Bundesliga: FC Bayern:Münchner Angst

Nach der Niederlage in Köln schreibt der FC Bayern den Gewinn der Meisterschaft endgültig ab. Der Verein muss nun vielmehr fürchten, dass aus einer missratenen Saison eine desaströse wird.

Jürgen Schmieder, Köln

Es bahnt sich ein Skandal an im europäischen Fußball, den nur deshalb noch keiner bemerkt hat, weil es so unvorstellbar klingt, was da bald passieren könnte. Es könnte nämlich vorkommen, dass einem Verein verboten wird, an einem Heimspiel teilzunehmen - ja, dass dieser Klub schon zwölf Monate zuvor mitgeteilt bekommt, dass er an diesem Tag keinesfalls ein Spiel im eigenen Stadion haben wird.

Es geht um das Champions-League-Finale im Jahr 2012, das in der Münchner Arena ausgetragen wird: Dem FC Bayern droht schon ein Jahr zuvor die Gewissheit, dass dieses Endspiel ohne Münchner Beteiligung ausgetragen wird. Nach dem grotesken 2:3 beim FC Köln rangieren die Münchner auf dem fünften Rang, die Chance auf den Gewinn der Deutschen Meisterschaft ist nur noch theoretischer Art: "Dortmund lacht sich doch kaputt", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. "Die spielen nur Unentschieden und gewinnen trotzdem einen Punkt."

Es geht die Angst um beim FC Bayern, dass aus einer bislang missratenen Saison eine desaströse werden könnte. Derzeit ist gar die Qualifikation für die Europa League in Gefahr, auch wenn darüber kaum jemand sprechen mag - aber in Berlin wollte im vergangenen Jahr auch niemand über den Abstieg reden.

Eine Spielzeit ohne internationalen Wettbewerb passt so gar nicht zum Selbstverständnis dieses Vereins, weshalb Rummenigge noch deutlichere Worte fand: "Es war fahrlässig, wie wir in der zweiten Halbzeit aufgetreten sind. Damit gefährden wir die Ziele, die wir haben."

Der FC Bayern hatte die Partie gegen schwache und einfallslose Kölner kontrolliert und durch zwei sehenswerte Treffer von Mario Gomez und Hamit Altintop zur Pause mit 2:0 geführt. Wahrscheinlich hatten sich auf dem Weg in die Kabine alle Spieler außer Gomez - der war damit beschäftigt, seinem Gegenspieler Youssef Mohamad sein Trikot anzubieten - überlegt, was sie auf die nervigen Meisterschafts-Chance-Fragen der Journalisten nach dem Spiel antworten sollten.

Süffisantes Dementieren, schelmisches Understatement oder doch eine Kampfansage?

Wahrscheinlich überlegten zahlreiche Spieler während der zweiten Halbzeit immer noch, denn anders ist kaum zu erklären, dass sich eine zuvor harmlose Kölner Elf plötzlich leidenschaftlich in dieses Spiel zurückkämpfte, sich Torchancen erspielte und durch Christian Clemens und Milivoje Novakovic, der gleich zweimal das Münchner Tor fand, tatsächlich drei Treffer erzielen durfte.

Plötzlich mussten Spieler und Verantwortliche keine Fragen mehr zur Meisterschaft beantworten, sondern Fragen danach, wie so etwas passieren konnte, warum es in dieser Saison derart häufig passiert und ob es denn sein könne, dass das Undenkbare passiert, nämlich dass sich der FC Bayern nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert.

"Ich bin böse, enttäuscht und erstaunt"

"Ich bin böse, enttäuscht und erstaunt", sagte Louis van Gaal nach dem Spiel. "Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir ein Spiel hergeben. Es ist das vierte oder fünfte Mal, dass es passiert. Es mangelt an Konzentration." Seine Mannschaft habe zwar nach dem Rückstand noch einmal versucht, zurückzuschlagen: "Aber da war es zu spät. Und es war verdient zu spät."

1. FC Koeln v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Zu sorglos? Bayern-Trainer Louis van Gaal.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Trainer des FC Bayern räumte dabei ein, vielleicht selbst einen Fehler gemacht zu haben. Seine Ansprache in der Halbzeitpause sei womöglich zu souverän gewesen. Vor allem aber ärgert van Gaal, dieses Spiel nicht gemeinsam mit der Mannschaft aufarbeiten zu können. "Wegen des Länderspiels habe ich kaum Spieler zur Verfügung, es gibt also keine Nachbesprechung. Das ist ein großes Problem."

Es gäbe eine Menge aufzuarbeiten nach dieser Partie, die schonungslos die Probleme offenbarte, die den FC Bayern in dieser Saison plagen. Der Kader der Münchner mag der womöglich stärkste der Bundesliga sein, doch die Elf, die da am Samstag auf dem Platz stand, kann bei objektiver Betrachtung höchstens als überdurchschnittlich bewertet werden. Das liegt auch daran, dass fünf Spieler (Timoschtschuk, Gustavo, Pranjic, Schweinsteiger und Müller) auf Positionen spielen müssen, die nicht ihre liebsten sind

Freilich sind Arjen Robben und Franck Ribéry ständig verletzt, doch wussten die Verantwortlichen bereits bei deren Verpflichtung, dass es sich nicht unbedingt um Akteure handelt, die mit Zementknochen und unreißbaren Muskeln ausgestattet sind.

Dazu ist nach dem Abgang von Mark van Bommel plötzlich Andreas Ottl der prägende Mann im defensiven Mittelfeld - ein Akteur, der vor Jahresfrist mangels Perspektive noch zum FC Nürnberg ausgeliehen wurde. Er teilt sich die Aufgabe mit Danijel Pranjic - ein Akteur, der vor Jahresfrist als gescheitert galt und sich in der Hinrunde im linken Mittelfeld empfahl.

Innenverteidiger Holger Badstuber mag über ein ausgesprochenes Talent verfügen, doch wie jeder junge Spieler unterliegt er teils gravierenden Leistungsschwankungen und durchläuft gerade ein tiefes Tal. Er muss neben den gelernten defensiven Mittelfeldspielern Timoschtschuk und Gustavo agieren und bildet mit den beiden ein Trio, dem man vor allem in der zweiten Halbzeit einen Kompass zuwerfen wollte, weil es gar so orientierungslos agierte.

Es passt zu dieser Situation, dass nun auch van Gaal während eines Spiels Fehler begeht. Er ließ Badstuber auf dem Feld, obwohl sich der indisponiert zeigte und nach einer Notbremse in der 19. Minute die rote Karte hätte sehen müssen. Stattdessen saßen Breno und van Buyten 90 Minuten lang auf der Bank. Dafür hielt van Gaal an seiner Tradition fest, Hamit Altintop unabhängig von dessen Leistung stets nach 60 Minuten auszuwechseln. Es kam der nach seiner Verletzung auffallend zögerliche Franck Ribéry - und später durfte der noch zögerlichere Miroslav Klose aufs Feld.

Van Gaal geht mit der verzwickten Situation derzeit wütend, aber auch scheinbar ein wenig sorglos um. "Wir haben eine große Chance verpasst, auf Platz zwei vorzurücken", sagte er nach dem Spiel. "Da auch Mainz und Leverkusen nicht gewonnen haben, hat sich da nicht viel verändert."

Ein wenig hat sich aber schon verändert: Nach diesem Spieltag wird der FC Bayern nur noch auf einem Rang stehen, der zur Teilnahme an der Europa League berechtigt.

Am kommenden Spieltag geht es gegen Hoffenheim deshalb zuerst einmal darum, einen Konkurrenten für diesen Wettbewerb auf Distanz zu halten. Danach kann sich der FC Bayern wieder dem Ziel widmen, sich für die Champions League zu qualifizieren - und sich damit die Chance zu erhalten, beim Finale 2012 ein Heimspiel zu haben.

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