Bundesliga: FC Schalke:Tausend Freunde und falsche Versprechen

Die Schalker Profis machen sich für das Trainerteam stark - die Verantwortlichen aber misstrauen der guten Laune nach drei Siegen.

Philipp Selldorf

Orlando Engelaar ist nach der Erfahrung seines Mitspielers Heiko Westermann "ein super-netter Typ und auch ein sehr guter Fußballer". Die Fans des FC Schalke 04 haben das bisher allerdings anders gesehen, zumindest im Hinblick auf die fußballerischen Fähigkeiten des im vergangenen Sommer aus Enschede importierten Mittelfeldspielers. Spätestens seit Beginn der Rückrunde ließen sie wenige Gelegenheiten aus, den Spieler auszupfeifen.

Bundesliga: FC Schalke: Drei Mann, eine Erkenntnis: Schalke spielt mit Interims-Trainerteam erfolgreicher als mit einem Coach.

Drei Mann, eine Erkenntnis: Schalke spielt mit Interims-Trainerteam erfolgreicher als mit einem Coach.

(Foto: Foto: dpa)

Engelaar wurde für seine Leistungen bestraft, die in schlechtem Verhältnis zum hohen Einkaufspreis standen, und für die Tatsache, dass sich die Fans wegen eines skandalösen Fabrikationsfehlers betrogen fühlten - er kann, obwohl Zögling der niederländischen Schule, den Ball ausschließlich mit links spielen. Vor allem aber musste der 29-Jährige stellvertretend für eine Saison büßen, die Westermann unverblümt "ein Drecksjahr" nennt: Engelaar symbolisierte die Summe der Enttäuschungen in Schalke.

Es war daher ein Zeichen der seelischen Genesung, dass am vergangenen Freitag das Publikum Orlando Engelaar nach dessen Einwechslung zunächst mit freundlichem und nach seiner Vorlage zu Kuranyis 4:0 gegen Cottbus mit geradezu frenetischem Applaus bedacht hat.

Schalke, so scheint es, erinnert sich wieder seines ideologischen Leitmotivs, und wachgerufen hat es, wie Nationalspieler Jermaine Jones erzählt, Mike Büskens: "Tausend Freunde, die zusammenstehn / dann wird Schalke niemals untergehn."

Büskens, 41, hat seinen Spielern tatsächlich aus dem Vereinslied zitiert, und die große Kunst daran ist, dass das weder peinlich noch kitschig wirkt. "Er lebt, was in Schalke passiert", meint Westermann. So wie der auswärtige Engelaar das Gesicht der Krise war, verkörpert der aufrichtige Ur-Schalker und auf Lebenszeit als "Eurofighter" geadelte Büskens den Aufschwung. Im Publikum befriedigt er die Sehnsucht nach der heilen Vereinswelt, im Team das Verlangen nach Klarheit und nach Lockerheit.

Mit seinen Partnertrainern Youri Mulder und Oliver Reck habe er "nach dem ganzen Tohuwabohu hier etwas ganz Wichtiges geschaffen: Sie haben Leben in die Truppe und in die Kabine gebracht", sagt Linksverteidiger Christian Pander, der selbst das beste Beispiel für neues Leben in Schalke ist. Fred Rutten hatte Pander wegen dessen Verletzungsanfälligkeit misstraut und hat ihn ignoriert, obwohl er seit Dezember gesund ist. Was für ein Fehler das war, beweist Pander, seitdem das neue Trainertrio regiert und er wieder zur Stammelf zählt.

"Warum sollte man Erfolg austauschen?"

Noch ist allerdings niemandem klar, ob der Aufschwung dem neuen Trainer-Kollegium zu danken ist oder doch dem DFL-Computer, der den Spielplan entworfen hat. Die Siege in Bielefeld, gegen Karlsruhe und Cottbus waren möglicherweise trügerisch, weshalb die nach dem Rauswurf von Manager Müller verbliebenen Schalker Verantwortlichen verhalten auf die Appelle der Spieler reagieren, dem Trainertrio auch die Verantwortung für die nächste Spielzeit anzuvertrauen.

"Warum sollte man Erfolg austauschen?", fragt Heiko Westermann, aber eben dies macht den Vorstand misstrauisch: dass die Spieler so einmütig für ihre neuen Chefs plädieren. Dass jedoch der redselige Aufsichtsratschef Clemens Tönnies just vor Schalkes Auftritt beim FC Bayern verkündete, nach Saisonschluss am 23. Mai einen neuen Manager und einen neuen Trainer zu präsentieren, ist eine doppelt fragwürdige Aussage: weil er schon öfter Versprechen gegeben, aber nicht erfüllt hat, und weil er die gute Laune untergräbt, die in Schalke herrscht.

Büskens, der Sprecher des Betreuer-Konsortiums, geht mit den amtlichen Unklarheiten in der Trainerfrage gelassen um: "Ich denke, gewisse Gremien machen sich Gedanken", sagt er. "Vielleicht sucht man nach einer großen Lösung. Das ist legitim."

Kenner sagen ihm nach, dass er nichts dagegen hätte, wenn die gewissen Gremien auf die Idee kämen, dass die große Lösung längst am Werk ist. Büskens selbst sagt dazu nicht Ja und nicht Nein: "Es geht nicht um mich, es geht um diesen Klub", meint er und räumt hinsichtlich seiner persönlichen Ambitionen lediglich ein, vielleicht sei nun "das Spektrum der Möglichkeiten ein bisschen größer".

So oder so: Nur noch ein Sieg fehlt, dann schreiben Büskens, Mulder und Reck Geschichte. Es wäre - verteilt auf die beiden Amtszeiten in der laufenden und der vorigen Saison - der zehnte ihrer gemeinsamen Trainerschaft, nur ein Remis trübt die Bilanz. Den Bundesliga-Rekord als Einsteiger beim neuen Klub hält bisher Ralf Rangnick, 2004/2005 startete er in Schalke mit neun Siegen und einer Niederlage.

Dass der FC Bayern der Bestmarke im Weg steht, schreckt die wieder selbstbewussten Schalker nicht. Halil Altintop erklärte sich sogar bereit, seinem Zwillingsbruder Hamit wehzutun: "Wenn er mir über den Weg läuft, dann fege ich ihn weg."

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