FC Bayern München:Projekt van Gaal - probier's mal mit Gemütlichkeit

FC Bayern reagiert vor dem Spiel in Basel auf seine Lage: Er verlängert den Vertrag mit Trainer van Gaal. Noch regiert Gelassenheit - aber wie lange noch?

Andreas Burkert

Uli Hoeneß hatte es nur bedingt eilig, als Letzter tauchte er am Montagmorgen am Airport-Schalter auf und ließ sich sein Ticket reichen, 35 Minuten vor dem Abflug. Derlei Zeitverzug bestrafen die Damen und Herren vom Check-In im normalen Leben mit Kopfschütteln und dem Verweis auf die selbstverständlich pünktlich und schon längst geschlossene Kabinentür. Hoeneß dagegen wirkte nicht besorgt, obwohl sein Kreislauf durchaus in Schwung gewesen ist, wie seine Gesichtsfarbe belegte. Aber für ein paar ausgeruhte Scherze mit dem Sicherheitspersonal hat es bei ihm allemal noch gelangt. Ein Kinderspiel allerdings, denn ohne den Klubpräsidenten fliegt der FC Bayern ganz bestimmt nicht ab.

FC Bayern Muenchen - 1. FSV Mainz 05

Louis van Gaal fühlt sich wohl in München - der Holländer hat seinen Vertrag beim FC Bayern um ein Jahr verlängert.

(Foto: dapd)

Betont gelassen haben sich die Münchner also nach Basel verabschiedet, und in der beschaulichen Schweiz würden sie wohl gerne etwas Abstand gewinnen von der Untergangsstimmung, die den Verein auch in diesem Spätsommer erfasst hat. "Alarm!", meldete am Morgen etwa die tz nach dem 1:2 vom Wochenende gegen die Mainzer Himmelsstürmer, womit sich nicht mal das Hausblatt von Vorstand Rummenigge zurückhaltend gab.

Gegenseitiges Vertrauen

Acht Punkte nach sechs Spielen und Platz neun bei zehn Zählern Distanz zum Ersten Mainz und (was sicher mehr zählt für die Bayern) immerhin sieben zu den zweitplatzierten Dortmundern - das bedeutet in München ein Desaster. Und was macht Karl-Heinz Rummenigge? Er ist pünktlich am Terminal, aber dann verkündet er etwas, was ebenfalls Gelassenheit symbolisieren soll: die Einigung mit dem Trainer auf eine Vertragsverlängerung um ein Jahr bis zum Sommer 2012.

Nach der Ankunft in Basel setzte Louis van Gaal noch vor dem Mittagessen seine Unterschrift unter das Papier. "Wir haben wieder eine schwierige Zeit und der Vorstand zeigt Vertrauen, das ist eine große Unterstützung", äußerte der Niederländer. "Ich bin froh, dass ich noch ein Jahr länger für Bayern München arbeiten kann und darf." Das Vertrauen beruht ganz auf Gegenseitigkeit, und die Münchner haben die Verlängerung nun ganz bewusst zu Beginn dieser doch recht anspruchsvollen Woche mit dem zweiten Gruppenspiel in der Champions League in Basel und der kniffligen Aufgabe am Sonntag in Dortmund platziert.

Dass beide Parteien verlängern wollten, ist ja seit ein paar Wochen verabredet gewesen. "Mir ist es immer lieber, Dinge zu tun, die man vielleicht nicht erwartet", erklärte nun Rummenigge, er meinte den Zeitpunkt des Abschlusses. "Nach einem Sieg kann jeder Verträge verlängern. Deswegen ist es auch ein gutes Zeichen für die Öffentlichkeit, dass wir jetzt auch nach der Niederlage gegen Mainz weiterhin den Stellenwert des Trainers zu schätzen wissen."

Erinnerungen an Juventus

Die Bayern und van Gaal hatten sich in der zurückliegenden Rückrunde versöhnt, man akzeptierte in München dann doch die Vorgehensweise des Coachs. Nachdem im Herbst 2009 noch Spannungen vorlagen und eine rasche Trennung im Raum stand, ist der 59-Jährige seit dem Double-Gewinn und dem Einzug ins Champions-League-Finale geschätzt als strategischer Projektentwickler und Talentförderer. Selbst seinen eigenwilligen Verzicht auf Neuzugänge wie Sami Khedira haben sie ihm zuletzt abgesegnet.

FC Bayern Muenchen - 1. FSV Mainz 05

Thomas Tuchel (links) und seine Mainzer haben dem FC Bayern am Samstag eine empfindliche Niederlage beigebracht.

(Foto: dapd)

Es nun mal im ersten Herbststurm mit Gemütlichkeit zu probieren, ist gleichwohl ein neues Münchner Verhaltensmuster. Als die Bayern vor einem Jahr nach acht Spielen in nahezu identischen Lage steckten - Rang acht, zwölf Punkte nach acht Spielen, acht Zähler hinter der Spitze -, sprachen Rummenigge und Hoeneß distanziert über van Gaal und vom Zwischenzeugnis, welches nach der Hinrunde ausgestellt werde.

Die Wende

Nun dürfte van Gaal längeren Kündigungsschutz genießen, wenngleich das bayerische Wetteramt etwa nach einer Niederlage in Dortmund sicher erste Orkanwarnungen absetzen würde. "Nicht er ist gefragt, die Spieler sind es jetzt", betonte der Arbeitgeberchef Rummenigge, "unsere Nationalspieler müssen sich steigern". Am besten schon am Dienstagabend im ausverkauften St.-Jakob-Park beim FC Basel, wo erneut die beiden Besten fehlen werden. "Mit Robben und Ribéry haben wir mehr Kreativität", sagt van Gaal zu diesem Thema gereizt, "aber letztes Jahr haben wir die Wende auch ohne sie hinbekommen". Sie glückte damals mit einem 4:1 bei Juventus Turin.

Der FC Basel sei nicht zu unterschätzen, findet jedoch Torhüter Jörg Butt: "Dies ist nicht nur ein Vorrunden-Spiel, das wäre eine falsche Einschätzung", warnt er: "Das ist ein Champions-League-Spiel, und in unserer jetzigen Phase müssen wir gewinnen." Aggressiver habe man vorzugehen, empfiehlt er, und Butt, 36 Jahre alt, ist vielleicht kein schlechter Ratgeber für ungemütliche Verhältnisse. Er stammt aus dem Norden, und wenn er sagt, "beim FC Bayern bist du nie gelassen, wenn du nicht oben stehst", dann lächelt er trotzdem ausgesprochen entspannt.

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