FC Bayern in der Einzelkritik:Müller fühlt sich sauwohl in der Big City

Der bayerischste aller Münchner hält unkonventionell die Haxen hin. Lucas Hernández überlebt das Erdbeben namens Manuel Neuer, und Serge Gnabry erzielt das schnörkelloseste Tor der Fußballgeschichte.

Von Jonas Beckenkamp

Manuel Neuer

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(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wenn nicht noch der Himmel auf die Erde kracht, wird er seine Karriere bei Bayern beenden. So sagte es Präsident Herbert Hainer am Spieltag in einem Interview voraus. Genoss die Berliner Luft im fast leeren Olympiastadion, wo es nicht nur die Aerosole schwer hatten, sondern auch alle Eindringlinge vor seinem Gehäuse. Freute sich über ein Kopfbällchen von Belfodil, das er lässiger parierte als der Berghain-Türsteher die Touristenströme. Guckte Daridas Millenniums-Chance drüber. Rannte dann etwas übermütig den Kollegen Hernández über den Haufen und kassierte nach einem klassischen "Nimm ihn du, ich hab ihn sicher" mit Upamecano doch noch ein Gegentor.

Benjamin Pavard

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(Foto: Soeren Stache/dpa)

Hat neuerdings 100 Pflichtspiele bei den Bayern auf dem Buckel. Spielte in sehr vielen davon als Rechtsverteidiger, dabei beansprucht er eigentlich den Innenverteidigerposten als artgerechte Haltung für sich. Hat sich ein recht ansehnliches Grätschen-Arsenal zugelegt, da kann es schon mal Aua bei Gegner machen. Auf seiner Seite solide wie immer, aber ohne den ganz großen Moment. Beim Gegentor dann immerhin mit guter Aussicht aufs Geschehen.

Niklas Süle

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(Foto: Soeren Stache/dpa)

Befindet sich nach exakt 158 Spielen für die Bayern in Vertragsgesprächen und noch ist nicht klar, ob er seinen mächtigen Körper künftig in Barcelona über den Platz wuchtet - oder weiter in München. Oder in der "Big City" Berlin, so wie diesmal. Trieb das Spiel von hinten an, verteilte die Bälle und fungierte als der gewohnte Wandschrank des Bayern-Interieurs. Trabte beim Gegentreffer etwas verdutzt durch die Gegend, aber eigentlich ging der auf die Kappe der Kollegen Neuer und Upamecano.

Lucas Hernández

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(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Ist schon gut rumgekommen auf der Welt. Seine Stationen unter anderem: Marseille, Madrid, Malediven - dort verbrachte er Anfang Januar einen zünftigen Quarantäne-Urlaub. Präsentierte sich aber ordentlich rehabilitiert und sorgte mit einer gewissen, branchenweit bekannten "Griffigkeit" für einen Lockdown auf Herthas rechter Angriffsseite. Insgesamt recht kompromisslos in seinen Abwehraktionen, dafür nach vorne nicht so ein Geschoss wie Alphonso Davies, der sonst oft links verteidigt. Überlebte das Erdbeben namens Manuel Neuer unbeschadet.

Joshua Kimmich

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(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Kennt sich mit Quarantäne auch ganz gut aus, aber dieses Thema ist irgendwie so 2021. Machte früh Bekanntschaft mit Vladimir Daridas Grätschbeinen, das tat ein bisschen weh. Revanchierte sich dann seinerseits mit einem Tritt bei Herthas Maolida, so dass ein Schmerzensremis möglich schien. In Wahrheit konnte natürlich von einem Remis keine Rede sein: Seine Flanke verhalf letztlich Müller zum 2:0 und spätestens da wurde wieder einmal klar, wie wichtig dieser Kimmich doch für die Bayern ist.

Corentin Tolisso

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(Foto: Soeren Stache/dpa)

Noch ein Münchner, der um seinen Vertrag feilscht. Und es scheint kompliziert zu sein, denn er würde einerseits gerne bleiben, andererseits fragt sich der Verein, ob man sich eine oft verletzte, kostspielige Arbeitskraft wie ihn noch leisten möchte. Ist derzeit aber fit und durchaus gut drauf, wie seine beiden Tore zeigten. Eines zählte sogar: ein höchst anspruchsvoller Flugkopfball, der das 1:0 bedeutete. Feierte einigermaßen ausgelassen, als wolle er demonstrieren: Schaut's mal, liebe Großkopferten im Klub, vielleicht finden wir doch noch zusammen.

Serge Gnabry

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(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

War schon in Nordlondon (Arsenal) zuhause, da kommt man auch in Westberlin (Charlottenburg-Wilmersdorf) zurecht. Flitzte rechts entlang wie ein gepimpter Sportwagen die Sonnenallee - die Hertha ließ ihn großzügig seine PS demonstrieren. Zirkelte einige hübsche Flanken hinein oder versuchte es mit Dribblings. War für die Berliner eine ständige Gefahr, weil er im Verbund mit Müller viele überraschende Dinge initiierte. Vergab eine kolossale Chance, als er es bei einem Solosprint ein wenig zu genau machen wollte. Machte es dann besser und erzielte das schnörkelloseste Tor der Fußballgeschichte zum 4:0.

Thomas Müller

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(Foto: Soeren Stache/dpa)

War bis jetzt immer in Oberbayern zuhause und das wird wohl auch so bleiben, denn den Müllerthomas kann man sich ehrlicherweise nur schwer in irgendwelchen Big Cities vorstellen. Wobei er sich in Berlin von Anfang an sauwohl fühlte und prompt eines der vielen Tore von Tolisso einleitete (jenes wurde aber aberkannt). Unterstrich seine Wohligkeit dann mit einem eigenen Treffer, bei dem er herausragend unkonventionell den Müllerhaxen hinhielt. Kurvte den Rest der Partie munter durch Berlin und leistete sich noch den Luxus einer vergebenen Riesenchance.

Leroy Sané

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(Foto: Soeren Stache/dpa)

Ist neben einem gewissen zweifachen Weltfußballer bisher tatsächlich so etwas wie der Bayern-Spieler der Saison. Hätte man auch nicht zwingend gedacht. Die Wege des Fußballgottes sind eben unergründlich. Ging aber auch seine eigenen Wege, die ihn öfters bis in die Spitze brachten. Dort jedoch nicht immer entschlossen genug. Dafür im Zentrum stets anspielbar und mit vielen direkten Kostbarkeiten in der Ballverarbeitung. Ist generell ohne Zaubereien viel effektiver im Spiel, siehe das Hertha-Geschenk zum 3:0, das er gedankenschnell im Sprint erzwang.

Kingsley Coman

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(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Muskelzwicken, Virusbefall, Vertragsverlängerung: Bei ihm war zuletzt einiges los abseits des Platzes. Dürfte nun zu den Topverdienern bei den Bayern zählen und rechtfertigte das mit reichlich Engagement: energische Läufe über die linke Seite, Abschlüsse mit rechts, Kopfbälle. Und natürlich seine Flanke vor dem 1:0 durch Tolisso. Gönnte sich nach der Pause einen Alleingang entlang der Berliner Mauer (und durch sie hindurch) - und wurde erst im letzten Moment gestellt. Einer der agilsten Münchner diesmal.

Robert Lewandowski

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(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Ist jetzt mit dem Weltfußballer-Double dekoriert und hat fast alle Rekorde bei den Bayern gebrochen. Es bleiben eigentlich nur noch Gerd Müllers 365 Liga-Tore - aber die dürfte Lewandowski (300) auch noch packen, wenn nicht der Himmel auf die Erde kracht (siehe Neuer). Beschäftige die Berliner mit seiner schieren Präsenz, es wirkte so ein bisschen wie wenn George Clooney (bzw. jemand noch viel Cooleres) zur Berlinale vorbeischaut: Alle wollten bei ihm sein. Kam durchaus zu Chancen, doch dieses Mal war ihm kein Treffer vergönnt. Hakt die fehlenden 65 Tore zum Gerd-Müller-Rekord dann in den nächsten sieben Spielen ab.

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