie in der Bundesliga jetzt voll gegen den Abstieg kämpfen. Sie hatten diese neue Rolle eigentlich schon akzeptiert, da stellte sich ihr Vizepräsident Rainer Bonhof nun am Samstag vor dem Anpfiff hin und sagte ins Sky-Mikrofon: "Diese Spieler dürften mit dem Abstiegskampf gar nichts zu tun haben." Anschließend trennten sich diese Spieler von Arminia Bielefeld leistungsgerecht 1:1 unentschieden - von einem Abstiegskandidaten, über den dessen Sportchef Samir Arabi sagt: "Jedes Jahr in der Bundesliga ist für uns ein Geschenk."

Die beiden Teams mit ihren eigentlich sehr unterschiedlichen Ambitionen haben sich fußballerisch erstaunlich angeglichen. Doch während Bielefeld seit nun sechs Spielen ohne Niederlage seine Erstliga-Tauglichkeit mit steigendem Selbstbewusstsein beweist, rutschen die verunsicherten Gladbacher mit nur einem Sieg aus den jüngsten neun Ligapartien schrittweise an den tabellarischen Abgrund. Das 1:1 war Ausdruck einer Ebenbürtigkeit zweier verschiedener Fußballwelten.

Doch das Spiel stand auch noch unter einem anderen Eindruck: dem erstmaligen Fehlen des zurückgetretenen Gladbacher Sportchefs Max Eberl. "Fußball ist leider auch Showgeschäft", hatte sein Bielefelder Kollege Arabi in der vergangenen Woche über Eberls emotionalen Rücktritt bedauernd gesagt. Was er meinte: The Show must go on!

"Danke, Max", stand nun am Samstag auf einem Transparent, das ein paar der 500 mitgereisten Borussia-Fans im Gäste-Fanblock hochhielten. Bevor Gladbachs erstes Spiel nach dem Ende einer Ära angepfiffen wurde, gebührte dem beliebten Manager nach 13 Jahren noch ein prägnanter Dank. Dann ging die Show weiter.

Am Gladbacher Fußball hat sich durch die zweiwöchige Spielpause samt Eberl-Paukenschlag erst mal nichts verändert. Nicht zum Guten, nicht zum Schlechten. Es war eine akzeptable, aber keineswegs eine berauschende Leistung. Von der "Jetzt-erst-recht-Mentalität", die Trainer Adi Hütter im Laufe der Vorwoche beschrieben hatte, war so wahnsinnig viel nicht zu erkennen. Gladbachs einziger Sieg der vergangenen Monate bleibt der überraschende 2:1-Erfolg beim FC Bayern. Das Remis in Bielefeld muss tendenziell sogar als Teilerfolg verbucht werden.

Am Samstag geht es für die Borussia gegen Augsburg - "ein absolutes Schlüsselspiel", sagt Adi Hütter

"Ja, wir vermissen den Max", sagte nach dem Schlusspfiff der Gladbacher Angreifer Jonas Hofmann, "aber wir müssen das jetzt langsam auch mal abhaken. Denn Max ist weg, und es bringt nichts, das Thema immer wieder aufzumachen." Borussias Fußballer müssen sich ohne Melancholie auf den Abstiegskampf konzentrieren. "Da müssen wir durch, und darum müssen wir auch richtig fighten", sagte Torwart Yann Sommer in dem Wissen, dass sich die Situation am kommenden Samstag mit einem Heimspiel gegen den FC Augsburg weiter zuspitzt. "Das wird ein absolutes Schlüsselspiel", sagte Trainer Hütter.

Auch die Arminia hat weitere Schlüsselspiele, aber das wusste man dort bereits vor der Saison - und das ist der Unterschied zu Gladbach. Demut steckt in der Bielefelder Fußball-DNA. 10 000 Zuschauer, medizinisch vermummt, waren am Samstag begeistert, dem Spiel im Stadion überhaupt beiwohnen zu dürfen. Dass auf dem Platz in den ersten 20 Minuten ein Fehlpass-Festival aufgeführt wurde, focht sie nicht an. In einer glücklichen Gemeinschaft lässt sich so etwas aushalten. "You'll never wurst alone", steht an einem Imbiss-Schalter unterhalb der Haupttribüne - und in Bielefeld gibt es eine richtig gute Bratwurst. Wenn der Fußball dann auch noch so erfolgreich ist wie zuletzt, ist das Publikum selig.

Von diesem Zustand ist Gladbach weit entfernt. Es geht kurzfristig nur ums sportliche Überleben, und da krempelten ausgerechnet zwei Spieler die Ärmel hoch, an deren Mentalität zuletzt gezweifelt worden war: Alassane Plea und Matthias Ginter. Beide hatten Debatten provoziert, ob sie wegen auslaufender Verträge noch alles gäben für den Verein. Am Samstag gaben sie viel. Plea köpfte den Treffer zum 1:1-Endstand. Ginter, rechter von drei Innenverteidigern, trieb das Gladbacher Spiel immer wieder demonstrativ nach vorne. Die Rheinländer dominierten die Ostwestfalen zunehmend, aber sie versäumten es, ihre Torchancen zu verwerten. Und so konnten sie sich trotz eines kämpferischen Auftritts nicht aus ihrer Abwärtsspirale befreien.

Hütter war trotzdem zufrieden: "Die Mannschaft hat gefightet und nach dem 0:1-Rückstand eine Reaktion gezeigt", sagte er, "wir nehmen den Punkt gerne mit." Hütter übertrieb ein bisschen, als er die Leistung seines Teams "absolut ansprechend" nannte. Aber er muss jetzt alles Positive herauskehren, damit sein Team vollends jene Haltung einnimmt, die im Abstiegskampf erforderlich ist.

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