Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Böser Rausch für Köln

Von Dominik Schelzke

FC Bayern München - 1. FC Köln 4:0 (1:0), Tore: 1:0 Lewandowski (3.), 2:0 Lewandowski (48.), 3:0 Coutinho (62.), 4:0 Perisic (73.)

In der süddeutschen Region ist momentan Spektakel angesagt: Sei es die Diskussion um Manuel Neuer oder der Start des größten Volksfests der Welt. Im Spiel gegen den FC Bayern hätten die Kölner darauf verzichten können - und trotzdem stand es bereits nach 140 Sekunden 1:0 für München. Erst rutschte ein Kölner im Mittelfeld aus, dann ließ Coutinho geschickt durch und plötzlich hatte Kimmich vor dem gegnerischen Strafraum so viel Platz wie ein Oktoberfestbesucher im Biergarten bei Regen.

Danach war so wenig los, dass es fast so wirkte, als ob nicht nur die Party, sondern auch das Spiel Richtung Wiesn abgewandert wäre. Kurz vor der Pause waren die Bayern sogar so sehr mit dem Kopf im weiß-blauen Bierzelthimmel, dass der Kölner Ausgleich wahrscheinlicher wirkte als das Münchner 2:0. Und trotzdem stellte dann Lewandowski mit dem Halbzeitpfiff fast und kurz nach der Halbzeit tatsächlich auf diesen Spielstand. Ecke von rechts und der Münchner Dauer-Torschütze konnte den Ball per Kopf im linken unteren Eck unterbringen. Und nach zwei Toren wird man gerne mal generös, weshalb in der 60. Minute zum ersten Mal seit 2018 jemand anderes als er einen Strafstoß für die Bayern treten durfte. Coutinho wurde von Ehizibue per Schubser am Torschuss gehindert und durfte sich nach der harten roten Karte für den Sünder den Ball auf den Punkt legen. Nach einer Wiederholung traf er souverän - sein erstes Tor für die Bayern. Generös waren dann aber auch die Gäste, nach Vorarbeit von Coutinho stellte Perisic auf den 4:0-Endstand.

Werder Bremen - RB Leipzig 0:3 (0:2), Tore: 0:1 Orban (13.), 0:2 Sabitzer (35.), 0:3 Saracchi (83.)

Zehn Verletzte! So ist das aktuell bei Werder Bremen. Am Freitag hat sich auch noch Stürmer Niclas Füllkrug abgemeldet, wobei, was heißt abgemeldet: Füllkrug fällt mit einem Kreuzbandriss monatelang aus. So konnten die Bremer zwar den Gedanken bemühen, dass die Mannschaft in solch schweren Zeiten noch einmal näher zusammenrückt - nur leider war an diesem Samstagabend RB Leipzig zu Gast, das Team von Trainer Julian Nagelsmann, das aktuell nicht viele Schwächen verzeiht und weiter Tabellenführer der Bundesliga ist.

Bremen spielte engagiert, doch Leipzig machte die Tore: erst Kapitän Willi Orban per Kopf nach einer Ecke von Nkunku. Dann Sabitzer nach einer halben Stunde per wunderbarem 25-Meter-Freistoß, mitten rein in die Bremer Hoffnungen. Werder brachte noch Vereinsmaskottchen Claudio Pizarro, doch auch der konnte diesmal nicht entscheidend eingreifen. Leipzig spielte die Partie mit einer Fünferkette cool zu Ende, sogar zu zehnt, weil Konrad Laimer eine umstrittene gelb-rote Karte wegen Handspiels sah. Marcelo Saracchi besorgte noch Tor Nummer drei.

Hertha BSC Berlin - SC Paderborn 2:1 (1:0), Tore: 1:0 Dilrosun (10.), 2:0 M. Wolf (52.), 2:1 Zolinski (54.)

In der Haupstadt bereitet Trainer Ante Covic sein Team in der Regel im hauseigenen Kinosaal auf die kommenden Gegner vor. Ob bei dieser taktischen Besprechung auch die Möglichkeit eines unkonventionellen Stürmerwechsels in der Paderborner Startaufstellung ein Thema war? Ben Zolinski, eigentlich maximal gelernter Mittelfeldspieler, sollte die Offensive des Aufsteigers variabler machen. So oder so stellte die Hertha mal wieder ihr System um, im Gegensatz zum Mainz-Spiel nun mit Vierer- anstatt Dreierkette. Die erste Berliner Führung der Saison hatte dann mit Taktik recht wenig zu tun: Dilrosun spielte erst einen Doppelpass mit Plattenhardt und startete dann ein Solo durch die gefühlte gesamte Paderborner Hintermannschaft. Nach diesem Kollektiv-Aussetzer spielte aber vor allem der Aufsteiger, mit neon-haupstadt-techno-gelben Auswärtstrikots und deutlich mehr Chancen. Und doch machte Hertha auch das nächste Tor. Paderborn schaffte den Anschluss, mehr aber nicht. Hertha holte sich die ersten drei Punkte der Saison.

SC Freiburg - FC Augsburg 1:1 (1:1), Tore: 1:0 Höler (24.), 1:1 Niederlechner (39.)

Wer die Livetabelle direkt nach dem Anpfiff im Blick hatte, wurde vielleicht von einem seltenen Anblick überrascht: SC Freiburg als Spitzenreiter - geteilter erster Platz mit Leipzig und Schalke. Aber das reichte den Breisgauern wohl nicht, nach 24 Minuten stellt Höler auf 1:0. Und damit auf alleinige Tabellenführung, mit Edel-Verfolger FC Bayern. Einem Ex-Freiburger war das anscheinend etwas zu viel, jedenfalls traf Niederlechner nach 39 Minuten und kluger Vorarbeit von Moravek zum Ausgleich. Vorher hatte sich noch Frantz verletzt und damit die Einwechslung des Rückkehrers Grifo möglich gemacht.

Bayer Leverkusen - Union Berlin 2:0 (2:0), Tore: 1:0 Volland (20.), 2:0 Alario (25.)

Die Unioner werden wohl auch Champions League geschaut haben und wussten, wenn sie hinten kompakt stehen, gefährden sie das Leverkusener Ballbesitzspiel. Trotzdem konnte sich Bayer relativ schnell fast zum 1:0 kombinieren - aber der Videoschiedsrichter griff verhindernd ein. Wenige Minuten später klappte es besser: Volland mit der Flanke, dann der Block, und Volland durfte es nochmal versuchen. Sein Schuss schlug in der 20. Minute zur Führung ein. Und plötzlich war alles ganz einfach, nur fünf Minuten später befreite sich die Mannschaft von Peter Bosz aus der Mini-Krise, 2:0 nach Treffer von Alario.

Danach gab es noch eine rote Karte per Videoschiedsrichter für den Berliner Sebastian Polter. In der 61. Minute war "Polti" ins Spiel gekommen, einen einzigen Ballkontakt hatte er, 340 Meter war er nur gelaufen, da war das Spiel auch schon wieder vorbei. Nach seinem Tritt von hinten in die Achillessehne von Julian Baumgartlinger hatte Schiedsrichter Robert Hartmann zunächst Gelb gezeigt, dann nach Ansicht der Videobilder aber auf Rot korrigiert. Sein Coach Urs Fischer klagte: "Das sind dumme rote Karten, das musst du besser lösen. (...) Ich glaube nicht, dass es Absicht war, sondern ein bisschen Übereifer. Aber damit schwächst du dich selbst. Und das darf in dieser Häufigkeit nicht passieren."

Kuriosum des Spieltages: Vor dem Traum-Solo des Berliners Dilrosun legte Plattenhardt diesem den Ball per Handspiel auf. Ob unabsichtlich oder nicht, laut neuer Regelung hätte dies eigentlich abgepfiffen werden müssen. Die Aktion wurde angeblich auch überprüft, aber weder im Stadion und noch am Fernseher zeigte sich das. Das Tor durfte anscheinend letztlich dennoch zählen, da zwischen dem Foul und dem Treffer nicht nur circa zehn Sekunden Zeit, sondern auch vier bis fünf ausgetanzte Paderborner lagen.

Kürzester Auftritt des Spieltages: In der 61. Minute war Sebastian "Polti" Polter für Union Berlin ins Spiel gekommen, einen einzigen Ballkontakt hatte er, 340 Meter war er nur gelaufen, da war das Spiel für ihn auch schon wieder vorbei. Nach seinem Tritt von hinten in die Achillessehne des Leverkuseners Julian Baumgartlinger hatte Schiedsrichter Robert Hartmann zunächst Gelb gezeigt, dann nach Ansicht der Videobilder aber auf Rot korrigiert. Wofür Union-Coach Urs Fischer vollstes Verständnis hatte. "Das sind dumme Rote Karten, das musst du besser lösen", sagte der Schweizer: "Ich glaube nicht, dass es Absicht war, sondern ein bisschen Übereifer. Aber damit schwächst du dich selbst. Und das darf in dieser Häufigkeit nicht passieren."

Elfmeter des Spieltags: Coutinho lief zum Strafstoß an, verzögerte und traf. Dann wurde das Ganze überprüft und wiederholt, da Spieler zu früh in den Strafraum gelaufen waren. Also legte sich Coutinho den Ball erneut zurecht, lief erneut an, verzögerte und traf erneut. Und dieses Mal durfte sich der Brasilianer endlich über seinen erstes Pflichtspieltor für die Bayern freuen.

Lässigste Aktion des Spieltages: Die Kölner Mannschaft hat Tische auf dem Oktoberfest reserviert - unabhängig vom Spielergebnis. Großer Optimismus oder Vorhersehung von wegzutrinkendem Frust? So oder so eine entspannte Einstellung. Vielleicht dachten sich die Männer vom Rhein aber auch einfach, dass sie so bald nicht wieder die Möglichkeit bekommen, sich ohne Probleme an bajuwarische Trinkgewohnheiten anzupassen. Schließlich wird Wiesnbier, ganz ähnlich zum Kölsch, gerne in großen Gläsertrauben an den Tisch gebracht - wenn auch mit unterschiedlichem Fassungsvermögen.

Das Ergebnis des Spieltages: 6:18 Torschüsse, 1:8 Ecken - und trotzdem am Ende 2:1 für die Hertha. Der Verlauf des fünften Spiels von Aufsteiger Paderborn steht sinnbildlich für das bisherige Auftreten im Oberhaus des Deutsche Fußballs. Erstaunlich gewagt und bisweilen sogar attraktiv nach vorne, aber entweder etwas zu glücklos oder zu harmlos in der Chancenverwertung bei gleichzeitiger Anfälligkeit in der Defensive.

Zitat des Spieltages: Hasan Salihamidzic findet, dass das Thema Manuel Neuer jetzt durch sein sollte, kein Problem zwischen der Führung des FC Bayern und dem DFB besteht und die Reaktionen seiner Chefs nachvolliehbar seien: "Das Thema wurde sehr hochgespielt, beide haben reagiert. Es wurde genug darüber gesprochen, wir sind froh, dass wir uns heute auf Fußball konzentrieren können. Ich hatte ein sehr gutes Gespräch mit Oliver Bierhoff, der Inhalt bleibt vertraulich. Beide haben reagiert, weil es wichtig ist, seine Spieler zu schützen. Es braucht keiner mehr vermitteln, wir haben unsere Meinung gesagt."

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