FC Hansa Rostock:Endlich wieder positiv in Erscheinung

Rostock, Deutschland 22. Mai 2021: 3. Liga - 2020/2021 - FC Hansa Rostock vs. VfB Luebeck /// DFB regulations prohibit a

Die Spieler des FC Hansa feiern die Rückkehr in die zweite Liga - mit 7500 Fans im Stadion.

(Foto: Voelker/Imago)

Nach neun Jahren in der Drittklassigkeit gelingt dem FC Hansa der ersehnte Aufstieg in die 2. Liga. Mehrfach stand der Verein vor der Insolvenz, nun geht eine echte Odyssee zu Ende - geholfen hat auch ein Investor.

Von Thomas Hürner

Der Inzidenzwert lag in Rostock zuletzt bei 43, Tendenz fallend, aber das kollektive Emotionalisierungs-Level wies am Samstag eine glatte 10 von 10 auf der Skala aus. 7500 Zuschauer waren ins Ostseestadion gekommen, allesamt Dauerkarteninhaber und Vereinsmitglieder des FC Hansa, verteilt ausschließlich auf Sitzplätzen und in sehnlicher Erwartung auf das, was um 15.22 Uhr zur Gewissheit wurde: Hansa kehrt zurück in die zweite Liga, nach einem 1:1 gegen den VfB Lübeck und fast einer Dekade in den Niederungen des deutschen Profibetriebs.

Nach dem Abpfiff legte sich eine dicke Rauchschwade übers Spielfeld, auf der Tribüne wurde gesungen, gesprungen und auch ein bisschen mit Pyro gezündelt. Einige Hansa-Spieler fielen auf die Knie, der Rostocker Bürgermeister Claus Ruhe Madsen ballte die Faust, auch er war dabei, natürlich.

"Irre, mehr geht nicht", sagte er hinterher im Fernsehen, während eine Spielerpolonaise an ihm vorbeizog, singend, jubelnd, grölend. Madsen hatte sich im Vorfeld dafür eingesetzt, dass dieser Nachmittag nicht vor leeren Rängen stattfinden muss, eine geordnete Party im Stadion war ihm lieber als ein wildes Treiben in der gesamten Stadt. So ganz ließ sich das nicht vermeiden, aber an der Ostküste überwog erst einmal die pure Freude.

Trainer Jens Härtel hat ein Kollektiv geformt, das niemals für die Galerie spielt, sondern nur fürs Ergebnis

Das Unentschieden gegen Lübeck genügte für die Erlösung, hinter dem Klub liegen neun harte Jahre in der Drittklassigkeit. Rostock kam auf Platz zwei ins Ziel, hinter dem alten DDR-Rivalen Dynamo Dresden und vor dem punktgleichen FC Ingolstadt, das bessere Torverhältnis war ausschlaggebend. Die größte Kulisse, die es an diesem Wochenende in Deutschlands Fußballstadien gab, schien die Mannschaft aber eher zu hemmen, alles wirkte angestrengt und bisweilen etwas gequält.

Hansa geriet nach rund einer halben Stunde in Rückstand, der Ausgleich fiel wenig später per Foulelfmeter, schnörkellos verwandelt von Mittelfeldmann Bentley Baxter Bahn. Daraufhin schaltete die Heimelf in den Verwaltungsmodus, nur zaghaft wurde nach vorne gespielt, aber hinten stand Hansa sicher. Das war nicht nur die Strategie am Samstag, das ist auch typisch für die Mannschaft von Trainer Jens Härtel. Er hat in seiner zweieinhalb Jahre währenden Amtszeit ein kampffestes und selbstbewusstes Kollektiv geformt, das niemals für die Galerie spielt, sondern nur fürs Ergebnis.

"Es ist so selten im Leben eines Trainers, dass man mal den Haken dran machen kann", sagte Härtel, nachdem der Haken dick und fett hinter die Abschlusstabelle gesetzt worden war. Für Hansa geht mit dem Aufstieg eine echte Odyssee zu Ende. Auf der Chefetage wurde jahrelang intrigiert, die Sportchefs kamen und gingen, genauso wie die Trainer.

Die Hansekogge trieb führungslos durch die Stürme des deutschen Profibetriebs, das endgültige Absaufen schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Gleich mehrfach hatte die Insolvenz gedroht, auch die Stadt Rostock musste finanziell aushelfen, durch ein millionen­schweres Paket wurden dem Verein unter anderem Steuerverbindlichkeiten erlassen.

Der Aufstieg gelingt fast genau 30 Jahre nach dem größten Erfolg der Klubgeschichte

Doch im Jahr 2015 geschah dann das, was unter Fußballtraditionalisten heftigen Widerstand auslöst: in Rolf Elgeti stieg ein Investor im Klub ein, mit einem Darlehen rettete er Hansa damals die Lizenz. Als Kind war Elgeti im alten Ostseestadion gestanden, Block E, so hat er es immer wieder erzählt. Und als aus dem Sohn eines mecklenburgischen Kartoffelbauers später ein erfolgreicher Finanzanalyst geworden war, hatte er schließlich das nötige Kleingeld, um dem Verein bei der Finanzierung eines neuen Stadions zu helfen.

Einige Hansa-Fans haben ihren Frieden mit Elgeti gemacht, beim harten Kern wird er allerdings niemals als Bestandteil des Klubs akzeptiert werden. Zu den Elgeti-Gegnern zählen vermutlich auch jene Rostock-Ultras, die in der Vorwoche den Mannschaftsbus mit 30 Autos auf der Rückreise aus Unterhaching zum Stehen gebracht hatten, mitten auf der Autobahn. Die Ermittlungen laufen, unter anderem wegen Landfriedensbruch und Verstößen gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Infektionsschutzgesetz.

Am Samstag ist nur eine größere Entgleisung bekannt geworden. Vor dem Spiel gab es einen riesigen Fanmarsch in Richtung Stadion, bei dem die Masken ausweislich der Fernsehbilder häufig unter den Kinnladen hingen und Rauchbomben gezündet wurden. Ein Beamter wurde von Pyrotechnik am Auge verletzt, wie die Rostocker Polizei mitteilte.

Doch immerhin sportlich ist Hansa endlich mal wieder positiv in Erscheinung getreten, und das fast genau 30 Jahre nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Damals gewann man die letzte DDR-Meisterschaft und qualifizierte sich dadurch für die gesamtdeutsche Bundesliga, in der folgenden Dekade gehörten die Rostocker zur Stammbesetzung im Oberhaus.

Davon ist Hansa zwar noch weit entfernt. Was aber schon der Aufstieg in die Zweitklassigkeit für die Stadt und den Klub bedeutet, hat Jan Löhmannsröben ziemlich prägnant zusammengefasst. Der Hansa-Mittelfeldmann stand, womöglich etwas trunken vor Glück, nach dem Abpfiff vor der Fernsehkamera und frohlockte: "Dieser Moment ist schöner als der beste Sex, den ich in meinem Leben hatte."

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