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Bundesliga: FC Bayern München:Warten auf Alaba

Dass der FC Bayern im Sommer keine neuen Spieler gekauft hat, war eine eigentlich lobenswerte Entscheidung. Dennoch lagen die Münchner damit falsch.

Klaus Hoeltzenbein

Es ehrt Louis van Gaal, dass er nicht in Larmoyanz ausbricht. Dass er auf der Suche nach Erklärungen nicht jene Schicksalsmächte beschimpft, die ihm Arjen Robben, Franck Ribéry und, jawoll, David Alaba wegen Verletzung aus dem Kader gerissen haben.

Alaba ist längst nicht so prominent wie Robben und Ribéry, die beim FC Bayern für jene Prise Wahnsinn sorgten, die aktuell fehlt. Dieser Alaba, 18, ist jedoch ein Kronzeuge dafür, warum die Lage in München trüb ist wie der Wiesn-Kater am Morgen danach. Denn immer, wenn im Sommer davon die Rede war, ob der Kader verändert werden solle oder dass Zugänge die Platzhirsche fordern müssten, beschied der Trainer klar: "Alaba ist besser!"

So kam es zu kuriosen Debatten. In denen packten die Bayern-Bosse gern ihre Geschichtsbücher auf den Tisch, wo ja geschrieben steht, dass der Verein stets nach einer WM oder EM von einer großer Müdigkeit befallen wurde. Doch alle Vorschläge, den Kader zu vitalisieren - beispielsweise durch den Versuch, den Stuttgarter Khedira nicht zu Real Madrid ziehen zu lassen, sondern nach München umzuleiten -, konterte van Gaal mit der Alaba-ist-besser-Formel.

Diese Losung steht für ein Programm der Talentförderung. Van Gaals Absicht ist es immer noch, in jene Elf, die ja jüngst erst die Meisterschaft, den DFB-Pokal und beinahe die Champions League gewann, die im Vorjahr ausgeliehenen Kräfte Breno (zurück aus Nürnberg), Kroos (zurück aus Leverkusen) und eben Alaba (vor der endgültigen Beförderung aus der Reserve) zu integrieren.

Nicht ein Euro wurde deshalb auf dem Transfermarkt bewegt, das ist eine mutige, eigentlich lobenswerte Rechnung. Nur leider auch eine, die derzeit nicht aufgeht: Darin war weder die Wahrscheinlichkeit einer Verletzungsserie noch die einer WM-Müdigkeit ausreichend berücksichtigt. Gegen Mainz wurde dies in der Zentrale deutlich, wo sich die WM-Halbfinalisten Schweinsteiger und van Bommel um Form und Haltung mühten. Gerade dort, wo die Entscheidungen fallen, ist das Spiel der Bayern sehr leicht durchschaubar.

Das war es auch vorige Saison, aber da konnte es van Gaal egal sein, weil er wusste, dass am Ende aller Passketten die individuelle Klasse eines Müller, eines Robben den Unterschied ergibt. Robben wird lange fehlen, Müller kann nicht alles lösen - wenn aber diese individuelle Elite ausfällt, dann ist die Lesbarkeit des Bayern-Spiels ein willkommener Ansatz für eine tiefergehende taktische Doktorarbeit des Gegners. Der Mainzer Dozent Thomas Tuchel hat diese Prüfung cum laude bestanden.

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SZ vom 27.09.2010/aum
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