Die Menschen, die beim Fußball-Weltverband mit dem Zusammenschneiden schöner Videos beauftragt sind, waren am Mittwochabend wahrscheinlich schon fertig, aber das war fast ein bisschen schade. Wenn an diesem Donnerstagabend in Zürich die weltbesten Spieler 2020 ausgezeichnet werden, dann werden auch in diesem Jahr ohne festliche Gala wohl die herausragenden Szenen der Protagonisten gezeigt. Und was Robert Lewandowski und Manuel Neuer angeht, die zwei nominierten Fußballer des FC Bayern, war beim 2:1 gegen den VfL Wolfsburg im letzten Heimspiel des Jahres noch einmal sehr Vorzeigbares, geradezu Exemplarisches dabei.
Die zwei Tore von Lewandowski, 32, waren vor allem wegen der Zahlen beeindruckend, die sie bedeuteten: Ein Kopfball kurz vor der Pause zum Ausgleich, ein trockener Abschluss nach einem so kurzen wie effektiven Dribbling zum 2:1 kurz nach der Halbzeit, so hat er für den FC Bayern schon oft getroffen, sehr oft. Es waren seine Saisontore Nummer 14 und 15 sowie die Bundesliga-Tore Nummer 250 und 251. Sehr viele dieser Treffer waren für seine Gegner so kompliziert zu verteidigen wie der zweite gegen Wolfsburg, als sich Lewandowski dem hoch gelobten VfL-Verteidiger Maxence Lacroix gegenübersah, der die Körpertäuschung vor dem Abschluss geschehen ließ, als könne er sowieso nichts mehr ändern - und so ähnlich war es ja auch.
FC Bayern in der Einzelkritik:Boateng spielt den Pass des Abends
Eine Aktion des Verteidigers passt wie ein Schlüssel ins Schloss, Corentin Tolisso vereinsamt und Serge Gnabry kommt mächtig ins Schnaufen. Der FC Bayern in der Einzelkritik.
Was Manuel Neuer, 34, kurz vor Schluss zeigte, um den Toren ihren Wert zu erhalten und den Sieg zu sichern, war fast noch etwas beeindruckender. Er habe sich nicht geärgert, erzählte später Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner, er habe "gestaunt". In der 85. Minute bekam der eingewechselte Bartosz Bialek frei vor dem Münchner Tor an den Ball, er ist 19, er lief zum ersten Mal in seinem Leben auf Neuer zu, und das schien ihn zu beeindrucken. Bialek schoss hart, aber eher mittig aufs Tor, Neuer riss seinen linken Arm nach oben und hielt. Ein "grandioser Save", fand Glasner.
Flick muss bei der Taktik "kreativ sein"
Neben Neuer als bestem Torwart und Lewandowski als bestem Fußballer ist Trainer Hansi Flick der dritte Münchner Protagonist bei der Fifa-Wahl. Für ihn spricht das nicht ganz unerhebliche Argument, die Mannschaft zu jedem möglichen Titelgewinn dieses Jahres geführt zu haben, außerdem hat er die nie zuvor gekannten Belastungen der vergangenen Monate so moderiert, dass die Münchner am kommenden Samstag bei Bayer Leverkusen um die Tabellenführung vor der kurzen Winterpause spielen. Highlight-Szenen allerdings, sollte es die auch von Trainern geben, gab es am Mittwoch eher nicht von ihm zu sehen.
Wie so oft in dieser Saison musste er bei der Wahl von Aufstellung und Taktik "kreativ sein", wie er selbst sagte. Gegen Wolfsburg ergab dieser Kreativprozess die überraschende Lösung, Innenverteidiger Niklas Süle als Rechtsverteidiger aufzustellen, was durch eine sehr offensive Rolle von Lucas Hernandez auf links eine Art Dreieinhalber-Kette ergab. Mit der Arbeit vor der Abwehr war allein Corentin Tolisso beauftragt, wobei ihm wahlweise aus der Offensive die Flügelangreifer oder Thomas Müller zu Hilfe kommen sollten. Gegen diese zwangsläufig um Balance und Abstimmung ringende Münchner Defensive gelang den Wolfsburgern nicht nur der Führungstreffer nach fünf Minuten und einem Stockfehler von Leroy Sané, es gelang der zuvor ungeschlagenen Überraschungsmannschaft der Liga auch danach eine Vorstellung, die Trainer Glasner zufriedenstellte. Auch nach dem sechsten Rückstand im sechsten Bundesligaspiel in Serie ließen die Münchner noch einige Chancen zu.
Kimmich und Goretzka könnten zurückkehren
"Wir haben gewonnen, das ist jetzt das Entscheidende", sagte Flick, es klang wohl nicht zufällig wie eine Durchhalteparole, auch wenn der Trainer sagte, er habe "keine Müdigkeit gesehen". Am Samstag in Leverkusen könnte neben dem am Mittwoch verletzten Leon Goretzka vielleicht auch Joshua Kimmich zurückkehren, seit dieser Woche ist er nach einer Operation am Außenmeniskus wieder im Mannschaftstraining. Jedenfalls dürften die Münchner dann, wenn es um den perfekten Abschluss des Jahres geht, wieder anders verteidigen. Und im Zweifel spielen ja vorne und hinten jeweils Fußballer mit, die ein Spiel alleine entscheiden können.
Er habe "noch nicht viel nachgedacht" über die Wahl zum Weltfußballer, sagte Robert Lewandowski übrigens. Mindestens die Wolfsburger haben das am Mittwoch aber schon getan. Torschütze Maximilian Philipp zog gleich nach Schlusspfiff im Sky-Interview ein versöhnliches Fazit nach der ersten Niederlage der Saison. "Sie haben den besten Torhüter und wahrscheinlich den besten Spieler der Welt", sagt er: "Dann kann so etwas passieren."