Süddeutsche Zeitung

Start der Bundesliga der Frauen:Eine Liga kämpft gegen den Stillstand

  • Vor ihrer 30. Saison kämpft die Bundesliga der Frauen um Anerkennung und um Anschluss an die enteilende europäische Konkurrenz.
  • Als einzige Titelanwärter gelten Wolfsburg und die Bayern.

Von Anna Dreher

Vor dem Finale des europäischen Supercups saß Jürgen Klopp in der Pressekonferenz, vor sich ein Mikrofon, auf dem Kopf eine Kappe des FC Liverpool. Es war einer jener Momente, in denen besonders auf das geachtet wird, was der Trainer des Champions-League-Siegers gleich sagen würde. Weniger wegen der Begegnung gegen den FC Chelsea an sich, die Liverpool am Mittwoch im Elfmeterschießen gewann. Sondern wegen jener Person, die bei diesem bedeutenden Endspiel der besten Fußball-Männer Europas auf die Regeleinhaltung achten würde. Es war, zum ersten Mal: eine Frau, die französische Schiedsrichterin Stéphanie Frappart.

"Ich bin froh, dass wir Teil dieses historischen Moments sein können. Das ist mal eine kluge Entscheidung, eine Frau endlich ein ganz großes Spiel leiten zu lassen vor einem Millionenpublikum. Es ist das erste große Spiel für eine Frau, aber hoffentlich nicht das letzte", hatte Klopp vorab gesagt - und fügte nun an: "Hätten wir so gespielt, wie sie gepfiffen hat, hätten wir 6:0 gewonnen."

Diese Premiere mit Vorbildcharakter der 35 Jahre alten Frappart, die neben der Deutschen Bibiana Steinhaus als einzige Frau in einer europäischen Topliga der Männer pfeift, dürfte also eine Fortsetzung und Nachahmung finden.

Erinnerungen, die noch immer schmerzhafte Gefühle auslösen dürften

Sollten sich auch deutsche Nationalspielerinnen den Supercup angeschaut haben, werden sich in ihre Freude über mehr Frauen im Männerfußball auch einige Erinnerungen gemischt haben, die noch immer schmerzhafte Gefühle auslösen dürften. Denn Frappart war es auch, die bei der WM diesen Sommer in Frankreich unter anderem das Viertelfinale Deutschland gegen Schweden pfiff, von dem sich die Mannschaft von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg so viel mehr erhofft hatte als diese bittere 1:2-Niederlage.

Bundesliga – 1. Spieltag

1. FFC Frankfurt - Turbine Potsdam Fr. 18.30 (TV: Eurosport live)

SC Freiburg - FC Bayern München Sa. 13.00

FF USV Jena (A) - TSG Hoffenheim Sa. 13.00

VfL Wolfsburg (M/P) - SC Sand So. 14.00

SGS Essen - Bayer Leverkusen So. 14.00

1. FC Köln (A) - MSV Duisburg So. 14.00 (M) = Meister / (P) = Pokalsieger / (A) = Aufsteiger

Bald zwei Monate liegt das WM-Aus zurück - und es wirkt sich doch deutlich spürbar bis in die Gegenwart und Zukunft der am Freitag wieder beginnenden Bundesliga aus. Und es ist wohl eine Frage der Einstellung, ob diese Auswirkungen als positiv oder negativ betrachtet werden.

Das Erreichen des Halbfinales wäre ein versöhnliches Ergebnis und ein sehr guter Start für das im Umbruch steckende Team gewesen, das sich dann zudem die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 gesichert hätte, als Titelverteidiger. Das alles hätte auch der seit ihrer Gründung vor 30 Jahren um Anerkennung und Aufmerksamkeit kämpfenden Liga geholfen, die immer dann verstärkt im Fokus und in der öffentlichen Gunst stand, wenn die Nationalelf Erfolge feiern konnte - als Liga der Titelgaranten. Doch so fügt sich das aktuelle Bild der Nationalmannschaft in jenes der Bundesliga, die eine suchende geworden ist im internationalen Konkurrenzkampf. Eine Liga also, um die sich Klubverantwortliche und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) früher weit weniger sorgen mussten.

Doch genau deshalb kann die WM-Enttäuschung des zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameisters auch heilsam sein. Weil nun der Glanz der DFB-Elf nicht jene Defizite überstrahlt, die von der Liga in ihrem Jubiläumsjahr angegangen werden müssen. Spätestens seit dem Turnier ist klar: Es muss sich etwas bewegen, sonst geht der Anschluss verloren. Was helfen könnte, ist eine größere TV-Präsenz. Freitags wird künftig ein Spiel live bei Eurosport übertragen, eine Samstagspartie soll zudem zusammengefasst in der ARD-Sportschau laufen, sonntags gibt es zwei Spiele bei der Telekom zu sehen.

Bei der von Teilnehmern als bieder und von Aufbruchsstimmung eher entfernt beschriebenen Pressekonferenz zum Ligaauftakt sagte Siegfried Dietrich, Manager des 1. FFC Frankfurt: "So, wie es vor sich hingeplätschert ist, ist es nicht der massive Weg nach vorne. Wir wollen aus der Senke herauskommen." Wolfsburgs Sportlicher Leiter Ralf Kellermann hatte vor der WM von einem gefühlten Stillstand gesprochen: "Die Organisation der Liga ist gut. Aber jedes Jahr wandern Top-Spielerinnen ab, weil sie sehen, was woanders möglich ist." Meister Wolfsburg verlor gerade seine wichtige Offensivspielerin Caroline Hansen an den FC Barcelona, der FC Bayern gab Sara Däbritz an Paris Saint-Germain ab, Leonie Maier ging zum Arsenal WFC.

Das erhöht die Wahrnehmung und Wertschätzung

Dass längst auch andere Länder, vor allem England, den Frauenfußball für sich entdeckt haben, begrüßen Beteiligte und Beobachter natürlich. Das erhöht die Wahrnehmung und Wertschätzung und macht den Frauenfußball populärer - was auch bei der WM zu spüren war. Nur schreitet die Professionalisierung seit etwa drei Jahren durch die neue Investitionsfreude prominenter Lizenzvereine wie Barcelona, Juventus Turin oder Manchester City teils so schnell voran, dass die einst unter Spielerinnen so beliebte und für ihren Wettbewerb geschätzte deutsche Spielklasse angestaubt wirkt. Weil neben Geld in Sachen Infrastruktur, Marketing und Anerkennung anderswo sichtbar mehr Engagement gezeigt wird. "In Europa geht die Post ab und sie wird auch weiter abgehen", sagt Bayern-Managerin Karin Danner: "Entweder wir sind dabei - oder wir fallen hinten runter."

Dabei sind die Unterschiede bei den durchschnittlichen Zuschauerzahlen sowie der sportlichen Gesamtlage gar nicht so groß: Auch anderswo dominieren meist wenige Klubs, und andere kommen kaum hinterher - wie in Deutschland. Wolfsburg und die Bayern dürften erneut Meisterschaft und Pokal unter sich ausmachen. Neun von zwölf Trainern (ja, es gibt derzeit keine einzige Trainerin!) glauben das laut Kicker-Umfrage: Sascha Glass (SC Sand) war unentschlossen, die Betroffenen Stephan Lerch (VfL) und Jens Scheuer (FCB) blieben diplomatisch.

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SZ vom 16.08.2019/sonn
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