Süddeutsche Zeitung

Geisterspiele in der Bundesliga:Die Hoffnung ist vertagt

  • Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder verkündet, dass eine Fortsetzung der Bundesliga "kein Thema" bei der Beratung der Bundesregierung mit den Länderchefs war.
  • Man werde erst "demnächst" über mögliche Geisterspiele sprechen.
  • Für einige Klubs bedeutet der Aufschub eine weitere Verschärfung der existenzbedrohenden Situation.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die deutsche Fußballindustrie muss weiterhin auf grünes Licht der Politik für Geisterspiele warten. "Die Bundesliga war heute kein Thema", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach dem vierstündigen Corona-Gipfel der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten vom Mittwoch, in dem über schrittweise Lockerungen der derzeit geltenden Restriktionen des öffentlichen Lebens debattiert wurde.

Über die Zulassung so genannter "Geisterspiele", die für viele Profiklubs als existenziell gelten, soll laut Söder erst "demnächst" befunden werden - auch im Lichte der Konzepte, die derzeit von der Deutschen Fußball Liga DFL erarbeitet werden. Ihre ursprünglich für Freitag angesetzte Sitzung über eine Fortsetzung der seit März unterbrochenen Bundesliga-Saison hatte die DFL zuvor in die nächste Woche verschoben.

Die Generalversammlung soll am 23.

April zusammenkommen. Eine Gewissheit hat die DFL indes schon jetzt: Großveranstaltungen bleiben bis einschließlich 31. August verboten - und damit auch Fußballspiele vor Massenpublikum. Die DFL hatte am Vorabend des Corona-Gipfels von Berlin durchaus Hoffnungen auf baldige Geisterspiele gehegt, als mögliches Datum für eine Aufnahme des Spielbetriebs galt der 9. Mai. Das dürfte nun mindestens infrage stehen.

Als Hoffnungsträger galt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Zusammen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn soll er sich intern für einen baldigen Neustart des Bundesligaspielbetriebs eingesetzt haben. Die Rheinische Post hatte am Mittwoch unter Berufung auf Berliner Regierungskreise berichtet, Spahn halte "Geisterspiele" - unter strikten Hygieneauflagen und mit Beschränkung auf die Personen, die für den Ablauf eines Spiels unerlässlich wären -, für "möglich und auch wichtig für die Millionen Fußballfans angesichts der sonstigen Entbehrungen".

Der wahre Hintergrund dürfte freilich die wirtschaftliche Lage der Bundesligisten sein. "Zwar sind Geisterspiele für viele Profiteams eine große finanzielle Belastung, allerdings im Vergleich zu dem drohenden wirtschaftlichen Schaden durch Einstellung des Ligabetriebs in 1. und 2. Bundesliga das kleinere Übel", sagte Hessens Innen- und Sportminister Peter Beuth, ebenfalls CDU, noch am Mittwochvormittag der Deutschen Presse-Agentur. Hintergrund: Im Falle von Geisterspielen würde das für die Finanzierung des Ligabetriebs so wichtige Geld der Fernsehsender fließen; ohne Spiele könnten die Profiklubs hingegen ihre vertraglich zugesicherte Leistung nicht erbringen.

Vor diesem Hintergrund legte die Rheinische Post eine Tangente zu den politischen Ambitionen des NRW-Regierungschefs. Denn: Laschet will ins Bundeskanzleramt, "da sollte ihm nicht das Manko anhaften, dass in seiner Amtszeit in NRW ein Traditionsverein Insolvenz anmelden musste, weil die Saison nicht beendet werden durfte. Selbst wenn die Politik keine Schuld träfe", schrieb das Blatt. Nordrhein-Westfalen stellt traditionell die meisten Bundesligisten. Zurzeit sind es sieben, darunter der FC Schalke 04, der sich selbst in einer potenziell existenzgefährdenden Situation sieht.

Mitten in die Berliner Beratungen platzte am Mittwoch eine Nachricht des Kicker, wonach diese Lage schon am 2. Mai eskalieren könnte. An diesem Tag solle vereinbarungsgemäß die vierte und letzte Rate dieser Saison von der DFL an die Vereine ausgeschüttet werden - die fälligen Zahlungen aus den Verträgen mit den nationalen Medienpartnern. Bereits am 10. April hätten die Rechteerwerber wie Sky, DAZN oder die ARD ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen müssen; die Gelder aber sind bis heute nicht geflossen. Für Schalke gehe es bei Zahlung der vierten Rate um 15,892 Millionen Euro. Also: Geisterspiele als Rettung? Bislang hat es in der Geschichte der 1963 gegründeten Bundesliga nur ein einziges Geisterspiel gegeben - vor gut einem Monat in Mönchengladbach. Das Nachholspiel gegen Köln, das wegen eines Sturms ausgefallen war, musste am 11.

März vor leeren Rängen ausgetragen werden, es endete 2:1 für Gladbach. Seinerzeit klagten eine Reihe von Fußballern über die seltsame Atmosphäre. Unter ihnen war auch der Mönchengladbacher Weltmeister Christoph Kramer, 29. Nur wenige Wochen danach aber war Kramer schon der gegenteiligen Meinung, die Abstinenz hatte ihren Tribut gezollt. Im ZDF-Sportstudio sagte er unlängst, dass er mittlerweile Geisterspiele "sehr, sehr gerne" austragen würde. "Man muss sagen, es geht nicht mehr um Spaß, sondern darum, dass wir überhaupt wieder spielen. Deswegen würde ich jedes Geisterspiel nehmen, auch wenn ein wichtiger Teil fehlt." Vor dem letztlich abgesagten 26. Spieltag, der am Wochenende des 14. März stattfinden sollte, hatten diverse Vereine versucht, sich gezielt auf Spiele ohne Publikum vorzubereiten - durch Trainingseinheiten in leeren Stadien.

Schon vor dem Mittwoch war klar, dass an Spiele mit Zuschauern auf Monate hinaus nicht zu denken ist. Am Mittwoch entschieden Bund und Länder dann, dass Großveranstaltungen bis zum 31. August verboten bleiben sollen. Darunter fallen auch Bundesligaspiele. Schon zuvor hatte Hessens Innenminister Beuth eine Öffnung der Arenen in seinem Bundesland als "unrealistisch" bezeichnet. Es müssten weiterhin Menschenansammlungen verhindert werden, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

So oder so ist der deutsche Fußball weiter als andere europäische Länder. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Italiens Fußballer auf die Erlaubnis der Regierung in Rom hoffen können, am 4. Mai unter bestimmten Umständen das Training wieder aufnehmen zu dürfen. Die 18 Bundesligisten üben schon seit Anfang vergangener Woche - in Kleingruppen. Österreich will am 20. April nachziehen - und steht Geisterspielen grundsätzlich wohlwollend gegenüber, erklärte Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) am Mittwoch. Die Entscheidung liege aber beim Verband ÖFB.

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SZ vom 16.04.2020/schm
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