Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Bayern zerstört alle Gedankenspiele

20 Minuten erwehrt sich Leverkusen, doch dann drehen die Münchner auf und überwinden auch diese Hürde auf ihrem Weg zur Schale. Leipzig patzt in Unterzahl, Mainz holt wichtige Punkte.

Von Christopher Gerards und Martin Schneider

Bayer Leverkusen - FC Bayern München 2:4 (1:3), Tore: 1:0 Alario (9.), 1:1 Coman (27.), 1:2 Goretzka (42.), 1:3 Gnabry (45.), 1:4 Lewandowski (66.), 2:4 Wirtz (89.)

Ungefähr 20 Minuten bestand die begründete Hoffnung, dass dieses Spiel und ganz eventuell auch noch mal der Titelkampf in der Bundesliga spannend werden würde. In dieser Zeit führte Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern, sogar ohne Kai Havertz war ihnen das gelungen, der nach einem Schlag aufs Knie nur auf der Tribüne saß. Auch ein Einsatz im DFB-Pokal gegen Saarbrücken ist fraglich. Aber Havertz-Ersatz Lucas Alario schaltete in der neunten Minuten schnell, nach einem Einwurf sprintete er in einem Pass von Julian Baumgartlinger, David Alaba wollte Alario ins Abseits stellen, reagierte aber einen Moment zu spät und so schoss der Argentinier unter Manuel Neuers Spagat-Sprung hindurch ins Tor.

Ab diesem Zeitpunkt durfte man anfangen zu rechnen: Falls Leverkusen das jetzt hält und falls der BVB gewinnt und falls die Bayern kommende Woche gegen Gladbach noch mal Punkte liegen lassen, könnte dann Borussia Dortmund ... Dieser Gedankenpalast hielt, wie gesagt, gut 20 Minuten. Dann waren die Bayern im Spiel, hatten Leverkusen im Griff, scheiterten zunächst noch an Abseitspositionen, aber nach 27 Minuten eroberte Leon Goretzka im Mittelfeld den Ball gegen das zu weit aufgerückte Leverkusen, spielte sofort in den Sprint von Kingsley Coman, der allein auf Lukas Hradecky zulief und den verdienten Ausgleich erzielte.

Von da an war es mal wieder eine Demonstration. Das 2:1 war ein Tor, wie es derzeit in der Bundesliga nur Bayern und an guten Tagen der BVB rausspielen können. Ballgewinn am eigenen Sechzehner, über mehrere Stationen fliegt der Ball mit Tempo und Präzision nach vorne, der beste Münchner auf dem Platz, Leon Goretzka, verwandelte zum 2:1 (42.). Leverkusen ergab sich daraufhin ein bisschen. Nach zwei halbgaren Pressingaktionen gegen die Münchner Abwehr landeten zwei hohe Bälle bei Serge Gnabry. Die erste Chance in der 44. Minute vereitelte Hradecky noch stark, die zweite, fast identische Aktion verwandelte Gnabry dann per Lupfer zum 3:1 nur eine Minute später.

Die zweite Halbzeit hatte - fast - nur noch Chronisten-Wert. Robert Lewandowski erzielte sein 30. Saisontor (66., er fehlt aber wie Müller wegen seiner fünften gelben Karte nächste Woche gegen Gladbach) und der FC Bayern braucht noch zehn Treffer bis zur 100-Tore-Marke. Kurz vor Schluss allerdings verkürzte Leverkusen nochmal, durch Florian Wirtz. Der ist 17 Jahre alt, überwand Manuel Neuer per Schlenzer und ist nun jüngster Bundesliga-Torschütze der Geschichte (siehe unten).

Und: Vor dem Spiel wärmten sich die Spieler in T-Shirts auf, auf denen "Rot gegen Rassismus" und der Hashtag #blacklivesmatter stand. Eine Armbinde mit diesem Schriftzug trugen alle Bayern-Spieler während der Partie.

RB Leipzig - SC Paderborn 1:1 (1:0), Tore: 1:0 Schick (27.), Strohdiek (90.+2)

Lange sah es so aus, als würde das Team von Julian Nagelsmann der direkten Champions-League-Qualifikation noch näher kommen. Bis in die Nachspielzeit führten die Leipziger, sie hätten sich fünf Punkte Vorsprung auf Platz fünf erspielen können. Doch dann führte Paderborn eine Ecke aus, RB-Torwart Peter Gulacsi wehrte einen Schuss von Marlon Ritter in die Mitte ab, wo Christian Strohdiek noch der Ausgleich gelang. Und auch wenn Leipzig in Unterzahl spielte, kann man das schon einen Patzer nennen.

In der ersten Hälfte hatte Timo Werner beim Leipziger Treffer mitgewirkt. Der Angreifer soll Medienberichten zufolge ja vor einem Wechsel zum FC Chelsea stehen. Werner sitze "im driver's seat, nicht mehr wir", hatte RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff vor dem Anpfiff bei Sky gesagt. "Bis jetzt hat weder Werner die Klausel gezogen, noch hat irgendein Verein uns einen Transfervertrag geschickt." Werner jedenfalls legte in der 27. Minute den Ball in die Mitte, wo Patrik Schick einschoss. Mehr als eine Halbzeit lang musste Leipzig dann in Unterzahl spielen: Der bereits verwarnte Dayot Upamecano hatte nach einem ruppigen Zweikampf mit Streli Mamba und anschließendem Ballwegtreten Gelb-Rot gesehen (43.). Am Ergebnis änderte sich sehr lange nichts - bis Paderborn eben seine Ecke ausführte.

Düsseldorf - Hoffenheim 2:2 (1:1), Tore: 1:0 Hennings (5.), 1:1 Dabbur (16.), 1:2 Zuber (60.), 2:2 Hennings (76.)

Düsseldorf spielte derweil fast die gesamte Partie lang in Überzahl - am Ende des Nachmittags war der Rückstand auf die direkten Nicht-Abstiegsplätze trotzdem auf drei Punkte gewachsen. Das Spiel hatte schon früh besondere Vorkommnisse anzubieten: Da war der Treffer von Rouwen Hennings, der wieder in der Startelf stand und nach Flanke von Kevin Stöger sehr freistehend einköpfen konnte. Kurz darauf herrschte bei einer Hoffenheimer Ecke Gerangel im Strafraum, Kaan Ayhan fiel, nachdem Benjamin Hübner ihn beim Schubsen auch im Gesicht traf. Schiedsrichter Sören Storks zückte Rot und nahm die ausgesprochen harte Entscheidung nicht mehr zurück. Hübner, das nur nebenbei, war gerade erst nach einer Sperre ins Team zurückgekehrt.

Minuten später durfte Hoffenheim dann aber jubeln: Munas Dabbur staubte ab, nachdem Florian Kastenmeier einen vorherigen TSG-Versuch abgewehrt hatte. Hennings gelang wenig später sein zweiter Treffer - diesen nahm Schiedsrichter Storks aber zurück, weil er im Kopfballduell zuvor ein Foul von Kenan Karaman an Stefan Posch erkannte. Da waren übrigens erst rund 20 Minuten gespielt.

Danach ging es etwas ruhiger zu, die beste Hoffenheimer Gelegenheit vergab Robert Skov kurz nach der Pause, als er aufs Tor zurannte und zu hoch schoss. Später trug Skov dann zur TSG-Führung bei: Er legte auf Steven Zuber quer, der flach traf. Düsseldorf hatte Chancen zum Ausgleich und nutzte schließlich eine davon: Havard Nordtveit hatte im Strafraum beim Zweikampf mit Erik Thommy den Arm benutzt, der Düsseldorfer fiel - und Hennings traf per Elfmeter. Die Fortuna liegt jetzt drei Punkte vor dem 17. Bremen, Werder empfängt am Sonntag Wolfsburg.

Frankfurt - Mainz 0:2 (0:1), Tore: 0:1 Niakathé (43.), 0:2 Kunde (78.)

Mainz sicherte sich drei Punkte aus der Kategorie "ziemlich wichtig". Einen Punkt nur lagen die 05er vor dem Spieltag vor dem Relegationsplatz, jetzt sind es drei. Im Derby traf Moussa Niakathé kurz vor der Pause wuchtig per Kopf, Daniel Brosinski hatte den Ball in die Mitte gebracht. Und Kunde Malong machte dann später alles klar, als er frei auf Eintracht-Torwart Kevin Trapp zulief und ihn tunnelte.

Gelbe Karte des Spieltags: Jürgen Gjasula, 30, spielt seine erste Saison Bundesliga, aber er hat bereits einen bleibenden Eindruck hinterlassen. 15 Mal vor dem Spiel am Samstag gegen Leipzig hatte der Paderborner bereits Gelb gesehen. Nach etwas mehr als 20 Minuten trat er dann Gegenspieler Nordi Mukiele auf den Fuß - und sah wieder Gelb. Nun ist er gemeinsam mit Tomasz Hajto (1998/99, MSV Duisburg) Rekordhalter. Und: Er hat noch vier Spieltage Zeit für die gelbe Karte Nummer 17.

Torschütze des Spieltages: Leverkusens Florian Wirtz war bei seinem Schlenzertor gegen Manuel Neuer 17 Jahre und 34 Tage alt und holte sich damit den Bundesliga-Rekord als jüngster Torschütze der Geschichte von Nuri Sahin. Der war bei seinem Treffer im Trikot von Borussia Dortmund 17 Jahre und 82 Tage alt und hielt den Bestwert seit 2005.

Zweiter Rekordspieler des Spieltages: In dieser Woche kursierte die ungeheuerliche Meldung, dass Wolfsburg den "Mount Magath" abtragen will - jenen Hügel, auf dem sich auch Makoto Hasebe 2009 zum deutschen Meister schindete. Hasebe, mittlerweile 36 Jahre alt, spielt nicht mehr in Wolfsburg, über den 1. FC Nürnberg landete er bei Eintracht Frankfurt, wo es keine Berge, sondern nur Hochhäuser gibt, wo Hasebe aber weiter zum Einsatz kommt. Seit heute ist der Japaner der Spieler aus Asien mit den meisten Bundesliga-Matches. 309 an der Zahl und damit eins mehr als der legendäre Bum-Kun Cha. Dazu ist er einer der wenigen Spieler der jüngeren Vergangenheit, die Schale und Pokal (2018 mit der Eintracht) gewonnen haben, ohne je für Bayern oder Dortmund gespielt zu haben.

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