Bundesliga: FC Bayern:Klebstoff und Dynamit

Wer den Inter-Sieg bejubelt, muss die Dortmund-Pleite akzeptieren: Beide Ergebnisse resultieren aus Louis van Gaals Philosophie. Wenn die Bayern-Bosse diese nicht mögen, müssen sie sich fragen, ob der Niederländer zu ihnen passt.

Jürgen Schmieder

Die gegnerischen Spieler hüpften über den Rasen, sie umarmten sich, einige kugelten herum. Drei Tore hatten sie in den 90 Minuten zuvor erzielt und dem FC Bayern vor allem taktisch eine Lehrstunde erteilt. Gemeinsam mit den Fans durften sie nun den Titelgewinn zu feiern.

FC Bayern München - Borussia Dortmund

Bayern-Trainer Louis van Gaal überraschte gegen Dortmund mit dem Schritt, Luiz Gustavo wieder Linksverteidiger spielen zu lassen.

(Foto: dpa)

Es war am 8. Mai 2004, als Werder Bremen im Münchner Olympiastadion mit 3:1 gewann. Das war eine besonders bittere Erfahrung für den FC Bayern, weil dieses Spiel nicht nur dem ungeliebten Rivalen zur Meisterschaft verhalf, sondern den Münchnern sämtliche Unzulänglichkeiten aufgezeigt hatte.

Die Partie am Samstag dürfte einen ähnlichen Eindruck machen auf die Verantwortlichen des Vereins. Nicht etwa, weil Borussia Dortmund danach die Meisterschaft gefeiert hätte, sondern weil dem FC Bayern sämtliche Unzulänglichkeiten aufgezeigt wurden. War der Erfolg bei Inter Mailand der Kitt in der Beziehung zwischen Verein und Trainer Louis van Gaal, dann ist die Niederlage gegen Borussia Dortmund der Sprengstoff.

Der eigenwillige Trainer hat dem Verein ein Konzept verpasst, das einen hohen Wiedererkennungswert vermittelt. In der Offensive beruht es auf Ballkontrolle, ansehnlichen Angriffen und zahlreichen Torraumszenen - ein Spektakel, das den Zuschauer mitreißt und selbst Fußballfans, die dem Verein eher abgeneigt sind, in Erstaunen versetzt.

Auch defensiv hat der FC Bayern einen hohen Wiedererkennungswert. Die Strategie von Louis van Gaal beruht darauf, durch extremes Verschieben so schnell wie möglich den Ball zurückzuerobern, um sogleich das nächste Offensivspektakel zu inszenieren. Allerdings: Gelingt dieser Ballgewinn nicht, dann gibt es ansehnliche Angriffe und zahlreiche Torraumszenen - das Spektakel findet dann im eigenen Strafraum statt.

Diese Strategie plus die wunderlichen Personalentscheidungen des Trainers (Luiz Gustavo etwa musste zurück auf die linke Abwehrseite) plus die eigenwilligen Erklärungen van Gaals nach einer Partie sorgen bei den Münchner Verantwortlichen dafür, dass sie überhaupt nicht mehr wissen, was sie mit diesem Trainer anfangen sollen.

Unterhaltsam ist es allemal

Die Chefetage des FC Bayern bewertet die Spiele extrem nach dem Ergebnis und das meist mit extremen Aussagen. Als Karl-Heinz Rummenigge nach dem Erfolg in Mailand gefragt wurde, ob er etwas zu kritisieren habe, verneinte er deutlich; Uli Hoeneß tänzelte gar durch die Mixed Zone.

Dabei hatte die Defensive der Münchner auch in Mailand einem wackeligen Kartenhaus geglichen - das nur deshalb nicht in sich zusammenfiel, weil Torwart Thomas Kraft immer neue Karten hineinsteckte. Die Niederlage gegen Dortmund wird nun freilich arg negativ bewertet, die Verantwortlichen sehen das Mindestziel in Gefahr, die Qualifikation zur Champions League.

Van Gaal will dieses Spektakel, er ist persönlich beleidigt, wenn er eine Niederlage gegen einen Trainer hinnehmen muss, der wie etwa José Mourinho die Defensive zur Kunst erhebt. Wenn die Verantwortlichen dieses Spektakel auch befürworten, dann müssen sie damit leben, dass nicht nur die Funken sprühen, sondern es auch mal zu Sprengstoffspielen wie gegen Dortmund kommt. Unterhaltsam ist es allemal.

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