Bundesliga: FC Bayern:Wie ein Klamaukkick

Offensiv brillant, defensiv ziemlich wackelig: Das 3:1 in Mainz offenbart im Spiel des FC Bayern ein immenses Ungleichgewicht. Doch reicht solch eine Konstruktion, um nun in der Champions League gegen Inter Mailand zu bestehen?

Maik Rosner, Mainz

Es gibt Spiele, nach denen die Einschätzungen ein wenig auseinander driften. Das des FC Bayern beim FSV Mainz 05 gehörte in diese Kategorie. Louis van Gaal hatte zum Beispiel ein "sehr gutes Spiel" gesehen und wirkte deshalb recht vergnügt. Wenn er noch etwas bemängeln müsste, "dann ist es die Chancenverwertung", sagte der Trainer der Münchner und befand doch milde: "Aber drei Tore auswärts - das ist sehr gut." Sein Mainzer Kollege Thomas Tuchel allerdings meinte: "Ich wäre mit der Chancenverwertung von Bayern München sehr zufrieden."

FSV Mainz 05 - FC Bayern München

Die Faust des Künstlers: Arjen Robben beim 3:1 des FC Bayern in Mainz.

(Foto: dpa)

Das 3:1 (1:0) des Meisters bei den in der Vorrunde so frechen und in München siegreichen Mainzern hinterließ tatsächlich einen etwas diffusen Eindruck. Vorne brillierten die Bayern phasenweise und sorgten vor allem mit den drei offensiven Mittelfeldspielern hinter Stürmer Mario Gomez - mit Arjen Robben, Thomas Müller und Franck Ribery - für eine ganze Reihe sehenswerter Angriffe und Chancen.

Zugleich aber hätten sie sich nicht wundern dürfen, wenn aus diesem scheinbar klaren Sieg ein torreiches Spektakel entstanden wäre. Ein 5:3 oder auch knappes 4:3 wäre durchaus denkbar gewesen. Denn phasenweise nahm die Begegnung zumindest den Chancen nach Züge der beiden vorweihnachtlichen Klamaukkicks in der Liga und im Pokal beim VfB Stuttgart (5:3 und 6:3) an, die ja beide gar nicht so deutlich ausfielen, wie es die Ergebnisse vermuten ließen.

So aber konnte van Gaal generös über den wesentlichen Makel seiner Mannschaft hinwegblicken. Erst ganz am Schluss seiner Analyse erwähnte er, dass man "viel zu viele Ballverluste erlitten" habe: "Ich denke, dass wir zu leichtfertig gespielt haben. Aber okay: Wir haben gewonnen und sind Zweiter."

Dabei boten die zeitweiligen Turbulenzen in der Defensive nach den Ballverlusten durchaus Anlass für ein wenig mehr Sorge vor dem nun folgenden Hinspiel im Achtelfinale der Champions League am Mittwoch bei Inter Mailand. Einige Male gerieten die Bayern doch arg ins Schlingern, vor allem Innenverteidiger Holger Badstuber hatte so seine Mühe mit Sami Allagui, dem spät noch der Ehrentreffer gelang. 84. Minuten waren da schon gespielt.

Zuvor hatten Bastian Schweinsteiger mit seinem ersten Kopfballtor in seinem 239. Bundesligaspiel (9.), Thomas Müller (50.) und Mario Gomez mit seinem 18. Saisontor (77.) ein Spiel entschieden, in dem die Bayern dennoch zwischen den Welten pendelten und eine Unwucht offenbarten: offensiv reif für den Viertelfinal-Einzug in der Champions League, defensiv eher fernab internationaler Erfolge.

Nerlinger spricht von "stabilem Eindruck"

Es war auch Thomas Kraft und dem in der zweiten Halbzeit eingewechselten Jörg Butt zu verdanken, dass die Null so lange Bestand hatte. Kraft war nach einem Zusammprall mit Petar Sliskovic mit einer Schädelprellung in der Kabine geblieben. Van Gaal dichtete dazu den schönsten Satz des Abends. "Er ist noch immer ein bisschen von dieser Welt verschwunden", berichtete der Niederländer. Krafts Einsatz gegen Titelverteidiger Inter soll aber wohl nicht gefährdet sein. An der Rangfolge der Torhüter wird sich ohnehin nichts ändern. "Er ist unsere Nummer eins, nicht Jörg Butt", sagte van Gaal.

Es passte ganz gut zu diesem Spiel, dass der offensive Müller das Gefälle zum Defensivverhalten am deutlichsten benannte. Sicherlich "kein optimales Spiel" sei das gewesen, sagte der WM-Torschützenkönig und beantwortete die Frage, ob man Inter ähnlich viele Chancen gestatten dürfe, eindeutig: "Mit Sicherheit nicht. Das wäre sehr gefährlich." Es wird den Mitspielern gefallen haben, dass Müller jedoch nicht auf die Kollegen in der Defensive verwies, sondern sich selbst eine Teilschuld an den zwischenzeitlichen Turbulenzen gab.

"Klar" habe es einige Wackler gegeben, aber: "Das liegt auch an der Offensive. Wenn vier Spieler vorne zu viel Risiko gehen, dann hast du vier Spieler weniger zum Verteidigen. Wir müssen es schaffen, dass das Gleichgewicht beim Umschalten von Angriff auf Abwehr noch besser wird", sagte Müller.

Als Sportdirektor Christian Nerlinger später im ZDF-Sportstudio saß, berichtete er ähnlich beschwingt wie van Gaal von einem "sehr stabilen Eindruck", den die Mannschaft derzeit hinterlasse: "Die letzten beiden Spiele stimmen zuversichtlich und optimistisch. Vielleicht können wir das ein oder andere Highlight im DFB-Pokal und in der Champions League erleben."

Tuchel hatte vorher über seine Mannschaft gesagt: "Mit der Qualität der Torchancen bin ich sehr zufrieden. Wenn wir einen Gegner wie Bayern München schlagen wollen, müssen wir diese Chancen verwerten." Dieser Makel betraf also Münchner und Mainzer gleichermaßen.

Der Unterschied war, dass die Bayern dank ihrer höheren Qualität vorne dennoch ausreichend häufig trafen. Im Defensivverhalten waren die Unterschiede zu den Mainzern nicht so stark ausgeprägt.

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