Werder in der Bundesliga:Neues vom Bremer Panik-Barometer

Werder in der Bundesliga: Niclas Füllkrug ist weiterhin Bremens Bester, aber er allein kann es auch nicht richten in der derzeitig schwierigen Lage.

Niclas Füllkrug ist weiterhin Bremens Bester, aber er allein kann es auch nicht richten in der derzeitig schwierigen Lage.

(Foto: Cathrin Mueller/Getty Images)

Nach dem 2:3 gegen Bayer Leverkusen steht Werder tabellarisch exakt so gut - oder schlecht - da wie in der Abstiegssaison. Kann sich im Norden auf schaurige Weise Geschichte wiederholen?

Von Ralf Wiegand, Bremen

Ein Hauch von 2021 wehte durch den Keller des Weserstadions, dorthin, wo die Analysen nach Heimspielen des SV Werder Bremen gemacht werden. 24. Spieltag, 30 Punkte, viel Platz zu den Abstiegsrängen, das alles haben die Bremer schon einmal erlebt, vor ziemlich genau zwei Jahren. Einen Frühling und einen mickrigen Punkt später waren sie abgestiegen, als Vorletzter mit 31 Punkten und zum zweiten Mal erst in ihrer Bundesligageschichte. Das war für den Verein ein traumatisches Erlebnis.

Wäre Fußball nur ein Spiel aus Zahlen, Statistiken und Tabellen, die Anhänger des norddeutschen Traditionsvereins müssten sich nun allergrößte Sorgen machen, denn rein statistisch stehen sie nach dem 2:3 gegen Bayer Leverkusen seit Sonntagabend sogar noch schlechter da als in jener Abstiegssaison damals. Sie haben viel mehr Spiele verloren als zum gleichen Zeitpunkt damals, viel mehr Gegentore kassiert, und der Abstand zum Abstiegsplatz 17 betrug damals zwölf Punkte - jetzt sind es lediglich zehn. Und nicht einmal so ein Schalke 04, das wenigstens den allerletzten Platz sicher belegt, gibt es diesmal. Sogar Schalke heute ist besser als Schalke damals.

Also, wo steht der Zeiger auf dem Bremer Panik-Barometer?

Derjenige, der sich in solchen Situationen immer stellt, ist Niclas Füllkrug, 30, bester Torschütze der Bundesliga, bester Spieler des SV Werder und auch am Sonntag gegen Leverkusen bester Mann auf dem Platz. Füllkrug gab die Vorlage zum 1:0 von Marvin Ducksch, verwandelte einen wegen Handspiels spät verhängten Strafstoß zum 2:3 sicher und rieb sich zudem in 22 Zweikämpfen auf - kein anderer Profi auf dem Rasen stürzte sich in mehr Duelle Mann gegen Mann als er. Füllkrug kann also sehr gut den Puls des Bremer Spiels fühlen, er tat es, und die Diagnose lautete: "Wir müssen schon aufpassen."

Nach dem 1:2 in Augsburg sind die Bremer nun zum zweiten Mal hintereinander unter Wert geschlagen vom Platz gegangen, aber beileibe nicht erst zum zweiten Mal in dieser Saison. Immer wieder begegnen sie auch qualitativ deutlich besser besetzten Mannschaften auf Augenhöhe, um dann doch zu verlieren. Es sei, sagte Füllkrug, "eine gewisse Konstanz in diesen individuellen Fehlern und Schläfrigkeiten" zu erkennen, weswegen es den Leverkusenern zwar leicht fiel, Werder hernach sehr zu loben ("Haben uns das Leben heute ganz schwer gemacht", Torwart Hradecky; "sie haben wirklich ein gutes Spiel gemacht", Verteidiger Tah) - aber eben auch die drei Punkte mitzunehmen.

Ole Werner sieht "einen Unterschied in den Strafräumen" gegen Leverkusen

Beim Ausgleich der Leverkusener zum 1:1 flog der Ball unbehelligt durch den Bremer Strafraum bis zu Mitchel Bakker, der ihn ins Tor hämmerte; beim 2:1 fälschte Niklas Stark einen Schuss von Jeremy Frimpong unglücklich ab, beim 3:1 landete der Ball ebenfalls von einem Bremer abgefälscht beim Torschützen Adam Hlozek. Bremens Trainer Ole Werner machte hinterher "einen Unterschied in den Strafräumen aus", denn solche Missgeschicke passierten den Leverkusenern nicht, weswegen die Bremer schon selbst recht frei stehend neben (Ducksch) oder übers (Jens Stage) Tor schießen mussten.

"Das zieht sich bei uns schon durch die ganze Saison, dass wir hinten viel zu viele Fehler machen", klagte Ducksch hernach, nur der VfL Bochum (56) hat mehr Gegentore kassiert als die Bremer (46). Weil Werder aber auch in der Offensive inzwischen viel härter arbeiten muss, um selbst zum Erfolg zu kommen, ist ihnen die Selbstverständlichkeit verloren gegangen, eine Partie jederzeit drehen zu können. Die späten, spielentscheidenden Werder-Tore sind ein Phänomen aus der Hinrunde und derzeit schon Geschichte. So kann Werder auch vom Europacup strapazierten Teams wie neulich Frankfurt oder am Sonntag Leverkusen, das ohne Florian Wirtz und Patrik Schick angereist war, kein schmutziges Unentschieden abtrotzen.

Nun müssen sich die Bremer in den kommenden Spielen darauf verlassen, dass ihre klare Spielanlage - die den womöglich entscheidenden Unterschied zur graumäusigen Abstiegssaison 2020/21 ausmacht - bisher immer gut genug gewesen ist, um Mannschaften aus dem letzten Drittel der Bundesliga auf Distanz zu halten. Allerdings, warnte Füllkrug, könne momentan aufgrund ständiger Umstellungen durch Verletzungen, Sperren oder Krankheiten "kein Flow" aufkommen. Bestimmt zehn Mal habe man immer mit einer anderen Startelf beginnen müssen. "Flow", das ist eines der Lieblingswörter des ehemaligen Trainers Florian Kohfeldt. Im Flow ist eine Mannschaft dann, wenn sie die Unwägbarkeiten eines Fußballspiels durch eigene Gewissheiten überspielen kann, weil die Abläufe selbstverständlich sind.

Derzeit aber, darauf wies auch der aktuelle Trainer Werner hin, sei das im Training mit dem auf "14, 15 Spieler" dezimiertem Kader nicht so: "Wenn sich die Trainingsqualität vom Spiel so gravierend unterscheidet wie bei uns in den letzten drei, vier Wochen, dann fällt es schwer, sich zu entwickeln." Oder eben den "Flow" zu finden - damit sich die Geschichte nicht wiederholt.

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