Fernsehmitarbeiter im Fußball:Die Zweiklassengesellschaft der Bundesliga

Bundesliga

Die TV-Bilder werden von einer Tochterfirma der DFL produziert.

(Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Für TV-Mitarbeiter ist von der DFL weniger Corona-Schutz vorgesehen als für Spieler. Einige sagen, man habe die Wahl zwischen "Verhungern oder Verseuchen".

Von Klaus Ott und Jörg Schmitt

Das Rundschreiben, das vor ein paar Wochen an "alle Freelancer" der Bundesliga-Fernsehfirma Sportcast ging, wirkte auf den ersten Blick sehr fürsorglich. Man arbeite an Konzepten für eine "Rückkehr zum Spielbetrieb", erfuhren die freien Mitarbeiter. Das sind viele von denen, die hinter den Kulissen als Bildregisseure, Kameraleute, Kabelträger und in vielen anderen Funktionen im Auftrag von Sportcast dafür sorgen, dass die Spiele der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga auf allen Kanälen bestens zu sehen sind.

Man werde sich zeitnah melden, wenn es neue Informationen gebe, schrieb die Geschäftsführung der Firma. Das Schreiben vom 9. April endete mit dem Satz: "Allen Kolleg*innen, euren Familien und den Euch nahestehenden Personen wünschen wir vor allem Gesundheit sowie frohe Ostertage. Mit besten Grüßen ..."

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Doch mit der Fürsorge der Liga für das TV-Personal ist es nicht weit her. Das Corona-Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL), in der sich die 36 Profiklubs aus erster und zweiter Liga zusammengetan haben, sieht keine Infektionstests beim TV-Personal vor. Weder bei den Mitarbeitern der Sportcast, die der DFL gehört. Noch bei Beschäftigten anderer TV-Firmen, die an Spieltagen normalerweise zu Hunderten unterwegs sind. Wenn der Ball von Samstag, 16. Mai, an wieder rollen soll, muss das TV-Personal teils unter widrigen Bedingungen arbeiten. In den Übertragungswagen geht es bisweilen fast genauso eng zu wie in den Zweikämpfen auf dem Platz.

Doch die Corona-Tests sind begrenzt auf die Fußball-Profis und deren engeres Umfeld. Kein Wunder, dass es aus dem Kreise der Freelancer heißt, man fühle sich als "Menschen zweiter Klasse".

Das ruft die Politik auf den Plan. "In Fragen der Gesundheit darf es keine Zweiklassengesellschaft geben", erklärte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml auf Anfrage der SZ: "Es braucht daher natürlich auch eine medizinische Gleichbehandlung für all jene, die beruflich an der Wiederaufnahme des Spielbetriebs in den Fußball-Bundesligen beteiligt sind."

Politiker wie Markus Söder, Armin Laschet oder Jens Spahn haben mit Bundesliga-Bossen wie Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern, oder Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, beraten, wie die Bundesliga in Zeiten der Pandemie wieder spielen könne. Ohne Spiele keine TV-Übertragungen - und ohne TV keine Fernsehgelder. Von denen sind die Klubs abhängig, die einen mehr, die anderen weniger. Ohne TV-Gelder wäre mancher Klub in Kürze pleite. Doch während es bei all den Debatten vor allem um ausreichende Tests für die teuren Kicker, Trainer und Betreuer ging, blieb das unverzichtbare TV-Personal außen vor. Corona-Untersuchungen für diese Gruppe seien "nie Gegenstand des Konzeptes" gewesen, teilte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage mit.

Das Ministerium schiebt die Verantwortung den Firmen zu: "Für die Schutzmaßnahmen des TV-Personals sind die entsprechenden Arbeitgeber (Sendeanstalten) zuständig." Damit liegt der Ball vor allem bei der DFL-Tochter Sportcast, deren Aufsichtsrat von Schalke-04-Finanzvorstand Peter Peters geleitet wird. Sportcast produziert das Basissignal für die TV-Übertragungen. Teils wird bei den diversen Firmen mit Festangestellten gearbeitet, zum großen Teil aber mit Freelancern. Und von denen sind viele finanziell unter Druck, nachdem es wegen der Pandemie schon zwei Monate lang kaum Aufträge gab. Das Fehlen von Tests für diese Gruppe könnte, glaubt einer der Freelancer, das DFL-Corona-Konzept über den Haufen werfen.

Manche Maßnahmen wirken bizarr

In dem 51-seitigen Papier sind acht Seiten der TV-Produktion gewidmet. Mit vielen Details und einem bezeichnenden Satz: "Das Vorsichtsprinzip besagt, dass jeder am besten SELBST auf den Schutz seiner Person achten muss." Es gibt Hinweise und Vorgaben (Schutzmaterial, Hygienie, Abstandsregeln, Laufwege usw.) sowie eine Auflage, die zu größtmöglicher Sicherheit führen soll; "Jeder Produktionsbeteiligte" müsse einen Fragebogen zu etwaigen Covid-19-Symptomen ausfüllen. Fieber? Husten, Hals- oder Gliederschmerzen in den zurückliegenden 14 Tagen? Andere Hinweise? Bereits getestet?

Doch wer antworte ehrlich auf solche Fragen, wenn er das Geld brauche, heißt es dazu aus dem Kreise der Freelancer. Man sehne sich nichts mehr herbei als ein Hochfahren der Produktion, man müsse "ja von irgendwas leben". Ob sich jemand das Virus eingefangen habe, ließe sich dann nur mit einem "eindeutigen Test" klären.

Das DFL-Konzept hat noch einen weiteren großen Schwachpunkt: die Übertragungswagen (Ü-Wagen). In denen sollen zwar deutlich weniger Leute arbeiten als üblich, und diese sollen auch in größeren Abständen sitzen, getrennt durch Plexiglasscheiben. Im Kreise der Freelancer ist trotzdem von einem mulmigen Gefühl die Rede. In manchen Ü-Wagen gehe es so eng zu, dass drei Leute aufstehen müssten, wenn einer zur Toilette wolle. Schon früher sei es oft so gewesen, dass nach dem Spieltag die halbe Ü-Wagen-Besatzung Durchfall gehabt habe, wenn einer der Kollegen eine Magen-Darm-Infektion seiner Kinder eingeschleppt hatte.

Die DFL sieht das anders: "Bei den Arbeitsplätzen in der TV-Produktion können ausreichende Abstände gewährleistet werden. Darüber hinaus gelten Maskenpflicht und andere Hygieneanforderungen."

Auch werde das Personal überall verringert. Die Aufenthaltszeiten in den Ü-Wagen würden reduziert. Hinzu komme eine "regelmäßige Lüftung sowie Wartung der Klimaanlagen inklusive Austausch der Filter sowie intensivierte Wischdesinfektion des technischen Broadcast-Equipments mit einem geeigneten Flächendesinfektionsmittel". Das Konzept biete "gerade für die TV-Produktion größtmögliche Sicherheit in dieser Situation, insbesondere im Vergleich zu anderen Berufsbereichen".

Das hört sich gut an, aber manche Maßnahmen wirken fast schon bizarr bis hilflos. Auf private Unterhaltungen soll verzichtet werden, und auch sonst seien "keine unnötigen Gespräche zu führen". Pausen soll das TV-Personal "möglichst allein" verbringen, auch beim Essen. Für einen der Betroffenen klingt das weltfremd: "Wir haben uns zwei Monate nicht gesehen, wir haben uns viel zu erzählen."

Lauterbach hält das DFL-Konzept für ein "Feigenblatt"

Vor allem Vorgaben für die Ü-Wagen werden von den Freelancern als weltfremd betrachtet. "Im Idealfall erfolgen die Produktionen mit geöffneten Türen", sieht das Corona-Konzept unter anderem vor. Wenn aber von draußen zu viel Licht in den Ü-Wagen falle, sehe man nichts mehr auf den Monitoren, heißt es aus dem Kreise der Freelancer. Dort ist jetzt generell die Rede von "Verhungern oder Verseuchen". Das zeigt, wie groß die Ängste um die eigene Existenz und Gesundheit sind.

Das TV-Personal sei "mindestens so gefährdet, wie die Spieler selber", glaubt Karl Lauterbach, SPD-Bundestagsabgeordneter und Gesundheitsexperte. Ein Mindestabstand sei im Ü-Wagen und hinter den Kulissen kaum einzuhalten. Es würde allerdings auch nichts nützen, diese Gruppe regelmäßig zu testen, so Lauterbach. Damit könne man ein ohnehin löchriges Konzept nicht mehr retten. Das DFL-Konzept sei "ein Feigenblatt", das weder die Spieler noch das Umfeld schütze.

In den DFL-Vorgaben zur TV-Produktion heißt es übrigens, das Solidaritätsprinzip besage, "dass jeder auch für den ANDEREN zuständig ist und ihn schützen kann".

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