Friedhelm Funkel:Mächtiger als seine Vorgesetzten

Bayer Leverkusen - Fortuna Düsseldorf

Mächtiger, als manch einer denkt: Düsseldorfs Trainer Friedhelm Funkel.

(Foto: dpa)
  • Friedhelm Funkel ist beim Tabellenletzten Fortuna Düsseldorf so beliebt, dass seine Macht größer ist als die Macht seiner Vorgesetzten.
  • Nach der 0:3-Niederlage in Leverkusen muss sich zeigen, ob diese Popularität dem Trainer auch den Job retten kann.
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Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Im Laufe seiner 30-jährigen Tätigkeit als Fußballtrainer hat Friedhelm Funkel hinreichend Gelegenheit gehabt, das Wesen des Journalismus zu erforschen. Journalisten hätten einen Vorteil, dozierte der 66 Jahre alte Trainer von Fortuna Düsseldorf am Sonntagabend im Kreis der ständigen Berichterstatter: Sie könnten Sachverhalte, die sie nicht exakt durchschauten, andeuten und umschreiben. "Dieser Interpretationsspielraum - darum beneide ich Euch!", rief Funkel aus.

In sportlicher Beziehung war die Sachlage am Sonntagabend eindeutig: Nach der 0:3-Niederlage beim Nachbarklub Bayer Leverkusen nimmt Fortuna nun den letzten Tabellenplatz ein. Selbst Funkel kann daraus keinen Interpretationsspielraum formen. Es ging in seinen lehrreichen Ausführungen aber nicht um die im Prinzip planmäßige Niederlage, sondern um die Folgerungen. In der vorigen Woche hatte die Nachrichtenagentur dpa berichtet, dass Funkel nach knapp vier Jahren im Dienst der Fortuna vor dem Rauswurf stünde, sollte sein Team in Leverkusen und/ oder im folgenden Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt nicht erfolgreich sein.

Zwar weist Funkel aufgrund eigener Recherchen die Existenz eines Ultimatums zurück ("absolut unwahr"), doch mutmaßt auch er, dass die Information auf einer Verschwörung beruht. Er weiß aus seinem langen Trainerleben: Kein Kluboffizieller braucht ihm ein Ultimatum auszusprechen, um ein Ultimatum zu stellen - es genügt, anonym den Hinweis darauf zu streuen.

Die Fortuna-Kabine sei "ein verschworener Haufen", sagt Funkel

Den Rest erledigt der journalistische Interpretationsspielraum. Gegen Vorwürfe mangelnder Seriosität nahm Funkel die anwesenden Fortuna-Reporter allerdings in Schutz. Einerseits aus Gründen bewährter guter Zusammenarbeit, andererseits, weil es in diesem klubinternen Schattenkampf nicht schaden kann, die gute Zusammenarbeit mit der öffentlichen Meinung zu pflegen. Funkel ist in Düsseldorf außerordentlich beliebt, er hat die Fortuna vor dem Abstieg in die dritte Liga bewahrt, in die erste Liga geführt und ihr dort ein wunderbares Aufstiegsjahr beschert.

Im zweiten Erstligajahr ist die Lage schwieriger, dennoch ist keinem Funktionär zu empfehlen, Funkel öffentlich in Frage zu stellen. Der Trainer ist dank seiner Popularität mächtiger als seine Vorgesetzten, was manchem Vorgesetzten missfällt. Es ist nur folgerichtig, dass der Angriff jetzt aus dem Dunkeln kam; was allerdings die Frage hinterlässt, wer die Verschwörung in Gang gesetzt hat. Aus der sportlichen Abteilung sei das Gerücht nicht gekommen, sagte Funkel am Sonntag. Die Fortuna-Kabine sei "ein verschworener Haufen".

Als Funkel im Leverkusener Pressesaal von seinen Ermittlungen berichtete, hörte auch ein Herr zu, der nicht dem Mediencorps, sondern der Düsseldorfer Führungsetage angehört. Thomas Röttgermann, 59, Vorstandsvorsitzender seit April 2019, zeigte jedoch keine Bereitschaft, eigene Erkenntnisse beizusteuern. Eine Stellungnahme lehnte er ab, was sein gutes Recht, aber kein Vertrauensbeweis für den Trainer ist. Dass sich Röttgermann in dieser zwielichtigen Sache öffentlich raushält, könnte auch daran liegen, dass er, gemessen an seiner kurzen Amtszeit, schon ein erstaunliches Ausmaß an Affären und Kontroversen erlebt bzw. überstanden hat.

Auch Peter Bosz äußert sich solidarisch

Die hausinterne Intrige gegen ihn kann Funkel nicht gefallen, sie dürfte ihn aber auch nicht allzu sehr irritieren. Hat er alles schon mal erlebt. Er weiß, dass nur Punkte und Siege den Posten retten werden, den er zum letzten Trainerjob seiner Karriere erklärt hat. Den Auftritt seiner Mannschaft in Leverkusen stellte er in gutem Licht dar: Mit dieser Leistung könne er sich "hundertprozentig identifizieren", sagte er, "das war genau das, was wir uns für die Rückrunde vorgenommen hatten".

Bis Lars Bender in der 78. Minute das 2:0 schoss, gab sich das Spiel tatsächlich in alle Richtungen offen: Für einen Leverkusener Kantersieg ebenso wie für einen Düsseldorfer Auswärtspunkt, irgendwie wären beide Varianten gerechtfertigt gewesen. Unklar blieb allein die Rolle von Bayer-Stürmer Kevin Volland: Hatte er nur einen unglücklichen Tag, oder gehört er einer heimlichen Funkel-Unterstützer-Initiative an? Volland vergab nicht nur drei bis vier Großchancen, er verhinderte auch ein Tor des Kollegen Jonathan Tah und klaute einem anderen Kollegen, Julian Baumgartlinger, den Ball, als er gerade aufs Tor schießen wollte.

Von Bayer-Trainer Peter Bosz kam kein Tadel, sondern ein solidarisches Lob für Funkel: "Düsseldorf hat anders und besser agiert, als wir erwartet hatten." Den Düsseldorfer Fans hatte die Vorstellung ihrer Elf jedenfalls gefallen. Niemand rief "Funkel raus", und nach dem Abpfiff gab es lebhaften Applaus für die Profis.

"Feinfühlig" hätten die Fans reagiert, sagte Verteidiger Kaan Ayhan, "viele Spieler hatten Gänsehaut". Die Geste der Getreuen erklärte Funkel mit deren Sachverstand - "sie haben den Auftritt zu 100 Prozent richtig verstanden". Die Macht des Trainers basiert auch auf der Macht der Fans, am nächsten Samstag wird sich dann womöglich zeigen, ob es die Funktionäre wagen, mit ihrer Macht dagegenzuhalten.

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