Bundesliga: FC Bayern - Freiburg:Die Show der Sorgenkinder

Beim 4:2 des FC Bayern gegen den SC Freiburg treffen lange verschmähte Profis wie Martin Demichelis und Anatolij Timoschtschuk. Spielerische Fortschritte zeigen die Münchner vor allem in der zweiten Halbzeit.

Andreas Burkert

Der FC Bayern hat damit begonnen, den Auftrag der Klubführung umzusetzen. Der lautete vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg, bitteschön drei Siege folgen zu lassen, gegen die Breisgauer, kommende Woche in Gladbach und schließlich gegen Nürnberg. Zumindest die erste Etappe hat die Mannschaft von Trainer Louis van Gaal bewältigt, 4:2 (1:0) bezwangen die Münchner den Gast, der etwas zu hoch verlor.

FC Bayern Muenchen v SC Freiburg - Bundesliga

Schuss ins Glück: Anatolij Timoschtschuk erzielte gegen Freiburg seinen ersten Bundesligatreffer für den FC Bayern.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Bayern dagegen haben sich damit zumindest für eine Nacht auf Platz sieben katapultiert, der mit ein wenig Glück immerhin zur ersten Qualifikations-Runde der Europa League berechtigen könnte und damit zu mutmaßlich unvergesslichen Dienstreisen zu Torpedo Schodsina oder Myllykosken Pallo -47 führen könnte.

Die Partie hatte mit einer kleinen Sensation begonnen. Denn Martin Demichelis, der begnadete Melancholiker aus Justiniano Posse - er spielte. Innenverteidiger Holger Badstuber, dessen Name sich in der Aufstellung fand, hatte wegen einer Schambein-Entzündung passen müssen. Für die Bank war allerdings, wie schon im Pokal gegen Bremen, van Gaals Abwehrchef Daniel van Buyten notiert, dessen Nominierung somit nur logisch erschien angesichts seiner Genesung und der Degradierung von Demichelis zum Manndecker Nummer vier.

Flucht vor van Gaal?

Doch van Gaal stellte offenbar nach den jüngsten Erfahrungen mit Klose - erneuter Faserriss nach überstandenem Faserriss - sein Prinzip, nur wirklich gesunde Profis aufzustellen, über seine Zweifel an Demichelis. Der bald 30-Jährige, in den vergangenen Jahren Stammspieler, war bislang nur zweimal eingewechselt worden und strebt laut seines Beraters zur Winterpause einen Wechsel an, den man als Flucht vor van Gaal bezeichnen dürfte. Der Bayern-Vorstand hatte diesem Ansinnen zuletzt zwar kategorisch widersprochen, doch hohe Wetten auf Demichelis' Verbleib schienen bislang so gewagt wie ein Investment in Lehman Brothers.

Doch am Freitag bildeten also Demichelis mit Timoschtschuk, einem gelernten Mittelfeldspieler, das zentrale Abwehr-Duo der Bayern - solch eine Konstellation wäre unter van Gaal bisher eigentlich nur denkbar gewesen für ein Gerd-Müller-Geburtstagsspiel, der Bomber wird am Mittwoch 65 (ein Geburtstagsspiel gibt es nicht). Demichelis wirkte zunächst etwas unsicher, wenn es darum ging, eroberte Bälle an den eigenen Mann zu bringen.

Mit Stolz und Stirn

Verwunderlich war das nicht, nachdem er zuletzt in Dortmund (0:2) nach seiner Einwechslung beide Tore verschuldet hatte und danach sogar seine Freizeitgestaltung thematisiert worden war. Aber Demichelis ist eben auch ein stolzer Südamerikaner, der an die Hilfe von oben glaubt, und sie kam dann wirklich, sie fiel ihm geradezu auf den Kopf: Pranjic trat in der 39. Minute einen Eckball, sinnigerweise anstelle Badstubers, der sonst für diese Standards zuständig ist (und das nicht schlecht macht). Der Kroate zirkelte den Ball wirklich gut an den Fünf-Meter-Raum, wo natürlich Demichelis höher stieg als sein Bewacher, SC-Torjäger Cisse. Demichelis traf den Ball wuchtig mit seiner Stirn, seine lange Mähne wirbelte durch die Luft, und dann jubelte er befreit vor der Münchner Nordkurve, als habe ihn der Herrgott von einem bösen Fluch erlöst.

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Wenn die Eckbälle so kommen, wie die von Danijel Pranjic im Spiel gegen Freiburg, trifft auch Mario Gomez (re.).

(Foto: AFP)

Wenigstens diese schöne Geschichte erzählte das Spiel, das ansonsten zunächst so verlief wie die jüngsten, in denen die Bayern uninspiriert und mit einigem Glück ihrem Verletzungspech trotzten. Die Freiburger standen sehr tief, gerne gewährten sie den Münchner jenen Ballbesitz, mit dem diese derzeit wenig anfangen können. Einmal schickte Kroos den Sturmkollegen Gomez, der sich gut von SC-Kapitän Barth löste (21.). Und dann nahm sich noch einmal der brave Mittelfeldarbeiter Ottl ein Herz und zog beherzt ab, der Ball raste mit 102 km/h knapp über die Querstange hinweg (34.). Mehr passierte nicht bis zur ersten gefährlichen Ecke von Pranjic, der eine zweite folgen sollte.

Sogar Timoschtschuk trifft

Nach der Pause kam van Buyten doch noch, Altintop ging heraus, für den Türken rückte Timoschtschuk ins Mittelfeld. Ideenreicher gerieten die Münchner Bemühungen nicht, vor allem Müller, von links auf rechts gewechselt, brachte kaum ein gescheites Zuspiel von der Außenposition zustande. So musste wieder Pranjic' Zirkelfuß helfen, diesmal fiel sein Eckball auf den Kopf von Gomez, der ja ebenfalls an höhere Heilkräfte glaubt. Zu Hilfe kamen ihm allerdings bei 2:0 eher die unterirdischen Konzentrationswerte von Gegenspieler Makiadi und Torwart Baumann (62.). Damit war die Partie eigentlich entschieden, doch jetzt wurde es erst richtig unterhaltsam.

Nach einem Stellungsfehler von, nunja, Demichelis erzielte der soeben eingewechselte Reisinger das 1:2 (64.), die Freiburger gaben ihre Zurückhaltung auf und wurden bei Abdessadkis Schuss nur von Torwart Butt am prompten Ausgleich gehindert (70.).

Doch dieser Abend war ganz offensichtlich vorgesehen für jene Münchner Nebendarsteller und Sorgenkinder, die lange auf große Auftritte gewartet haben. Pranjic gehörte unbedingt dazu, er spielte viele sinnvolle Pässe und bereitete das erste Tor von Timoschtschuk zum 3:1 vor, der mit einem satten Flachschuss traf (72.). Hoch ins Ecke segelte das Geschoss, das Kroos abgesetzt hatte, der damit ebenfalls seinen ersten Saisontreffer schaffte (80.). Nur Braafheid begriff den Sinn dieses Spiels nicht: Der spät gebrachte Ersatzmann erzielte per Eigentor den Endstand (87.).

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