Fußball:Im Zweifel wieder abpfeifen

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Daniel Siebert

Findet es ohnehin "leichter", Geisterspiele zu leiten: Bundesliga-Schiedsrichter Daniel Siebert.

(Foto: dpa)

Die Bundesliga begibt sich mit der geplanten Fortsetzung der Saison in eine Phase von Versuch und Irrtum - eine mündige Gesellschaft kann das wagen.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Jeder lernt gerade Stunde für Stunde, Tag für Tag dazu. Deshalb hat auch jeder Anspruch auf mildernde Umstände, der sich mal im Datum irrt. Ziemlich unmissverständlich hatten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) am 20. April einen medialen Doppelpass via Bild-TV gespielt, als sie den Wiederanpfiff der Bundesliga bereits für den 9. Mai in Aussicht stellten. Während ihrer Ausführungen blätterten beide demonstrativ im fast 50-seitigen, detailreichen Corona-Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL). Schon damals stellte Söder fest, dass dessen Umsetzung eine "Gratwanderung" werden dürfte.

Die Inszenierung war nicht unbedingt von Vorteil für die Beteiligten. Die Politik trat in den Stunden und Tagen danach scharf auf die Bundesliga-Bremse, Söder delegierte die Zuständigkeit für den Wiederanpfiff explizit zurück an die Corona-Spezialisten vom Robert-Koch-Institut. Und die Vertreter des Fußballs sahen sich noch schärfer als zuvor vom Vorwurf verfolgt, ihre Sonderrolle mittels intensiver Lobbyarbeit festigen zu wollen.

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In diesem Reizklima ist es auf besagter Gratwanderung nun gleich nach dem Start zum ersten Fehltritt gekommen. Dass er nicht zum Absturz führt, werten die Befürworter der Seilschaft als Beleg für ihr Konzept: Drei coronapositive Fälle (zwei Spieler, ein Masseur) wurden am Freitag beim 1. FC Köln entdeckt und in Quarantäne geschickt. Alle Übrigen aber trainieren weiter. Das Plazet dazu erteilte das Kölner Gesundheitsamt.

Genau dies sei ja der Sinn, erklärt der fürs Konzept verantwortliche Arzt Tim Meyer, nämlich früh die Infizierten zu entdecken, sie zu isolieren, bevor es in Kürze aus der Kleingruppe ins Mannschaftstraining und dann in den Spielbetrieb gehen soll. Meyers Plan ist eine Wissenschaft für sich, Gefahren sollen minimiert, können aber natürlich nicht ausgeschlossen werden. Der Plan wurde nur auf ein Ziel hin entwickelt: dass die Liga ihre neun fehlenden Runden zu Ende bringen kann, mit Geisterspielen als Kompensationsleistung für die letzte große Fernseh-Finanzrate der Saison. Nur so, heißt es, bekämen alle 36 DFL-Klubs der ersten und zweiten Ligen zumindest die Chance, das von vielen Bundesligisten viel zu knapp kalkulierte Überleben zu sichern. Die Signale sind inzwischen positiv, dass die Berliner Politik am Mittwoch beim nächsten Bund-Länder-Treffen die Erlaubnis erteilt, noch im Mai die SOS-Maßnahme starten zu können.

Ausgeräumt wird damit die Skepsis in weiten Teilen der Öffentlichkeit nicht sein, im Gegenteil. In ihr hat der Fußball stets eine Sonderrolle eingenommen, er hat sich als Unterhaltungsfirma über diese Öffentlichkeit definiert. Jetzt muss er ein scharfes Echo ertragen, in dem seine Selbstdarstellung gegeißelt wird. Auch dieser Prozess der betrieblichen Inspektion wird länger anhalten. Zunächst aber wird die Idee vom Gespensterfußball forciert vom immer deutlicher vorgetragenen Wunsch aus der Bevölkerung nach Öffnung. Und vom Drängen aus der deutschen Wirtschaft, allen Betrieben, ob groß oder klein, wenigstens die Option zur Existenzsicherung zu präsentieren.

In diesem Kanon wird der Fußball allenfalls mit Sondergenehmigung spielen dürfen - und nur auf Bewährung. Zwar ist das Argument, die Bundesliga würde zu viele Tests beanspruchen, aufgrund der aktuellen Versorgungslage entkräftet. Doch Innenminister Horst Seehofer wird sich später beim Wort nehmen lassen wollen, wenn er jetzt betont: Ein einziger Corona-Fall im Intensivkontakt im laufenden Spielbetrieb - und der betroffene Klub müsse in die 14-Tage-Quarantäne. Die daraus resultierenden Wertungs- und Regelfragen mag man sich kaum ausmalen.

Die Liga begibt sich in eine Laborsituation. In eine Phase von Versuch und Irrtum. Das erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, von Profis, aber auch Fans, die Stadien fernbleiben und sich vor Fernsehern nicht eng versammeln sollen. Eine mündige Gesellschaft kann solche Versuche wagen. Sie wird sie wieder abpfeifen, sollte sich ein Misslingen erkennen lassen.

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