FC Bayern in Hoffenheim:Mia san müd

Fussball 1. Bundesliga Saison 2020/2021 1 . Spieltag TSG 1899 Hoffenheim - FC Bayern Muenchen 27.09.2020 Enttaeuschung

Enttäuschung bei Thomas Müller (li.) und Joshua Kimmich nach dem 1:4 in Sinsheim.

(Foto: imago images/ULMER Pressebildage)

Nur drei Tage nach dem Supercup erleiden die Bayern eine spektakuläre 1:4-Niederlage in Hoffenheim. Es wird das Thema erkennbar, das die Münchner nun begleiten dürfte: große Belastungen mit kleinem Kader.

Von Christof Kneer

Es dauerte nur zwei Minuten, bis die mindestens unschlagbaren Bayern die erste Schrecksekunde erlebten. Corentin Tolisso lag am Boden, und es sah überhaupt nicht so aus, als würde er gleich wieder aufstehen. Ein kurzer Blick in die Gesichter der Bayern-Verantwortlichen ersetzte den Gedankenleser, ähm, wen hätten wir denn jetzt da noch, dachten die Münchner wohl. Tolissos Position hätte höchstens noch Leon Goretzka einnehmen können, der aber ja extra auf der Bank saß, um ausnahmsweise mal ein bisschen pausieren zu dürfen. Sonst noch jemand da fürs zentrale hintere Mittelfeld? Ja, okay, dieser Thiago könnte das - aber der spielt ja nun in Liverpool.

Tolisso ist dann nach kurzer Schonzeit wieder aufgestanden, aber das Thema des Spiels war vorgegeben. Das Thema: Wie soll das alles nur weitergehen für die mutmaßlich beste Mannschaft der Welt?

Auf diese Frage gab es nach 90 Minuten zwei vorläufige Antworten. Die noch junge Saison setzte sich - erstens - für die Bayern mit einer spektakulären 1:4 (1:2)-Niederlage bei der TSG Hoffenheim fort, der erst dritten Niederlage in der Ära Hansi Flick, der ersten im Jahr 2020. Und zweitens kommt am Mittwoch Borussia Dortmund in die Stadt, zum Supercup-Finale.

Wobei: War der Supercup nicht gerade erst, in Budapest gegen Sevilla? Ja, liebe Experten, richtig, aber das war der eine Supercup, der europäische. Der andere, der deutsche, der folgt am Mittwoch.

"Es war ja klar, dass wir irgendwann verlieren. Wir haken dieses Spiel ab und vertrauen immer noch in unsere Stärke", sagte Trainer Flick nach dem Spiel. Er schiebe das aber "nicht allgemein auf die Müdigkeit. Wir haben es einfach nicht geschafft, entschlossen und zielstrebig Chancen herauszuspielen. Und wir haben dem Gegner zu einfach Torchancen ermöglicht".

Es ist immer noch September, aber der FC Bayern fühlt sich schon wie sonst immer nur im April oder Mai. Das sind die Monate, in denen in kurzer Folge alles zusammenkommt, Bundesliga, Pokal, Champions League, und man hält das als Spieler gerne aus, weil man zweierlei weiß: Erstens geht's um die wirklich großen Dinger. Zweitens ist danach Sommerpause.

Die Bayern müssen aufpassen, dass ihnen nicht das Zeitgefühl abhandenkommt: Ist das jetzt noch die alte Saison, die von vor vier Wochen, oder ist das eine neue? Die durch Corona zersplitterte vergangene Spielzeit hat es mit sich gebracht, dass die neue Saison schon am zweiten Spieltag zur Materialschlacht zu werden droht, mentale Ermüdungsbrüche inklusive.

Der Kopf folgt nicht immer den Beinen

Hansi Flick ist kein Trainer, der Rotation über die Maßen liebt, er mag klare Strukturen und Abläufe, und so ließ sich seine Startelf als doppeltes Statement begreifen. Vier Wechsel hatte Flick vorgenommen, neben Goretzka nahmen auch Robert Lewandowski und Niklas Süle zu Schonungszwecken auf der Bank Platz, während Alphonso Davies anstelle von Lucas Hernández wieder ins Team rotierte; außer Davies schickte Flick noch Tolisso, Boateng und Zirkzee von Anfang an auf den Rasen. Botschaft eins: Ja, der Terminkalender ist irre, "unser Rhythmus wird bis Weihnachten aus Spiel, Regeneration, Spiel, Regeneration bestehen", meinte Flick vor dem Spiel. Botschaft zwei: Mit dem aktuellen Kader, ihr lieben Vorgesetzte, geht das nicht. Da muss bis zum Ende der Transferperiode noch was passieren.

Auch müde könne man Topleistung abrufen, hatte Flick am Freitag zwar gesagt, er wollte seiner Elf nicht schon vorab einen Entschuldigungszettel schreiben, und auch nach dem Spiel wollten die Bayern das Thema nicht größer machen, als es ohnehin schon ist. Aber es war bald erkennbar, dass die Beine nach den 120 Minuten von Budapest zwar noch ganz in Ordnung waren, aber der Kopf die Befehle nicht immer rechtzeitig übermittelte. Mal fehlten ein paar Millimeter hier, mal ein paar Volt Körperspannung dort, und das führte dazu, dass den Bayern nicht gelang, was sie sonst so meisterhaft beherrschen. Sie setzten den Gegner nicht unter Stress, nur sie selbst gerieten unter Druck. Früh lagen sie 0:1 zurück, nach einem Eckstoß kam TSG-Verteidiger Ermin Bicakcic vor Tolisso an den Ball und köpfte den Ball ins Netz (16.). Bayern im Rückstand? Skandal! Wobei: Am vorigen Donnerstag, bei einem dieser zahlreichen Supercups, hatten die Bayern ja auch schon einen Rückstand aufgeholt.

Diesmal aber dauerte es nur acht Minuten, bis der Rückstand noch größer wurde. Die Bayern verteidigten auf eine Art, für die Matthias Sammer das Wort "lätschert" erfinden würde, wenn er es nicht schon erfunden hätte, und am Ende sauste Hoffenheims Stürmer Munas Dabbur mit einer unfreiwilligen Vorlage von Pavard auf und davon und bezwang den unbezwingbaren Manuel Neuer mit cleverem Heber (24.). Immer wieder zeigte die TSG, wie man die Bayern ärgern kann, zumindest die müden Bayern, oder jene, die sich kaum mehr entscheiden können, auf welches Spiel und welchen Wettbewerb sie sich eigentlich konzentrieren sollen. Hoffenheim spielte giftig und sehr körperlich, und in günstigen Momenten ließen sie jene Konter rollen, die man heute Umschaltspiel nennt.

Aber auch das zählt zur Münchner Vereinskultur: Wenn es eng wird, tritt ein Führungsspieler aus der Kulisse, in diesem Fall Joshua Kimmich, dem mit formidablem Schlenzer der Anschluss gelang (36.). Es war der Auftakt zu einer turbulenten Restspielzeit, in der ständig die Latte schepperte, Hoffenheims Kramaric traf sie (45.), Zirkzee auch (57.). Später musste Flick doch noch Lewandowski und Goretzka bringen, das Tempo blieb hoch und das Spiel ein abenteuerliches Hin und Her, das den Bayern nicht gefiel. Neuer verhinderte gegen Skov das 1:3 (74.), aber Kramaric gelang es drei Minuten später. Und in der Nachspielzeit erhöhte Kramaric per Elfmeter sogar auf 4:1. Immerhin: Bayerns Torverhältnis sollte das auf Dauer verkraften können, dem 8:0 gegen Schalke sei Dank.

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